Schritte auf dem Weg zu einer synodaleren Kirche im Erzbistum Berlin
Evaluierende Begleitung durch die KAMP
Wie viele andere Bistümer hat sich das Erzbistum Berlin entschlossen, einen Synodalpastoralrat ins Leben zu rufen. In ihm soll synodal beraten, sollen Prozesse gestaltet und Entscheidungen getroffen werden. Im Hintergrund steht die Frage, „wie wir heute als Kirche leben und die Menschen unserer Tage mit Gott in Kontakt bringen können und wie wir unser Erzbistum als Kirche aus dem Geist Gottes weiterentwickeln sollen“. Denn die Kirche, das ist den Verantwortlichen wichtig, ist kein Selbstzweck, sie ist da, um die Botschaft Jesu Christi wach zu halten, das Evangelium zu leben und in die Gesellschaft hineinzutragen.
Dieser Weg der Vergewisserung des Erzbistums beginnt nicht erst mit dem Synodalpastoralrat, sondern geht schon längere Zeit, u. a. im Strukturprozess „Wo Glauben Raum gewinnt“, den bereits der vorige Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki angestoßen und den Erzbischof Heiner Koch seit seiner Amtsübernahme 2015 weitergeführt hat.
Der Synodalpastoralrat versteht sich als Ausprobieren und Gehen eines Weges des Hörens aufeinander, auf die anderen, auf den Geist Gottes – ein Weg des Hörens und Austauschens, um gemeinsam Positionen zu bilden und Entscheidungen zu ermöglichen – und als einen Austausch von Gaben. Damit sich beim Hören und Wahrnehmen nicht nur eine bestimmte Gruppe von Katholik:innen in einem kirchlichen Binnenbezug intern verständigt, ist die Wahrnehmung und der Einbezug der Realität „um uns herum“ eine zentrale Aufgabe: der soziale Raum als Kontext, die Themen und Lebensweisen der Menschen in unterschiedlichen Räumen und Milieus, die eigenen Ressourcen, Gaben und Begrenzungen und die der anderen.
Im Erzbistum Berlin geht es nach eigener Aussage nicht primär um die „Umsetzung“ von Ergebnissen des Synodalen Weges der deutschen Diözesen oder der Weltbischofssynode, sondern darum, als Erzbistum Berlin in der konkreten Situation voranzukommen. Die Hauptfrage ist: Wie kommen wir in der säkularen Kultur mit dem Evangelium vor? Dabei wird im Fortgang des Prozesses zu sehen sein, ob das Gremium dienlich ist und seine Ziele erfüllt, ob eine gewisse Agilität und Handlungsorientierung erreicht werden kann. Immerhin sind u. a. wichtige Sach- und Personalfragen zu klären, die die Ortskirche in der Hauptstadt Berlin mit ihren vielfältigen Bezirken, in Brandenburg und Vorpommern unter Einbeziehung der jeweiligen Kontexte und der sich wandelnden Situation betreffen.
Den Verantwortlichen ist die Einübung eines synodalen Stils wichtig, in dem im Gegensatz zu Polarisierungen, zu Taktieren und Blockieren oder zu einem Kampf der Meinungen eine Kultur des wachsenden Vertrauens und das Bilden gemeinsamer Positionen trotz oder gerade mit unterschiedlichen Perspektiven angezielt ist.
Verstärkte Beteiligung möglichst vieler und gemeinsame Entscheidungsfindung sind weitere zentrale Gesichtspunkte, verbunden mit dem Wunsch, dass Verantwortung übernommen wird, damit die Umsetzung ausprobiert werden kann und Beschlüsse wirksam werden.
Es zeigt sich ein breiter Konsens in der Bistumsleitung und den Räten des Bistums, z. B. dem Diözesanrat der Katholiken, diesen Weg der Synodalität gemeinsam zu gehen und auf ihm Erfahrungen zu sammeln. Hinzu kommt die Verwaltung, die z. B. in Form der Abteilungen des Erzbischöflichen Ordinariates für die Umsetzung von Beschlüssen Mitverantwortung trägt und in Teilen im Synodalpastoralrat mitwirkt.
