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Klimawandel – Risiken und Lösungswege

Im Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) arbeiten Natur- und Sozialwissenschaftler aus aller Welt zusammen, um den globalen Klima­wandel und seine ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen zu untersuchen. Ottmar Edenhofer, Direktor des PIK, und Georg Feulner um­reißen den Klimawandel und seine Folgen und zeigen so sowohl den Ernst der Lage als auch Strategien und Optionen für eine zukunftsfähige Ent­wicklung von Mensch und Natur auf.

Die Atmosphäre ist zu einer riesigen Abfalldeponie geworden. Durch das Verfeuern von Kohle, Öl und Gas in den Industriestaaten der Welt stoßen wir aus unseren Schornsteinen und Auspuffen beachtliche Men­gen an Kohlendioxid (CO2) aus. Dieses sammelt sich in der Atmosphäre und führt so zum weltweit messbaren Aufheizen unserer Erde – und da­mit zu Risiken wie Extremwetter und Meeresspiegelanstieg. Auch bei uns in Deutschland haben etwa der Dürresommer 2018 und die erneu­ten Hitzerekorde des vergangenen Sommers gezeigt, dass bereits bei nur rund einem Grad globaler Erwärmung gegenüber dem vorindus­triellen Niveau die Folgen spürbar sind. Machen wir weiter wie bisher, dann müssen wir noch in diesem Jahrhundert mit einer Erwärmung von rund fünf Grad rechnen, mit ungleich heftigeren Folgen für die Menschheit.

Die Atmosphäre ist ein globales Gemeinschaftsgut, um einen Begriff zu verwenden, den zwei Nobelpreisträger geprägt haben: Elinor Ostrom und William Nordhaus. Man könnte auch ganz einfach sagen: Der Him­mel gehört uns allen. Derzeit übernutzen einige wenige Menschen – wir Bewohner der Industriestaaten heute – diese Ressource, indem sie zu viel Treibhausgase in der Atmosphäre deponieren und damit unser aller Klima dauerhaft destabilisieren. Das geht ausgerechnet auf Kosten der Schwächsten, nämlich der vielen Menschen in den ärmeren Ländern der Welt, die weder maßgeblich zum globalen Ausstoß von Treibhaus­gasen beigetragen noch von der Nutzung der fossilen Ressourcen signifi­kant profitiert haben. Ihnen stehen auch am wenigsten Mittel zur Verfü­gung, um sich vor den Klimafolgen zu schützen. Die Leidtragenden wer­den auch die sein, die heute ihre Stimme noch gar nicht erheben können – unsere Kinder und Kindeskinder, die über viele Generationen hinweg mit den zukünftigen Folgen unseres heutigen Tuns leben müssen. Die Stabilisierung unseres Klimas ist also eine Frage der Gerechtigkeit – und damit auch eine der christlichen Verantwortung.

Der Silberstreif am Horizont ist, dass wir zwar die Destabilisierung un­seres Klimas ausgelöst haben, diese aber auch wieder stoppen können. Durch Technologie und Innovation, durch eine neue industrielle Revo­lution können wir dem Fortschritt eine Richtung geben. Das geht jedoch nur mit entschlossenem politischen Handeln. Die Wirtschaftsfor­schung hat viele mögliche Werkzeuge der Klimapolitik untersucht. Manche sind nicht wirksam genug, andere zu teuer. Das Ergebnis: Wir brauchen einen fairen Preis auf CO2, wie es die Bundesregierung grundsätzlich im September 2020 beschlossen und im Dezember durch einen halbwegs akzeptablen Startpreis für den Ausstoß von CO2 festgelegt hat.

Der Ernst der Lage

In der Erdvergangenheit gab es immer kältere und wärmere Perioden. Das hat eine Reihe von Gründen, etwa die Umlaufzyklen der Erde um die Sonne. Die existierende, solide Forschung der Paläo-Klimatologen kommt leider zu besorgniserregenden Ergebnissen. In den vergangenen Warmzeiten waren etwa die Küstenlinien völlig andere als heute, weil der Meeresspiegel durch schmelzendes Eis teils um viele Meter höher lag. Ein vergleichbarer Anstieg der Ozeane heute wäre das Todesurteil für die Metropolen an den Küsten der Welt, von Mumbai bis New York, von Schanghai bis Hamburg. Die menschliche Zivilisation konnte sich in dem weitgehend stabilen Klima der vergangenen 12.000 Jahre ent­wickeln. Unser Wohlstand und die gewachsene Weltbevölkerung brau­chen diese Stabilität auch in Zukunft. Neue Forschungen aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigen, dass in den vergangenen drei Millionen Jahren die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nie so hoch war wie heute und die globale Mitteltempera­tur maximal zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau lag. Die Menschheit tritt also aus ihrem historischen Erfahrungsraum heraus, wenn sie die Temperaturen weiter in die Höhe treibt. Das ist hochris­kant. Bereits jetzt belegt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, dass global gesehen die Auswirkungen der Erderwärmung überwiegend negativ sind.

