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Transformation einer beharrenden Institution?

Wahrnehmungen und Überlegungen zu Gegenwart und Zukunft pastoraler Arbeit

Aus der Perspektive des Bundesverbands der Gemeindereferent*innen beleuchtet Regina Nagel die Herausforderungen jetzigen und künftigen Arbeitens in der Kirche. Ein besonderes Augenmerk legt sie auf den Umgang mit Macht und auf die inneren Ausdifferenzierungen der verschiedenen Strömungen in der Kirche, die sie durchaus als problematisch wahrnimmt.

„Was nehmen Sie an Transformationen in der Kirche wahr und was folgern Sie daraus, wenn Sie an die Zukunft pastoraler Arbeit denken, auch was Professionen, Rollen und Rahmenbedingungen angeht?“

So in etwa lautet die Frage, mit der ich um einen Beitrag gebeten wurde. Sie richtet sich an mich als Vorsitzende des Bundesverbands der Gemeindereferent*innen e. V. (BVGR) in Deutschland wie auch an mich als Person auf dem Hintergrund jahrzehntelanger Erfahrungen in pastoraler Arbeit und in Wahlämtern in der Kirche. Bevor ich ein paar meiner Gedanken dazu vorstellen werde, lasse ich eine Künstliche Intelligenz zu Wort kommen, denn ich fand es interessant, zu erfahren, ob eine KI einen Unterschied benennen wird zwischen einer zu erwartenden Antwort des GR-Verbands und meiner persönlichen Antwort. Gewählt habe ich den Anbieter „Perplexity“

@perplexity: Was denkt der Verband? Was denke ich?

Frage: „Was denkt der Bundesverband der Gemeindereferent*innen Deutschlands über die Zukunft pastoraler Arbeit in der katholischen Kirche?“

Perplexity: „Der Bundesverband der Gemeindereferent*innen Deutschlands sieht die Zukunft pastoraler Arbeit in der katholischen Kirche als unsicher und herausfordernd, insbesondere angesichts des Endes der Volkskirche und der umfassenden Transformationen, die die Institution durchläuft. Die Glaubwürdigkeit der Kirche steht im Zentrum der Überlegungen, ebenso wie die Notwendigkeit, die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten. Gemeindereferent*innen spielen eine Schlüsselrolle in dieser Transformation, indem sie als Multiplikatoren wirken, Glaubenszeugnis im Alltag leben und Menschen befähigen, Verantwortung zu übernehmen. Sie tragen dazu bei, neue Wege für kirchliches Leben und pastorale Arbeit zu finden, insbesondere durch ihre Zusammenarbeit mit anderen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Die Herausforderungen umfassen strukturelle Anpassungen wie neue Pfarreiformen und die Förderung der Synodalität sowie die inhaltliche Ausrichtung der Pastoral. Ziel ist es, eine lebendige Kirche zu gestalten, die den gesellschaftlichen Kontext berücksichtigt und Menschen motiviert, sich aktiv einzubringen.“

Alternative Frage: „Was denkt Regina Nagel, die Vorsitzende des Bundesverbands der Gemeindereferentinnen Deutschlands, über die Zukunft pastoraler Arbeit in der katholischen Kirche?“

Perplexity: „Regina Nagel sieht die Zukunft pastoraler Arbeit in der katholischen Kirche kritisch und fordert grundlegende Veränderungen. Sie betont, dass die katholische Kirche in einem umfassenden Transformationsprozess steckt, der durch den Niedergang der Volkskirche und die Enthüllung von Machtmissbrauch geprägt ist. Nagel kritisiert vor allem die mangelnde Geschlechtergerechtigkeit und die strukturelle Benachteiligung von Frauen im klerikalen System. Sie sieht die Notwendigkeit, Autorität und Macht neu zu definieren, um eine glaubwürdige und evangeliumsgemäße Kirche zu gestalten. Für Nagel bedeutet Zukunftsfähigkeit, dass sich die Kirche den Herausforderungen ihrer Glaubwürdigkeit stellt und ihre Strukturen sowie pastorale Dienste radikal überdenkt. Sie plädiert für eine Kirche, die Zeichen der Zeit erkennt und im Licht des Evangeliums handelt.“

Perplexitiy hat durchschaut, dass ich eine kritischere Haltung gegenüber der Kirche einnehme als der Verband insgesamt und dass ich infolgedessen „radikale“ Forderungen stelle. Interessant war, dass die KI vertiefende Folgefragen vorschlug. Ich konnte nicht widerstehen und erfuhr dadurch, dass meine Kritik gemischte Reaktionen hervorrufe, wie eine zunehmende Sensibilisierung für Machtmissbrauch, aber auch Widerstände gegen tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Insgesamt habe meine Kritik die Debatte belebt. Soweit die KI, doch nun einige Assoziationen, die mir zur Fragestellung in den Sinn gekommen sind:

2018: Zäsur in der Verbandsarbeit: Machtmissbrauch in der Kirche – und nun?

