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Mediale Gottesdienste: Von fern dabei und doch berührt

Vor dem Fernsehgerät, am Handy oder am Computerbildschirm einen Gottesdienst mitzufeiern, ist vielen fremd – für andere tun sich damit Möglichkeiten auf, überhaupt teilzunehmen oder eine Gottesdienstform zu finden, die sie besonders anspricht. Mediale Gottesdienste leisten einen Beitrag zu einer Vielfalt, die auf individuelle spirituelle Bedürfnisse und Lebenssituationen antwortet.

Ein Gottesdienst: Menschen kommen zusammen, in einer Kirche oder an einem anderen dafür bestimmten Ort, und feiern gemeinsam ihren Glauben mit Gebet, Schriftlesung, Musik, vielleicht der Feier eines Sakraments; sie widmen dem eine besondere, aus dem Alltag ausgesonderte Zeit, richten sich auf Gott aus, erfahren die Gegenwart Gottes und Gemeinschaft untereinander. Das ist in etwa das, was man spontan mit dem Wort „Gottesdienst“ verbinden könnte – denn so ist Gottesdienst über eine lange Zeit hinweg eigentlich immer gewesen. Was aber, wenn man gleich das erste der genannten Elemente, das Zusammenkommen an einem Ort, weglässt – und Teilnehmende nur über ein Medium verbunden sind?

Übertragung in Radio und Fernsehen

Sobald zunächst Radio, dann Fernsehen sich verbreiteten und es möglich machten, an besonderen öffentlichen Ereignissen aus der Entfernung akustisch bzw. in Bild und Ton teilzuhaben, wurden bald auch besondere Gottesdienste übertragen. Den technischen Möglichkeiten des Mediums Rundfunk entsprechend bieten Gottesdienstübertragungen grundsätzlich nicht die Möglichkeit eines Rückkanals, über den die am Empfangsgerät Teilnehmenden sich für die vor Ort versammelte Gemeinde wahrnehmbar in den Gottesdienst einbringen können. Selbstverständlich ist es aber möglich, mitzubeten und mitzusingen, was z. B. durch Einblendung der Gesangbuchnummern unterstützt wird.

Theologisch war zu Anfang durchaus umstritten, ob eine solche mediale Übertragung dem Gottesdienst grundsätzlich angemessen sei; dennoch entschieden sich in Deutschland sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche für regelmäßige Gottesdienst­über­tra­gungen.

Allerdings gilt, zumindest katholischerseits, die mediale Mitfeier nicht als vollwertig. Eine Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz hält fest, dass zwar „die Übertragung von gottesdienstlichen Feiern für viele Menschen von großem spirituellen Wert ist“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz 2007, 16). „Die Medien können in Menschen, die durch die mediale Vermittlung Anteil am liturgischen Geschehen nehmen wollen, echte Akte des Glaubens hervorrufen und sie zu vertiefter Gottesbeziehung führen. Diese inneren Akte […] ersetzen aber nicht die persönliche Anwesenheit, die für gottesdienstliche Feiern als Versammlungen des Gottesvolkes konstitutiv ist“ (ebd.), so die Arbeitshilfe weiter. Zwar sei die geistliche Qualität der Teilnahme von Gott geschenkt und daher nicht davon abhängig, ob jemand direkt oder medial vermittelt am Gottesdienst teilnehme, aber der medial Teilnehmende sei nicht in der Lage, zur konkreten Feier vor Ort etwas beizutragen oder Einfluss auf die Handlung vor Ort auszuüben, und „deshalb – und nur deshalb – fehlt der intentionalen Mitfeier ein unverzichtbares Element gottesdienstlichen Feierns am Ort, nämlich die physische, leibhaftige Anwesenheit“ (ebd. 17).

Als Gruppen, die von den Übertragungen profitieren, erwähnt die Arbeitshilfe neben „kirchlich sozialisierte(n) Menschen, die – wie etwa Ältere oder Kranke – verhindert sind, am Gottesdienst ihrer Gemeinde teilzunehmen“, ausdrücklich auch „Fernstehende“, denen die Übertragungen „einen bedeutsamen Dienst“ leisteten (ebd. 15 f.).

