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Körner: Gute Gründe für ein Leben in der Kirche

Dieser „Rückenstärker“ des Grazer Dogmatik-Professors für „Pfarrer und Religionslehrerinnen, Pastoralassistentinnen, Diakone, Frauen und Männer in Pfarrgemeinderäten Mütter und Väter, junge Leute, die zum Glauben gefunden haben“ (10), bietet in fünf Großkapiteln von jeweils zwischen ca. 18 und 40 Seiten „Orientierungen für den weiteren Weg mit der Kirche“ (160).

Dabei thematisiert er die gegenwärtige „Situation“ (13-32) ebenso wie das „Rätsel“ der Kirche als „Angelpunkt“ des Glaubens (33-48) sowie die „Kirche“ (49-80 mit ihrer „irdischen und himmlischen“ Seite, in ihrer zerbrochenen Einheit, zerbrechlichen Heiligkeit und ihrer Katholizität, die sich in das Leben Jesu hineinnehmen lässt).

In seiner Reflexion des „Image“s von Kirche und ihrem heutigen Er­schei­nungsbild (82-124), nimmt er u. a. die angebliche Gestrigkeit von Kirche, die Last der Kirchengeschichte, die pauschale Schlagworte-Kritik, die binnenkirchliche Polarisierung in konservativ und progressiv sowie die Kritik-Dauerbrenner (Mitbestimmung, Rolle der Frau, Pries­ter-Ehelosigkeit usw.) in den Blick.

Abschließend zeigt er einen „Weg“ (125-168) auf, den seiner Auffassung nach die Kirche einschlagen soll: Selbstbewusst in den „Grundkoordina­ten fürs Katholisch-Sein“, im Christsein für die anderen, im „Zurecht­kom­men mit einer Kirche, die Fehler macht“, im Leben mit einer neuen Spiritualität der Gemeinschaft sowie mit  neuen kirchlichen Bewe­gungen und Gemeinschaften. Dass es ohne eigene Bekehrung (= „Bekeh­rung nach unten“) nicht gehen kann, damit die Kirche weiter „freudig und furchtlos ans Werk gehen“ (160) wird, ist gleichsam das optimis­tische Schlussplädoyer und –resümee des Autors. Dazu gehört die deutliche Ermutigung zu dieser Sichtweise: „Es geht darum, dass wir, die Kirche, über ‚die Welt von heute’ negativ denken und reden, sie verurteilen, abwerten. Das wirft einen langen Schatten auf die Men­­schen, ist ungerecht und alles andere als einladend. … Es geht darum, die Men­schen zu sehen, wie Gott sie sieht. Und ihnen zu begegnen, wie Gott ihnen durch Jesus begegnet ist.“ (163)

Es lohnt sich, die Situationsbeschreibung Körners genauer anzu­schau­en. Besonders wegen seines dezidierten Anspruchs, „eine gründliche Diag­nose“ vor „einer wirklich hilfreichen Therapie“ anbieten zu wollen (10) bzw. wegen seiner Betonung, dass es „zuerst einmal um eine Diagnose“ geht (19) und, wie er nochmals abschließend akzentuiert: „Zuerst geht es darum, die Menschen wahrzunehmen.“ (164). Da ist zunächst die Rede vom „Ende der Volkskirche“, davon, dass „es schwe­rer geworden ist, den Glauben weiterzugeben“, von „persönlichem Versagen und Missständen“, von „Spannungen innerhalb der Kirche und nach außen sowie von einer „Krise im Glauben und Mängel(n) im Glaubenswissen“. Der Kenner der SINUS-Milieu-Studie von 2005 erwartet im Zusammenhang mit der Schwierigkeit der Glaubenswei­tergabe wenigstens eine kurze Bezugnahme auf diese Sehhilfe; indes begnügt der Autor sich mit dem Satz „Die Religionssoziologen stellen fest, dass sich in Europa die sogenannten „konfessionellen Milieus“ auf­gelöst haben.“ (14). Zugegebenermaßen betraf besagte Sinus-Studie nicht explizit die österreichische Situation, auf deren „Standort und Kenntnisse“ der „Verfasser“ speziell abzielt. Doch sind deren Ergebnisse keineswegs spurlos an den sieben österreichischen Bistümern und deren Kirchenleitungen vorbeigegangen. Sollte der Schlüssel für Körners „sozialpsychologische Abstinenz“ etwa in dem Satz zu finden sein: „Wer die Kirche allein in einem innerweltlichen soziologischen oder psychologischen Zusammenhang sieht, wird sie kaum verstehen können.“  (49)?