Im Jahr 2024 wurde für den Synodalpastoralrat eine Ordnung erlassen, weitere Bezugsquellen sind die Leitgedanken des Erzbistums von 2017 und der Brief des Erzbischofs vom 24.4.2024 „Gemeinschaft in Vielfalt“.
Die Arbeitsstelle KAMP hat den Auftrag erhalten, den Synodalpastoralrat evaluierend zu begleiten
Die Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral als Dienstleister für die Bistümer in ihren pastoralen Transformationsprozessen ist angefragt worden, diesen Prozess fachlich und evaluativ zu begleiten, durch Beobachtung und Rückmeldung, wissenschaftlich fundiert, gleichzeitig realitätsnah.
Als Material für die Datenerhebung kommen neben einschlägigen Dokumenten eigene Eindrücke von Sitzungen und Veranstaltungen wie den Vollversammlungen und einzelnen Treffen der Ausschüsse und des Vorstands sowie Gespräche mit ausgewählten Beteiligten in Frage. Die KAMP ist keine Unternehmensberatung, die mit dem Klienten ein Zielbild oder eine Strukturveränderung und Schritte darin entwirft. Es geht vielmehr um eine Beobachtung und Rückmeldung über die vom Erzbistum selbst gewählten und kommunizierten Ziele auf inhaltlicher, formaler und kommunikativer Ebene.
In der Beobachtung spielen daher systemische Aspekte eine wichtige Rolle: Wie zeigen sich Repräsentanz und Beteiligung verschiedener Personen, Gruppen und Themen strukturell und im Prozess? Wie agieren die Beteiligten in ihren Rollen? Wie läuft die Kommunikation? Welche Haltungen, Stile und Kulturen zeigen sich? Gibt es blinde Flecken oder unterschwellige „Strategien“?
Inhaltlich spielen die Mitarbeitenden der Arbeitsstelle ihre Expertise aus der pastoraltheologischen Befassung der KAMP in Fragen der Evangelisierung und pastoralen Kirchenentwicklung sowie die gesammelte Expertise aus vergleichbaren (synodalen) Prozessen anderer Bistümer in Deutschland mit ein. Hinzu kommt, dass natürlich Aspekte der synodalen Bestrebungen in Deutschland national („Synodaler Weg“ und „Synodaler Ausschuss“) sowie weltkirchlich (Ordentliche Bischofssynode „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft – Teilhabe – Sendung“, 2021–2028) einen gewissen Kontext bilden, obwohl es nach dem Bekunden der Auftraggeber um einen eigenen spezifischen Weg des Erzbistums Berlin geht.
Die Rolle der KAMP-Mitarbeitenden ist die von externen Beobachtern, die unabhängig und neutral von außen kommen und keine eigenen Ziele im Geschehen verfolgen. Sie sollen und wollen den Weg des Erzbistums durch die Rückmeldung unterstützen, nicht kontrollieren oder in ihrem Sinne beeinflussen. Es benötigt dazu ein Gespür für die Rollen und Prozesse, die (oft auch hinter den Kulissen) ablaufen, verbunden mit supervisorischer und gruppendynamischer Kompetenz. Natürlich beinhaltet ein inhaltliches oder systembezogenes Feedback immer auch einen gewissen Anteil an „Bewertungen“, ohne die eine Evaluation nicht stattfinden kann. Es geht also nicht ganz ohne konstruktiv-kritisches Hinterfragen bestimmter wahrgenommener Tatbestände. Die Begleiter müssen allerdings verantwortlich damit umgehen und transparent machen, wie sie zu solchen Bewertungen kommen, z. B. sich selbst immer wieder durch mehrmalige interne Reflexionsschleifen ihre eigenen Bewertungen und ggf. blinde Flecken bewusstmachen und miteinander überprüfen, wie sie einzelne Wahrnehmungen deuten, um Vorurteile oder zu schnelle Festlegungen zu vermeiden. Zum systemischen Arbeiten gehört auch eine gute Kommunikation mit dem Auftraggeber über die Rückmeldungen. Wo es durch die Rückmeldung beim Auftraggeber zu Reaktionen kommt, müssen auch diese mit den Begleitenden kommuniziert und aufgearbeitet werden. Der Auftraggeber kann sich aus der Rückmeldung der KAMP das „heraussuchen“, was für ihn hilfreich ist. Er ist frei, eine eigene Einschätzung des Feedbacks vorzunehmen und, je nachdem, bestimmte Rückmeldungen nicht weiterzuverfolgen. Der Auftraggeber bleibt somit „Herr des Verfahrens“.
