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Geschlechtersensible Gottesrede und Christologie: Grundlagen für eine geschlechtergerechte Kirche

Gott wird häufig (unbewusst) männlich gedacht. Wie das – gerade in Verbin­dung mit der Annahme eines grundlegenden Geschlechtsdualismus – nach wie vor Theologie und Kirche prägt, zeigt Aurica Jax auf.

„If God is male, then the male is God.“ / „Wenn Gott männlich ist, ist das Männliche Gott.“

Auf prägnante Weise beschrieb die US-amerikanische Theologin Mary Daly 1973 die Wechselwirkung zwischen Theologie und Kirchenrealität, zumindest der römisch-katholischen: Wird Gott ausschließlich männ­lich imaginiert, besteht die Gefahr einer Vergöttlichung von Männern. Drei Jahre später formulierte Papst Paul VI. im Dokument Inter insignio­res, mit dem er der Ordination von Frauen zum Priesteramt einen Riegel vorschob: „Nichtsdestoweniger ist die Menschwerdung des Wortes in der Form des männlichen Geschlechtes erfolgt.“ Damit nannte er eins der Argumente gegen die Ordination von Frauen zu Priesterinnen in der katholischen Kirche: Jesus Christus war ein Mann, und deshalb können Frauen ihn nicht am Altar repräsentieren.

Wenn also im Jahr 2020 auf dem Synodalen Weg, im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“, über die Bedeutung männlicher Gottesvorstellungen sowie der Tatsache, dass Jesus ein biologischer Mann war, heftig diskutiert wird, geht es im Grunde um eine jahrzehn­tealte, aber bis heute ungeklärte Debatte. Sie kommt nicht zur Ruhe, weil Frauen (und Männer) das Weiheverbot für Frauen als Unrecht be­werten. Im Jahr 2019 haben die Bewegung „Maria 2.0“ und die Frau­enverbände KDFB und kfd die Thematik mit tausenden von Demon­strant*innen neu und eindrücklich auf die Agenda gesetzt.

In diesem Beitrag werde ich einige Aspekte in Gotteslehre und Christo­logie erläutern, die den Hintergrund der Streitfrage um Frauenordina­tion bilden, und Wege aus der Sackgasse aufzeigen, in welche die Debatte geraten ist.

Der lange Schatten des Hans Urs von Balthasar

In einem Interview mit dem Domradio erläuterte der emeritierte Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke, warum eine Weihe von Frauen zu Priesterinnen auf ewig ausgeschlossen ist: „Der göttliche Logos ist […] das Wort Gottes, durch das alles erschaffen wurde und das personal (hypostatisch) identisch ist mit dem Mann Jesus. Und Marias stellver­tretendes Ja-Wort ist das Tor für alle Menschen zu Gott, seit es für Gott das Tor zu den Menschen wurde“ (Menke 2019). In diesen sehr dichten Sätzen zeigt sich eine Argumentation, die auf den Theologen Hans Urs von Balthasar (1905–1988) zurückgeht, der u. a. Johannes Paul II., Benedikt XVI. und auch Franziskus stark beeinflusst hat.

Stark beeinflusst von den Kirchenvätern der ersten christlichen Jahr­hunderte geht sie von einer Typologie der Geschlechter aus, die zwei grundverschiedene und einander komplementär zugeordnete Ge­schlechter kennt: Männer, deren Vorbild Christus ist, und Frauen, die sich wie Maria zu verhalten haben. In einer engen Verzahnung von Gottvater, männlichem Logos und dem Mann Jesus Christus geht Menke wie Balthasar davon aus, dass sich im Inkarnationsgeschehen der göttliche Logos in einem Mann zeigt und dass daraus auf ewig folgt: „Frauen können durchaus Christus repräsentieren und ‚In persona Christi‘ handeln – zum Beispiel wenn sie taufen oder einem Mann das Sakrament der Ehe spenden. Aber […] sie sollen nicht das ‚Voraus‘ und das ‚Gegenüber‘ des Logos gegenüber der Schöpfung, gegenüber Israel und gegenüber der Kirche repräsentieren – so wenig, wie ein Mann die empfangende Antwort Marias repräsentieren soll“ (Menke 2019; ausführlicher zu Balthasar vgl. Nutt 2017).