Den BVGR gibt es seit mehr als 30 Jahren als Dachverband von Diözesanverbänden. Vor zehn Jahren initiierte der Verband eine Befragung unter seinen Mitgliedern. Eine Frage lautete: „Möchten Sie in zehn Jahren noch Gemeindereferentin in dieser Kirche sein?“  Von 674 GR antworteten 48 % „Ja“, 12 % „Nein“, 40 % „Ja, wenn sich die Kirche positiv weiterentwickelt“. Mit „positiv“ waren Veränderungen gemeint wie: Wertschätzung der Arbeit von GR, ein kooperativer Führungsstil der Vorgesetzten und vieles, was später im Synodalen Weg Thema war. Hauptinteresse des Verbands war es in dieser Zeit, Impulsgeber für eine zukunftsorientierte Pastoral zu sein. Diskutiert wurden die Chancen pastoraler Rollenprofile. Ende 2018 kam es infolge der Veröffentlichung der MHG-Studie zu einer Zäsur. Viele fragten sich, ob und wie lange sie noch für ein Unternehmen tätig sein wollen, in dem Missbrauch und Vertuschung in bisher ungeahntem Ausmaß eine Rolle spielen. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung führte der Verband im Jahr 2022 eine bundesweite Umfrage unter GR und PR zu Erfahrungen mit Machtmissbrauch im pastoralen Laienberuf durch. Fast 1000 Seelsorger*innen beteiligten sich (vgl. Nagel/​Lürbke 2023). Ca. 80 % der Teilnehmenden gaben an, dass sie im beruflichen Kontext Erfahrungen mit Machtmissbrauch gemacht haben. Unter anderem benannten davon knapp 70 % „Missachtung meiner Kompetenzen“, über 50 % „Abwertung wegen des fehlenden Weiheamts“, knapp 30 % „Abwertung wegen des Geschlechts“ und 12 % „Verbale sexuelle Belästigung“. Auf der Grundlage von Interviews wurden acht Erfahrungsberichte in das Buch aufgenommen, außerdem Beiträge von Fachpersonen aus Bereichen wie Psychologie, Theologie und Personalverantwortung. Das Interesse am Buch war und ist höher, als der Verlag erwartet hatte. In Veranstaltungen dazu zeigt sich, dass Veränderungen am ehesten in Bereichen des Arbeitsrechts und der Personalführung möglich erscheinen, im Hinblick auf systembedingten Machtmissbrauch in der Kirche hingegen kaum. Immer wieder kamen in Antworten und Interviews Aspekte spirituellen Missbrauchs zur Sprache, wie z. B. in folgender Aussage: „Priester, die aus sehr konservativen (vorkonziliaren) oder aus den charismatisch-evangelikalen Kreisen stammen, haben oft eine sehr enge, sogar sektiererische Sichtweise, die andere Arten des Glaubens und der Spiritualität nicht zulassen.“  Ein Gemeindereferent erzählte sehr besorgt, dass sein Vorgesetzter „total auf James Mallon abfahre“ [James Mallon, Autor des Buches „Divine Renovation. Wenn Gott sein Haus saniert“; Anm. d. Red.] und dass er nicht wisse, wie er Jugendliche davor schützen könne. Ein Jahr später referierte Doris Reisinger in der Bundesversammlung zum Thema „Innerkatholischer Fundamentalismus“.

Positive Weiterentwicklung der Kirche

Die oben erwähnten zehn Jahre nach der Befragung von 2015 sind vorüber. Ist die von damals 40 % der GR erhoffte „positive Weiterentwicklung“ eingetreten? Sind diese Kolleg*innen zufrieden dageblieben, enttäuscht gegangen oder haben sie sich notgedrungen arrangiert?