Zur Beschreibung von Körners „Situation“ gehört noch die Benennung der Faktoren, durch die die Kirche herausgefordert wird (Vorrang des Neuen, Demokratisierung aller Lebensbereiche, die Logik des Marktes und das allgemeine Machbarkeitsbewusstsein), aber auch die Darstel­lung neuer binnenkirchlicher Aufbrüche wie die Gemeinschaft Sant´ Egidio, unkonventioneller Lebensimpulse, kontemplativer Orte in den Städten sowie der internationaten Fokolar-Bewegung. Und die „Erin­nerung“ daran, dass es die Kirche um Gottes willen gibt: „Das heißt: Der Angelpunkt, um die Kirche zu verstehen, ist Gott.“ (31) - Dass er sich die Benennung des ganz und gar nicht unwesentlichen Faktors, dass man nicht über seinen persönlichen Glauben zu sprechen gelernt habe, bis zu einer nur kurzen Notiz am Schluss, als „letzten Aspekt“ (165) auf­gehoben hat, verstehe, wer will.

Bis sich der Leser mit dem Autor auf den o. g.  „Weg“ (125 ff) machen kann, hat er viel gelernt bzw. sich neu vergegenwärtigt. So zum Bei­spiel, was eine Glaubensgemeinschaft bringt (52), den „Schlüssel, um die Kirche zu verstehen“ (60), woran sich die Kirche messen muss ( 67 f), dass „katholisch alles für alle“ bedeutet (72) und wie die Kirche zur Kirche wird (76 f). Über die Art und Weise, wie sich der Autor der kirchlichen Imageprobleme annimmt, mag man unterschiedlicher Auffassung sein – solange das „aggiornamento“ von Johannes XXIII. nach Robert Spaemanns Vorschlag mit „Aktualisierung des Anders­seins“ übersetzt wird (124). Und bis er in seiner Lektüre bei oben erwähntem Resümee angelangt ist, empfiehlt Körner, „sein Leben in der Pfarre“ (bzw. in kirchlichen Gemeinschaften und Bewegungen) „nicht selbstgenügsam“ zu gestalten, sondern „das Neue mit Wohlwollen zu begleiten und das Althergebrachte nicht zu verurteilen.“ (153).

Es erstaunt, wie intensiv und stringent Dogmatiker Körner binnen­kirchlich bzw. -theologisch argumentiert. Nicht nur sein Quellenver­zeichnis in den Anmerkungen (169 – 171) bzw. seine Abstinenz von interdisziplinären Orientierungen beweisen dies. Selbst innerhalb seiner Umschau auf Erkenntnisse der fachtheologischen Nachbar­disziplinen – z. B. Fundamental- und Pastoraltheologie -  hält er sich auffallend zurück. Im Hinblick auf seine Adressanten setzt er zumindest eine solide katholische Allgemeinbildung voraus. Ob das wirklich sei­nem erwarteten Leserradius entspricht bzw. von diesem selbstver­ständlich erwartet werden kann? Mit dieser Kritik sollen selbstver­ständlich nicht die ungezählt vielen „theologischen Richtigkeiten“ – z. B. „Was eine Glaubensgemeinschaft bringt“ (52 f) – in den übrigen Ausführungen des Autors relativiert werden. Aber in der Gesamtschau muss dies halt beim Namen genannt werden.

Der Versuch des Rezensenten, Körners „Gute Gründe…“ auf die evan­gelischerseits bereits im Jahr 2009 vorgelegten „Zwölf gute Gründe, in der Kirche zu sein“ (https://www.ekd.de/glauben/12gutegruende.html) zu transponieren bzw. deren Besprechung darauf zu beziehen, erwies sich leider als ungeeignet. Zu verschieden und zu differenziert – nicht etwa gegensätzlich oder nicht kompri­mierbar – sind Aufbau und Argumente Körners, um sie in etwa im Verhältnis 1:1 vergleichbar bzw. angemessen verstehbar zu machen. Vielleicht könnte jemand (z. B. der Verlag selbst) den Autor Körner in absehbarer Zeit einmal um diese gewiss für viele Mitchristen hilfreiche Leistung bitten… 

Hans Arnold Ruh