Damit verleiht Menke der einzigen Gemeinsamkeit der biblischen Personen Jesus und Maria von Nazareth mit heutigen Männern und Frauen, ihrem jeweiligen biologischen Geschlecht, großes Gewicht. Er bindet es sogar explizit ins Heilsgeschehen ein und spricht von der „Bedeutung der Geschlechterdifferenz für die Beschreibung des Verhältnisses Gottes zum Menschen“. Außerdem reduziert Menke – zumindest an dieser Stelle – Jesus Christus auf die Inkarnation und Maria auf ihr „Ja“. Beides ist selbstverständlich unverzichtbar für die Erlösung, zugleich zeichnen die Evangelien ein weitaus differenzier­teres Bild beider Personen.

Gottvater?

Zurück zu Mary Daly: Sie trat demonstrativ aus der Kirche aus, weil sie der Überzeugung war, dass diese zutiefst patriarchal war und niemals einen für Frauen befreienden Raum darstellen würde. An ihr haben sich zahlreiche Theologinnen abgearbeitet, die in Bezug auf die Reformfähig­keit der Kirche und der christlichen Theologie anderer Ansicht waren und sind. Besonders intensiv hat sich die ebenfalls US-amerikanische Theologin Elizabeth A. Johnson mit der Frage nach einer geschlechter­gerechten Gottesrede befasst. Wie auch Daly wollte sie nie einfach männliche Gottesbilder durch weibliche ersetzen, sondern es geht ihr um eine größere Vielfalt der Bilder mit dem Ziel der Geschlechter­gerechtigkeit.

Dabei ist selbstverständlich, dass angesichts des biblischen Bilderver­bots und der Unbegreiflichkeit Gottes immer nur ein analoges Sprechen möglich ist, bei dem die Unähnlichkeit des Gesagten mit Gott größer ist als die Ähnlichkeit. Die Gefahr, dies zu vergessen, zeigt sich in der Irri­tation, die entsteht, wenn aus der Vielfalt der biblischen Bilder für Gott ein weibliches herausgegriffen wird: Setzen wir nicht doch immer einen männlichen Gott voraus? Ansonsten dürfte die von Johnson gewählte Übersetzung für den Gottesnamen, „Ich bin, die ich bin“, keinerlei Ver­wunderung oder Irrita­tion auslösen (vgl. Johnson 1994, 328). Der in Ex 3,14 geoffenbarte Name lässt sich auch geschlechtsneutral überset­zen, so in der „Bibel in gerechter Sprache“ mit „Ich bin da“ – die aus der Einheitsübersetzung bekannte Formulierung „Ich bin, der ich bin“, die einen männlichen Gott impliziert, ist also nicht die einzig mögliche.

Trotz der Geheimnishaftigkeit Gottes bietet die Gottebenbildlichkeit der Menschen einen Hinweis, dass alle Geschlechter imago dei sind. Die „Bibel in gerechter Sprache“ verdeutlicht dies mit ihrer Übersetzung von Gen 1,26: „Da schuf Gott Adam, die Menschen, als göttliches Bild, als Bild Gottes wurden sie geschaffen, männlich und weiblich hat er, hat sie, hat Gott sie geschaffen.“ Wenn aber Männer und Frauen in gleichem Maße Bild Gottes sind, kann Gott nicht eindeutig männlich sein. Die kfd formulierte darum das Gebet für den Synodalen Weg um, es beginnt nun anstelle von „Gott, unser Vater“ mit dem Satz: „Gott, du zeigst dich uns in vielen Bildern, du bist uns Vater und Mutter und immer auch viel mehr.“

Dies deutet an: Auch ein einfaches Ersetzen von „Vater“ durch „Mutter“ wäre noch zu wenig. Johnson greift auf eine andere, komplexere Figur zurück, nämlich die der biblischen Weisheit, die sie als eine Personifi­kation Gottes versteht. „Bei der Heiligen Weisheit geht es in einem bestimmten Maße um die mütterliche Liebe, aber auch noch um viel mehr: regieren, spielen, lehren, begleiten, Gerechtigkeit herstellen und das Leben schenken, und das alles in der Öffentlichkeit und durch das gesamte Universum hindurch“ (Johnson 2016, 141).