Die für pastorale Mitarbeiter*innen bedeutsamste positive Entwicklung war die Änderung der Grundordnung. Der Kernbereich privater Lebensgestaltung entzieht sich inzwischen weitgehend dem Zugriff des Dienstgebers. Die Ergebnisse des Synodalen Wegs insgesamt wurden im Verband mit verhaltenem Interesse zur Kenntnis genommen. Auch wenn es keine empirischen Daten dazu gibt, ist davon auszugehen, dass von den 40 % Unentschiedenen von 2015 einige immer noch da sind, sei es aufgrund des sicheren Arbeitsplatzes oder auch der Freude an der konkreten Tätigkeit trotz persönlicher Schwierigkeiten, sich mit dem System der katholischen Kirche zu identifizieren. Nicht wenige jedoch haben den Beruf verlassen, einige sind sehr bewusst mit Renteneintritt aus der Kirche ausgetreten und junge Kolleg*innen, die nachkommen, gehen meist nicht mehr davon aus, dass sie bis zur Rente im kirchlichen Dienst bleiben werden oder wollen.

Diese Entwicklung entspricht einem gesamtgesellschaftlichen Trend, der im Sommer 2023 auch bei einer Tagung des Zentrums für Angewandte Pastoralforschung (zap) Bochum unter dem Titel „Das Ende des Berufs“ aufgegriffen wurde. Ziel dieser Veranstaltung war es, die Realität wahrzunehmen und tragfähige Zukunftsoptionen für pastorale Tätigkeit zu entwickeln. Unter anderem ging es bei dieser Tagung um eine Studie zu Gegenwart und Zukunft der Tätigkeit von Gemeindereferent*innen, die in den Jahren 2020 bis 2023 durch sechs katholische Hochschulen durchgeführt worden war (Feeser-Lichterfeld u. a. 2023). Ein Ergebnis der Studie ist, dass heutige GR und Studierende zu etwa je einem Drittel ein sozialdiakonisches, gemeindebezogenes oder reformorientiertes Kirchen- und Pastoralverständnis haben. Je etwa die Hälfte der Befragten kann eher einem konservativen bzw. einem progressiven Spektrum zugeordnet werden. Setzt man dies in Bezug zu den Pastoralverständnissen, dann – so stellen die Verantwortlichen der Studie fest – zeigt sich, dass deutlich mehr Konservative auch künftig eine gemeindebezogene Kirche und ein klares Berufsprofil wünschen, während Progressive sich Leitungsverantwortung wünschen und mit Bezahlung und Entwicklungsmöglichkeiten unzufriedener sind. Dieses Ergebnis passt zu meinen Beobachtungen. Bezieht man dazu noch die Ergebnisse der Studie unter jungen Priestern aus dem Jahr 2024 mit ein, zeigt sich, dass konservative GR mit dem Mainstream des Priesternachwuchses kompatibel sind. Reformorientierte in Haupt- und Ehrenamt werden älter und weniger. Abgesehen von ein paar kirchenkritisch-innovativen Gemeinden vor allem im städtischen Bereich, die nicht unbedingt territorial ausgerichtet sind, geht vieles zu Ende.

Flexibel agieren in einer beharrenden Institution?

„Wie können wir als Hauptberufliche in der Pastoral damit umgehen, dass sich die Institution nicht grundlegend dahin verändert, dass sie sich an demokratischen und menschenrechtlichen Standards ausrichtet?“