Der Klimawandel ist real, menschgemacht und bringt große Risiken mit sich. Weniges ist so gut erforscht wie dies – denn seit 1990 wird das Kli­ma in einzigartig gründlicher und globaler Zusammenarbeit unter­sucht, durch Hunderte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dem so genann­ten Weltklimarat. Dieser wird vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und von der Welt-Meteorologie-Behörde WMO getragen und besteht aus 195 Staaten – also fast allen weltweit. Alle fünf bis sieben Jahre veröffentlicht der IPCC Sachstandsberichte, jedes Mal werden die Teams aus Autoren – die dafür kein Geld bekommen – neu zusammen­gestellt. Die Expertinnen und Experten sichten und bewerten sämtliche in ihrem Feld neu veröffentlichten Studien, um den neuesten Stand der Wissenschaft für die Entscheider in der Politik bereitzustellen. In einem umfassenden Begutachtungsverfahren bringen wiederum viele Hundert Akteure – von der Ölindustrie bis zu Umweltgruppen – Kommentare ein, bis am Schluss Vertreter der Staaten über den Bericht beraten. Eine gründlichere Überprüfung ist kaum denkbar.

Ein längeres Zitat aus dem Vorwort des jüngsten Berichts beschreibt den derzeitigen Wissensstand: Der Bericht „bestätigt, dass der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem klar ist und zunimmt, wobei Folgen in allen Kontinenten und Ozeanen beobachtet werden. Viele der seit den 1950er Jahren beobachteten Änderungen waren vorher über Jahr­zehnte bis Jahrtausende nie aufgetreten. Der IPCC ist nun zu 95 Prozent sicher, dass Menschen die Hauptursache der derzeitigen globalen Er­wärmung sind. Ferner kommt [der Bericht] zu dem Ergebnis, dass die Risiken schwerwiegender, weitverbreiteter und irreversibler Folgen für Menschen und Ökosysteme sowie langanhaltende Änderungen aller Komponenten des Klimasystems steigen, je mehr Aktivitäten des Men­schen das Klima stören. [Der Bericht] betont, dass wir die Mittel haben, um den Klimawandel und seine Risiken zu begrenzen, einschließlich vieler Lösungen, die einen Fortbestand der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung erlauben. Jedoch erfordert eine Stabilisie­rung des Temperaturanstiegs auf unter 2 °C im Vergleich zum vorindus­triellen Niveau eine dringende und fundamentale Abkehr vom Business-as-Usual. Mehr noch – je länger wir zögern zu handeln, umso mehr Kosten werden wir zu tragen haben, und umso größer werden die tech­nologischen, wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Heraus­forderungen sein, denen wir gegenüberstehen“ (IPCC 2016, vii).

Wetterextreme und ihre Folgenkaskaden für Frieden und Gesundheit

Wetterextreme sind eine der schwerwiegendsten Folgen der Erwär­mung – sie können auch kurzfristig erhebliche Schäden verursachen und sie schädigen die Menschen direkt. Extreme sind ihrer Natur nach selten, zur Ermittlung statistischer Trends sind große Datenmengen nötig. Oft können wir daher nur für die langfristige globale Entwicklung klare Aussagen machen. Hitzewellen nehmen bereits deutlich zu, das zeigt die Forschung sehr deutlich. Die Anzahl von Hitzerekorden bei den Monatsmittelwerten liegt heute schon beim Fünffachen der Zahl, die wir ohne Klimawandel hätten. Bei Extremregen ist die Datenerhebung komplizierter, aber auch hier weisen Studien weltweit auf eine Zunah­me hin. Physikalisch ist klar, dass eine wärmere Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann – und sich dann öfter schlagartig entlädt.

Studien belegen, dass sich soziale Konflikte durch Wetterextreme ver­schärfen können. Dürren in Regionen mit ethnischer Zersplitterung erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines gewaltsamen Aufflammens be­reits schwelender Konflikte. Dies wiederum kann zu Migration führen. Durch die Abwanderung der mittellosen Landbevölkerung in Städte innerhalb einer Region kann deren Stabilität gefährdet werden. Die Folge sind häufig verstärkte internationale Migrationsbewegungen. Obwohl die Forschung hier noch am Anfang steht, ist sicher, dass der Klimawandel zur Verschärfung von Konflikten, Ungleichheit und er­höhter Belastung in einer mancherorts ohnehin zerbrechlichen Welt beiträgt.