Jesus war ein Mann – was folgt daraus?

Von der problematischen Annahme, dass „Gottvater“ ausschließlich männlich sei, ist die Tatsache zu unterscheiden, dass Jesus von Nazareth ein biologischer Mann war. Die Frage ist hier vielmehr, ob die „Mann­werdung“ Gottes in den Mittelpunkt gestellt wird – wie etwa bei Hans Urs von Balthasar – oder nicht vielmehr die Menschwerdung, für die das Geschlecht Jesu eine Eigenschaft unter vielen anderen darstellt. So bezeichnet Karl Rahner es schon 1979 als „unsinnig […], das Mannsein als solches oder aufgrund der Vereinigung Gottes mit Jesus, der ein Mann ist und war, als besondere Selbstoffenbarung Gottes hochzuspe­kulieren“ (Rahner/Röper 2009, 758). Damit schlägt Rahner einen Weg vor, den die Geschlechterforschung heute „Entdramatisierung von Geschlecht“ nennt: Geschlechterbedingte Ungleichheit sollte nicht heruntergespielt oder gar vergessen werden, aber gerade zu ihrer Bekämpfung kann es hilfreich sein, Geschlechterunterschiede zu relativieren und aus ihnen abgeleitete Eigenschaften zu hinterfragen.

Dieses Vorgehen zeigt sich auch bei Johnson: „Unter einer Vielzahl von Unterschieden wird Jesu Mannsein als an sich wichtig für seine eigene historische Identität und die historische Herausforderung seines Diens­tes eingeschätzt, aber weder als theologisch bestimmend für seine Iden­tität als Christus noch als normativ für die Identität der christlichen Ge­meinschaft betrachtet“ (Johnson 1994, 217). Ähnliches gilt für Maria von Nazareth: Ihr Geschlecht ist zwar nicht unerheblich für die Heilsge­schichte, zugleich sollte sie nicht darauf reduziert werden. Denn Maria hat Jesus nicht nur geboren, sie hat ihn auch erzogen und gehört selbst zu den ersten Zeuginnen seiner Sendung, wie die Erzählungen vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41–52) und von der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–12) zeigen.

Perspektiven

Grundsätzlich bleibt auch für Gottesrede und Christologie festzuhalten: Die Annahme einer Polarität oder Komplementarität der Geschlechter ist ebenso veränderbar wie andere Modelle auch. Viele Theolog*innen haben bereits gezeigt, dass weder die biblische Umwelt noch die Heils­geschichte zwingend von Geschlechterdualismen geprägt sind. Heute weisen sowohl viele Alltagserfahrungen als auch die Geschlechter­forschung darauf hin, dass Geschlecht viel weniger binär als vielmehr in einem Spektrum angeordnet zu denken ist; dies gilt für das biologische und das kulturelle Geschlecht, aber auch für das Begehren von Men­schen. Und auch diese Deutung stellt keine ewige Wahrheit dar, denn sie ist sowohl zeit- und kontextbedingt als auch umstritten.

Vor mehr als einem Vierteljahrhundert schrieb Elizabeth Johnson: „[C]hristomorph zu sein ist keine geschlechtsspezifische Gabe“ (Johnson 1994, 107). Und im Synodalforum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ sagte Bischof Franz-Josef Bode am 30. Juni 2020: „Ich frage mich immer mehr, warum Frauen nicht im gleichen Maß Christus repräsentieren können wie Männer.“ Wenn der Synodale Weg an dieser Stelle im Wortsinne weiter‑geht, ist er auf keinen Fall umsonst gewesen.

Und nicht zu vergessen: Über unser Bemühen um Gerechtigkeit hinaus gilt die eschatologische Hoffnung, dass die Geschlechter wie auch an­dere Kategorien einst vollkommen unerheblich sind – eine Hoffnungs­perspektive, an der mitzuarbeiten alle Menschen fähig und aufgefordert sind: „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus“ (Gal 3,28 in der „Bibel in gerechter Sprache“).