Vielleicht ist es an dieser Stelle hilfreich, die jeweils vorher definierten Beobachtungsmatrizen der Evaluation zu kommunizieren. Für die erste Plenarversammlung des Synodalpastoralrats im September 2024 ging es den Evaluierenden um …
- den Stil des Miteinanders und der Kommunikation
- Repräsentanz und Beteiligung (Zusammensetzung und Agieren)
- Verantwortung und Verbindlichkeit der Beteiligten
- die geistliche Prozessdynamik
Die Beobachtungsaspekte für die zweite Vollversammlung im März 2025 waren dann im Weitergang des Prozesses,
- wie sich die Klärung des Selbstverständnisses und der Ziele des Synodalpastoralrats weiterentwickelt,
- wie sich das Verhältnis der Ausschussarbeit zur Plenarversammlung gestaltet,
- wie sich Prozesse der Inklusion und/oder Exklusion zeigen.
Ohne in unangemessener Weise interne Ergebnisse unserer Beobachtung aus dem konkreten Prozess des Erzbistums Berlin an dieser Stelle zu veröffentlichen, können hier doch einige zentrale Themen in Frageform festgehalten werden, die sich herauskristallisiert haben und die sicher auch für andere Bistümer in ähnlichen Prozessen bedacht werden können:
Wie sehen und gestalten die Gremien (Priesterrat, Diözesankatholikenrat, Vermögensverwaltungsrat …) ihre Rolle im Synodalpastoralrat, da im Synodalpastoralrat auch Entscheidungen getroffen werden, die das Arbeiten der genannten Gremien berühren?
Wie gestalten sich Beteiligung, Teilhabe, der Zugang zu Informationen, aber auch Verbindlichkeit?
Welche Rollen zeigen sich? Lassen sich typische „Gremienrollen“ vermeiden? Welche Stile, Kommunikationsarten (integrative oder ausschließende) finden Anwendung, gelingt ggf. eine Veränderung durch gemeinsames Lernen?
Wie wird mit Konflikten umgegangen? Kann Misstrauen überwunden werden?
Welche unterschiedlichen Ziele, Rollenvorstellungen und Bilder von Synodalität und Kirche zeigen sich?
Wie befeuern unterschiedliche Biografien, (kulturelle) Prägungen und Erfahrungen den gemeinsamen synodalen Weg? Wie werden sie kommuniziert und ausgetauscht und gelingt dadurch ein gegenseitiges Lernen?
Wie sind die Bedingungen und das Verhältnis von Ordinierten und Laien, von Haupt- und Ehrenamt, von Räten, Verwaltung und Bistumsleitung?
Für das Erzbistum Berlin zeigt sich schon jetzt, dass die Fragen nach dem zukünftigen kirchlichen Leben und Bezeugen von wachsender Internationalität der katholischen Kirche, der Ambivalenz von städtischen und ländlichen Regionen, von unterschiedlichen Vorstellungen aus der getrennten Geschichte der Hauptstadt Berlin und des übrigen Bistumsterritoriums geprägt sind. Der Synodalpastoralrat wird seine experimentelle zweieinhalbjährige Amtszeit im Jahr 2027 beenden. Die Messlatte ist hoch. Es bleibt zu wünschen, dass in dieser Zeit miteinander gute Erfahrungen gemacht werden können, die es für die Bistumsleitung und die Beteiligten nahelegen, das synodale Gehen, Austauschen und Entscheiden auf einer längerfristigen Grundlage weiterzuführen. Wenn die KAMP mit ihrer evaluierenden Begleitung dazu einen Beitrag leisten kann, so ist das sehr zu begrüßen.