Wetterextreme können auch schwerwiegende Folgen für die mensch­liche Gesundheit haben. Hitzewellen verursachen zusätzliche Todesfälle gerade unter den Schwächsten der Gesellschaft. Krankheitsüberträger breiten sich oft im wärmeren Klima besser aus. Dürren führen zu Miss­ernten, welche in armen Regionen Mangelernährung auslösen. Sind hiervon schwangere Frauen betroffen, so leidet die Entwicklung ihrer ungeborenen Kinder. Das Hilfswerk Brot für die Welt fasst sehr treffend zusammen: „Der Klimawandel entwickelt sich zu einem der größten Hindernisse bei der Überwindung von Hunger und Armut“ (Füllkrug-Weitzel 2015).

Umsteuern ist möglich – mit einem fairen CO2-Preis

Die weltweiten Kohlevorräte sind nahezu unbegrenzt und Kohlekraft­werke erzeugen im Vergleich zu Gaskraftwerken billigeren Strom, was Kohle für die Schwellen- und Entwicklungsländer besonders attraktiv macht. So beträgt der Anteil der Kohle an der Primärenergie in China heute 70 Prozent. Derzeit verbraucht China beinahe so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammengenommen. Dort hat sich der Zubau neuer Kohlekraftwerke zwar verlangsamt, dafür wollen andere Länder den Ausbau der Kohle sogar noch beschleunigen. Damit soll – den oft ver­heerenden gesundheitlichen Konsequenzen zum Trotz – breiten Be­völkerungsschichten und vor allem auch den Ärmsten ein zuverlässiger Zugang zu Elektrizität verschafft werden.

Insgesamt bauen oder planen Länder wie die Türkei, Indonesien, Viet­nam, Südafrika, Korea, Japan und Bangladesch derzeit weltweit 1500 zusätzliche Kohlekraftwerke. Allein die im Betrieb befindlichen und neu geplanten Kohlekraftwerke werden die Atmosphäre mit etwa 330 Giga­tonnen CO2 zusätzlich belasten. Damit verbrauchen sie allein schon fast die Hälfte des noch verbleibenden CO2-Budgets für die Temperatur­obergrenze von 2 °C, zu dessen Einhaltung sich die Regierungen in Paris verpflichtet haben.

Auch in Deutschland ist der Anteil der Kohle im Stromsektor trotz der starken Förderung der erneuerbaren Energien nicht gesunken. Vor allem Wind- und Solarenergie stellen die deutsche Stromversorgung bereits heute zu einem Drittel sicher. Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, produzieren erneuerbare Energien den Strom zu variablen Kosten von null. Dann sind die fossilen Kraftwerke nicht rentabel und exportieren den Kohlestrom ins europäische Ausland. Wenn durch die Wetterlagen Windräder und Photovoltaik keine Energie produzieren können, werden für die Stromproduktion Steinkohle- und Braunkohle­kraftwerke eingesetzt. Deren Stromgestehungskosten sind niedriger als die der Gaskraftwerke. Das Ergebnis: Obwohl der Anteil der erneuer­baren Energien gestiegen ist, sinken die Emissionen im Stromsektor nur noch geringfügig. Deutschland wird seine bis 2020 selbstgesetzten Klimaziele deshalb nicht erreichen.

Nicht die Knappheit von Kohle, Öl und Gas wird das 21. Jahrhundert prägen, sondern die begrenzte Aufnahmefähigkeit von Klimagasen durch die Atmosphäre. Ein einfacher Vergleich zeigt die ganze Dramatik der Situation: So lässt sich die in Paris beschlossene Begrenzung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf 2 °C in ein konkretes Budget von etwa 700 bis 800 Gigatonnen (Gt) CO2 übersetzen. Das ist die Men­ge, die die Menschheit noch maximal in der Atmosphäre ablagern darf, bevor das 2°C-Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit verfehlt wird. Dem gegenüber stehen geschätzte 15.000 Gt CO2, die als Kohle, Öl und Gas im Boden lagern. Für die Klimapolitik hat dies einschneidende Konsequen­zen: Die politischen Entscheidungsträger können nicht mehr hoffen, dass der Handlungsdruck von den Märkten kommt. Sie selbst müssen durch internationale Regeln und Vereinbarungen dafür sorgen, dass die fossilen Ressourcen im Boden bleiben und die Atmosphäre als das Gemeinschaftsgut der gesamten Menschheit geschützt wird. So sagt auch Papst Franziskus in seiner Umweltenzyklika Laudato si’ von 2015, das Klima sei „ein gemeinschaftliches Gut von allen für alle“ (LS 23). Angesichts der möglichen Konsequenzen für die Weltbevölkerung sucht der Papst den ökumenischen Schulterschluss.