Diese Frage stellten sich Ende 2024 Pastoralreferent*innen im Bistum Aachen und sie baten die Journalistin Christiane Florin um Antwort. Florin stellt in ihrem Vortrag fünf Pastoraltypen vor. Bei der Veranstaltung erhielt sie dafür kräftigen Beifall und im Internet viele Likes und Kommentare. Dem Typ 3 beispielsweise legt sie folgenden Satz in den Mund: „Ich habe mit meinem Pastor Glück gehabt, der lässt mich machen.“ Ja, wer nicht ausgebremst wird in seinen Kompetenzen, darf sich glücklich schätzen. Besonders Privilegierte, geschätzt ca. 20 %, arbeiten sogar in einem Team mit einem Chef, der leiten kann, und sie genießen vertrauensvolle, professionelle Zusammenarbeit. Auch Typ 4 ist weitgehend zufrieden und wird von Florin so zitiert: „Toll, dass der Papst die Diakoninnenweihe nicht verboten hat, das kommt ins Dankbarkeitstagebuch.“ Zu beachten ist hierbei, dass die Zahl professioneller Seelsorgerinnen, die geweiht werden wollen, eher niedrig ist. Sie fordern keine Weihe, sondern erwarten Respekt aufgrund ihrer Kompetenzen. Sie kritisieren die Nichtzulassung von Frauen zu den Weiheämtern als einen in Machtinteressen gegründeten Affront gegen Geschlechtergerechtigkeit. „Dankbarkeitstagebuchführer*innen“ ist jedoch ein treffender Begriff. Man findet sie unter denen mit unendlicher Geduld und einer engen Kirchenbindung. Florins Typ 5 engagiert sich kreativ und reformorientiert und dies auch berufs- und kirchenpolitisch unermüdlich, beispielsweise in Verbandsarbeit. Typ 1 hingegen ist des Kämpfens müde und hat, so sagt Florin, bei der Institution Kirche innerlich längst gekündigt. Manche davon treten mit Renteneintritt aus der Kirche aus und engagieren sich sozial oder gesellschaftspolitisch. Sie sind nicht mehr bereit, das klerikal-hierarchisch-misogyne System zu stabilisieren, und was angebliche Glaubenswahrheiten angeht, setzen sie auf Wissensvermittlung und Stärkung spiritueller Selbstbestimmung. Der Einschätzung von Florin, dass diese Gruppe unter ehemals katholisch sozialisierten und vor allem rentennahen Seelsorger*innen gar nicht so klein ist, stimme ich zu. Daneben gibt es vor allem unter denen, die in diesem Jahrtausend in den Beruf eingestiegen sind, den Typ 2. Laut Florin sagt diese Gruppe: „Die Menschen suchen Spiritualität und Orientierung“. Enkel*innen der Konzilsgeneration, wie auch die Kinder der gesellschaftspolitisch aktiven BDKJ-Mitglieder der 80er, haben die Rückschritte unter Johannes Paul II. nicht miterlebt und die unter Benedikt XVI. längst nicht so bedrückend wahrgenommen wie ältere Seelsorger*innen. Sie sind gerne katholisch und möchten die Kirche attraktiv machen durch spirituelle Angebote, kreative katechetische Wege, liturgisch ansprechende Gottesdienste, einladende Projekte oder als Influencer*innen. Viele davon werden weniger Geduld haben als die Boomer-Generation und die meisten sagen heute schon, dass sie einen Plan B haben.

Meinem Eindruck nach passen all diese Typen in vielen Kontexten gut zusammen, gerade in Zeiten der Transformation und zunehmender Bedeutungslosigkeit der ehemals einflussreichen großen Kirchen im deutschsprachigen Raum. Es geschieht viel Gutes durch Menschen, die sich noch haupt- oder ehrenamtlich im kirchlichen Feld engagieren: in seelsorglichen Kontakten, durch eine Vielfalt offener Angebote, durch die Bereitstellung von Räumen, durch Kooperation mit anderen im sozialdiakonischen Bereich. Im Ausbau solcher Kooperationen könnte eine Chance liegen. Dazu bräuchte es eine Mischung aus Respekt vor unterschiedlichen Glaubensrichtungen auf Grundlage unbedingter Zustimmung zu den Menschenrechten, verbunden mit einer faktenorientierten Klarheit, was Entstehung und Inhalte des christlichen Glaubens anbelangt. Jegliche Evangelisierungsabsicht im Sinne einer angeblichen Heilsnotwendigkeit einer Bekehrung zu Jesus Christus oder gar zum Katholizismus würde einer solchen Haltung widersprechen. Zu diesem Gedanken passt eines meiner theologischen Lieblingsbücher (John D. Caputo, Die Torheit Gottes). Dem Autor hätte der Titel „Braucht das Reich Gottes eigentlich Gott?“ noch besser gefallen. Seine Antwort wäre: Nein. Worauf es ankommt, ist nicht ein Glaubensgebäude, die pflichtgemäße Durchführung angeblich göttlich vorgegebener Rituale oder Bekehrungen aufgrund evangelikal inszenierter Gotteserfahrungen, sondern eine Praxis, durch die Gerechtigkeit und Frieden in der Menschheitsfamilie wächst.

Leider beobachte ich innerkirchlich und auch beim Personal eine problematische Gegenbewegung zu einem aufgeklärten Christentum.  Christiane Florin sieht das auch und benennt in ihren Ausführungen einen Untertyp 2b. Sie schreibt, dass das „b“ für „Berufung stehe, da diejenigen an einem Wallfahrtsort oder in einem Gebetshaus Jesus persönlich begegnet seien“. Untertyp 2b zeichnet sich durch Missionierungseifer und einen Hang zu spiritueller Manipulation aus. „Berufen“ fühlen sich diese jungen Kolleg*innen gerne aufgrund von Teilnahme an Alpha-Kursen, Weltjugendtagen, Medjugorjewallfahrten oder Glaubensfestivals. Viele Bischöfe sind diesbezüglich sehr unkritisch oder fördern diese Richtungen sogar. Ein Beispiel dafür ist das seitens der österreichischen Bischofskonferenz eingerichtete jugendmissionarische Netzwerk JAKOB.