Sicherlich wird der technische Fortschritt bei den Speichertechnologien und der Ausbau integrierter Stromnetze die Kosten weiter senken. Den­noch: Die Hoffnung, der technische Fortschritt allein würde das Klima­problem lösen und man könne sich zeitraubende internationale Ver­handlungen ersparen, ist trügerisch. Wenn CO2-freie Technologien wie die Kernenergie oder die erneu­erbaren Energien billiger werden, steigt deren Marktanteil. Im Umkehrschluss sinkt folglich die Nachfrage nach fossilen Energieträgern. Dieser Rückgang wird teilweise dadurch über­kompensiert, dass bei geringerem Bedarf die Preise für Kohle, Öl und Gas fallen und damit insgesamt mehr fossile, weil billige Energie ver­braucht wird. Das gilt insbesondere für Länder, die sich keine ehrgeizi­gen Klimaziele gesetzt haben. Der technische Fortschritt bei den Erneu­erbaren führt also nicht zwangsläufig zum Rückgang der Nutzung fos­siler Energien. Folgerichtig führt die Förderung CO2-freier Technologien alleine nicht zum Ziel.

Erst wenn die Verursacher von Treibhausgasen für ihre Emissionen zah­len müssen, ändert sich die Situation grundlegend. Denn ein CO2-Preis macht erstens die Nutzung schmutziger fossiler Energie weniger profi­tabel. Zweitens gibt er einen Anreiz für saubere Innovationen. Und drittens führt er zu Einnahmen für den Staat, welche dieser wahlweise in den dringend nötigen Ausbau von Infrastruktur stecken kann, in Steuersenkungen (in Deutschland etwa bei der Stromsteuer) oder in die direkte Rückerstattung an die Bürgerinnen und Bürger. So kann man soziale Gerechtigkeit schaffen, denn Haushalte mit niedrigem Einkom­men profitieren relativ gesehen mehr davon als solche mit hohem Ein­kommen. Wer hingegen ausschließlich mit Ordnungsrecht Klimapolitik zu machen versucht, handelt nicht nur am Markt vorbei; er erzielt vor allem auch keine Einnahmen. Derzeit werden die fossilen Energieträger noch im weltweiten Schritt mit 150 US-Dollar pro Tonne jährlich sub­ventioniert, legt man die von ihnen verursachten Umwelt- und Gesund­heitskosten als Berechnungsmaßstab zugrunde.

Aus Subventionen (= negative Preise) müssen positive CO2-Preise werden

In den frühen Morgenstunden des 20. September 2019 beschloss der erweiterte Koalitionsausschuss das lang ersehnte „Klimaschutzpro­gramm 2030“ der Bundesregierung – mit einem neuen CO2-Preisinstru­ment auch für die Sektoren Verkehr und Wärme in Deutschland. Im Ver­mittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat wurde am 16. Dezember 2019 das Einstiegsniveau bei der CO2-Bepreisung, auf das sich das Klimakabinett geeinigt hatte, substantiell erhöht. Die Verord­nung schafft einen erheblichen finanziellen Anreiz dafür, dass Deutsch­land Emissionen in den nicht vom EU-Emissionshandel erfassten Sek­toren vermeidet – also in den Sektoren Verkehr, Wärme, Gebäude und Landwirtschaft. Kann nämlich ein EU-Mitgliedstaat seine Minderungs­verpflichtungen nicht erfüllen, ist er verpflichtet, sich Emissionsrechte bei anderen Mitgliedstaaten zu kaufen. Daher hat Deutschland mit dem Klimaschutzgesetz zahlreiche Maßnahmen zur Senkung seiner (natio­na­len) CO2-Emissionen in diesen Sektoren beschlossen. Insgesamt werden 62 Milliarden Euro bis zum Jahr 2023 für den Klimaschutz ausgegeben. Dabei setzt das Klimapaket vor allem auf Fördermaßnah­men und Ordnungsrecht. Mit dem Paket wird jedoch auch der Einstieg in die nationale CO2-Bepreisung im Rahmen eines nationalen Emis­sionshandels für Wärme und Verkehr initiiert. Anfänglich wird der Preis auf 25 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021 festgesetzt, bis 2025 soll er auf 55 Euro steigen. 2026 erfolgt dann die Freigabe im Rahmen eines Preis­korridors. Dies soll dafür sorgen, dass Deutschland die von der EU vor­gegebenen jährlichen Mengenziele erreicht. Die CO2-Bepreisung hat – anders als andere Klimapolitik-Instrumente der Bundesregierung – einen großen Vorteil: Sie generiert Einnahmen, die bei kluger Ausge­staltung einen sozialen Ausgleich erlauben. Durch die Änderungen im Vermittlungsausschuss wird nun ein sozial verträglicher Einstieg in die CO2-Bepreisung erreicht. Um auch bei steigenden Preisen eine ausgewo­gene Verteilung der Belastung zu gewährleisten, müssen allerdings in späteren Jahren die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in größerem Umfang als bisher vorgesehen an die Bürgerinnen und Bürger zurück­erstattet werden.