Wo „christlich“ draufsteht, ist nicht unbedingt „Frohe Botschaft“ drin

Ich befürchte, dass Untertyp 2b überhandnehmen wird und dass die katholische Kirche zur „katholikalen“ Sekte werden könnte und dies weltweit. Manipulative Speaker*innen und Anhänger*innen dieser Richtung findet man in Deutschland in traditionalistischen Kreisen (Marsch für das Leben, Demo für alle, TFP, vielen geistlichen Gemeinschaften …) wie auch bei katholisch oder ökumenisch ausgerichteten evangelikal-charismatischen Events, beispielsweise im Umfeld der „Awakening Church“. Diese steht in enger Verbindung mit Trump-Unterstützern in den USA und hat sich zum Ziel gesetzt, Europa zu „christianisieren“. Protagonist*innen und Netzwerke reichen zum Teil weit hinein in die rechte und rechtsradikale Szene. Autorinnen wie Sonja Strube (Strube 2024) und Maria Hinsenkamp (Hinsenkamp 2024) weisen auf die Gefahren hin. Ich empfehle dringend, sich zu informieren, welche Personen und Gruppen dazugehören. Hardcore-Evangelisierung auch im katholischen Bereich und dies zum Teil jenseits aller menschengerechten Christlichkeit bis hin zu Einvernehmen mit faschistischen Tendenzen nimmt zu. Gefährlich ist, dass die Gefahren kaum ernst genommen werden. Es ist fahrlässig, darauf zu vertrauen, dass alle, die sich auf Jesus Christus berufen, ja doch irgendwie zusammengehören. Wo „christlich“ oder „katholisch“ draufsteht, ist längst nicht immer „Frohe Botschaft“ drin. Spiritueller Missbrauch ist nicht nur ein Vergehen gegen Freiheit, Würde und Selbstbestimmung einzelner Menschen, sondern ist oft konstitutiv für religiöse Systeme, die zu Fundamentalismus und Fanatismus neigen.

Welche Transformationen nehme ich wahr und was folgere ich daraus für die Zukunft pastoraler Arbeit? So lautete die Eingangsfrage.

Die Transformationen sind vielschichtig: Stärkung von Synodalität, kreative Neue-Kirche-Projekte, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Entstehung, Chancen und Gefahren von Religiosität, manipulative Katechismusindoktrination, evangelikale Bekehrungsstrategien – all das läuft gleichzeitig ab und dies in einer Gesellschaft, die anfällig ist für Fake News, Fanatismus und rechte Parolen und in der es aber auch immer wieder mutige Menschen gibt, die sich für Menschenwürde und Gerechtigkeit engagieren. Es braucht Menschen, darunter auch theologisch qualifizierte Christ*innen, die bereit sind, sich zu informieren, zu hinterfragen, Indoktrination zu entlarven und sich zu vernetzen mit all denen, die es wagen, sich Despoten und ihren Anhänger*innen entgegenzustellen. Es braucht Seelsorger*innen, die Menschen auf Augenhöhe begegnen und sich denen zuwenden, die Hilfe benötigen. Vielleicht wird die Entwicklung in Deutschland ähnlich verlaufen wie in den Niederlanden. Die Institution Kirche spielt dort kaum mehr eine Rolle und das verbleibende Pfarreileben ist konservativ geprägt. Liberal und sozialdiakonisch geprägte Laientheolog*innen, die diese Entwicklung nicht mitgehen wollen, suchen und finden Arbeitgeber*innen außerhalb der katholischen Kirche.  Vor einiger Zeit haben mir Frauen von Maria 2.0 gesagt: „Wir kämpfen nicht mehr für die Priesterinnenweihe. Es gibt Wichtigeres auf dieser Welt als innerkirchliche Reformen. Wir engagieren uns jetzt gegen Faschismus!“ Ich kann diese Frauen gut verstehen. Auch wenn das KI-Orakel „Perplexity“ mich auf Nachfrage dem für Reformen kämpfenden Typ 5 zuordnet, nehme ich bei mir doch hohe Anteile von Typ 1 wahr.