Insgesamt ist das von der Bundesregierung beschlossene Klimapaket ein erster Schritt in die richtige Richtung. Zu befürchten steht, dass die ver­abschiedeten Maßnahmen nicht ausreichend sind, um die europarecht­lichen Verpflichtungen einzuhalten.

Wenn es gelingt, einen einheitlichen CO2-Preis für Europa zu etablieren, könnte dies ein Grundstein für globale Verhandlungen über Mindest­preise werden. Die UN-Klimakonferenz COP 25, die 2019 in Madrid stattfand, hat über Artikel 6 des Pariser Weltklimaabkommens verhan­delt. Dieser soll es den Vertragsstaaten ermöglichen, miteinander zu kooperieren und so ihre Anstrengungen beim Klimaschutz zu erhöhen. So sollen sie Minderungsmaßnahmen in anderen Ländern erbringen können, die ihnen dann auf die nationalen Anstrengungen angerechnet werden (Artikel 6.2). In diesem Rahmen könnten grenzüberschreitende Kohlenstoffmärkte entstehen. Zwar brachten die Verhandlungen in Madrid kein konkretes Ergebnis, denn grundsätzlich ist es schwierig, sich auf nationale Mengenziele und Anrechnungen zu einigen. Doch die Hoffnung bleibt, dass in den nächsten COP-Runden der Einstieg in Verhandlungen über CO2-Mindestpreise erfolgt. Würde der CO2-Preis auch das Leitinstrument der internationalen Klimapolitik, wäre eine echte Wende der Klimapolitik eingeleitet (vgl. Edenhofer/​Kalkuhl/​Ockenfels 2020, 1 f.).

In Deutschland ist aber zumindest der mit dem Klimapaket bewirkte Paradigmenwechsel hin zu einer Bepreisung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der eigentliche Grund dafür ist aber nicht, wie Politik und Expertengremien zuweilen betonen, dass ein deutscher oder euro­päischer CO2-Preis ökonomisch effizient oder effektiv wäre. Denn auch ein ambitionierter Preis in Deutschland oder Europa wird den Klima­wandel nicht aufhalten können, solange sich nicht auch andere Länder beteiligen. Der Paradigmenwechsel hin zu einer CO2-Bepreisung ist so wichtig durch ihren potenziellen Beitrag zur Lösung des internationalen Koordinations- und Kooperationsproblems.

Kooperation entsteht nicht durch ein Flickwerk selbstgesteckter natio­naler und regionaler Mengenziele oder langfristige Subventionen. Ein CO2-Preis kann dagegen Fokalpunkt der internationalen Verhandlungen um wirkungsvolle Maßnahmen werden.

Die Bundesregierung hat, wenn auch zögerlich, beim Schnüren des Klimapakets einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Ein CO2-Preis, der schrittweise ansteigt, ist ein politisches Instrument, dass für die Marktteilnehmer Planungssicherheit und letztlich Innovationsan­reize schafft. Seriöse Abschätzungen gehen davon aus, dass eine ehr­geizige Klimapolitik uns nur wenige Prozentpunkte globalen Wirt­schaftswachstums kosten wird – wir erreichen also dieselben Wachs­tumsziele, nur wenige Jahre später. Machen wir hingegen einfach weiter wie bisher und stoßen ungehemmt Treibhausgase aus, so ge­fährden wir auf Dauer unseren Wohlstand ganz grundsätzlich. Wir können es uns aussuchen. Wir zahlen für Klimaschäden, wobei das menschliche Leid nicht in Geld aufzuwiegen ist. Oder wir vermeiden die größten Risiken und investieren in die Klimastabilisierung.