Man kann sich vorstellen, dass die Zuschauenden – im Fall des ZDF-Fernsehgottes­dienstes am Sonntagmorgen immerhin rund eine halbe Million oder mehr –  den Gottesdienst wahrscheinlich mit sehr unterschiedlicher Intensität mitfeiern oder verfolgen. In jedem Fall macht die Übertragung es möglich, etwas „Gottesdienstliches“ mitzubekommen, auch wenn man sich nicht auf den Weg zu einer Kirche machen kann oder will. Sie holt etwas vom Gottesdienst in den eigenen Lebensraum, in den eigenen Ablauf des Sonntags, ohne sich dem unbedingt für eine Zeit komplett widmen zu müssen; ganz so, wie es für die jeweilige Person passt, auch wenn es nicht dem liturgietheologischen Ideal und der kirchlich-traditionellen Vorstellung eines vom Glauben geprägten Lebens mit regelmäßigem Kirchenbesuch entspricht (und auch nicht ausreicht, die sogenannte „Sonntagspflicht“ zu erfüllen).

Vielleicht sind es zunächst diese beiden Punkte, die für die Nutzer bzw. Mitfeiernden einen wesentlichen Vorteil medialer Gottesdienste ausmachen: Sie bieten die Möglichkeit, an einem Gottesdienst teilzunehmen, ohne sich an einem bestimmten Ort zusammenzufinden, und sie verlangen nicht, eine bestimmte Zeit ganz dafür zu reservieren.

Mediale Gottesdiensträume und -formen im Internet

Verglichen mit der einseitig gerichteten Sender-Empfänger-Struktur von Rundfunkübertragungen schaffte das Internet andere Kommunikationsmöglichkeiten. Etwa ab Mitte der 90er Jahre entdeckten die Kirchen das Internet und seine Kommunikationswege als pastorale Chance; engagierte Akteure experimentierten damit, die Möglichkeiten auch für Gottesdienste zu nutzen. Und diese Möglichkeiten entwickelten sich weiter mit der fortschreitenden Technik. Immer wieder entstanden zu den jeweils zur Verfügung stehenden Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten entsprechende Gottesdienstformen: ausgehend von der Grundform eines regulären, in Gemeinschaft vor Ort gefeierten Gottesdienstes, angepasst an die nutzbaren Formen und in das jeweilige Medium übersetzt, im besten Fall transformiert, also außer den technisch-medialen Möglichkeiten und Einschränkungen auch der Eigenlogik des jeweiligen Mediums und den dort üblichen Kommunikationsformen und -gewohnheiten entsprechend, wie die folgenden Beispiele zeigen sollen.

Zunächst waren die Bandbreiten gering, die Datenübertragung langsam. Für die Kommunikation in Echtzeit eignete sich vor allem einfacher Text im Chat: In der 1998 von den Bistümern Hildesheim und Osnabrück begründeten Kirche St. Bonifatius in der Chat-Stadt Funcity wurde, neben Impulsangeboten und Seelsorgechats, ein Chatgottesdienst gefeiert – wohl eines der ersten regelmäßigen Online-Gottesdienst-Angebote im deutschen Sprachraum. Gottesdienstleitende und Teilnehmende tippten Schrifttexte und Gebete, Antworten und Fürbitten in den Kirchenchat. Der Gottesdienst fand nicht mehr an einem bestimmten Ort in einer Kirche statt und wurde zu den medial Teilnehmenden nur über ein Medium gesendet, er fand quasi direkt im Internet, im Chat, für jeden Einzelnen auf dem Bildschirm statt. Der Chatraum wurde zum Gottesdienstraum, in dem sich eine Gemeinde versammelte, nicht physisch, sondern virtuell. Die Teilnehmenden konnten nicht nur empfangen, sondern selbst beitragen, mit ihrem „Amen“, aber auch mit selbstformulierten Beiträgen zum Schrifttext oder mit eigenen Fürbitten entsprechend der Logik der Chatkommunikation.

Ein bereits deutlich schneller gewordenes Netz ermöglichte die virtuelle Kirche St. Georg in der 3-D-Welt „Second Life“, ein Projekt der Erzdiözese Freiburg (Projektlaufzeit 2008–2010). Dem realen romanischen Kirchenbau St. Georg auf der Reichenau nachempfunden, war die virtuelle Kirche Zentrum der Angebote mit dem regelmäßigen Gebet der Komplet, zu der sich die animierten 3-D-Avatare der Teammitglieder und Teilnehmenden in den Bankreihen versammelten. Die Komplet wurde über Voice-Chat von den Teammitgliedern vorgebetet, Beiträge wie Fürbitten waren per Voice- oder Textchat möglich. Zusätzlich gab es an einigen Feiertagen eine Vesper, bisweilen andere Formen wie eine Kreuzwegandacht entlang von auf dem virtuellen Grundstück aufgebauten Stationen und Gottesdienste anlässlich besonderer Ereignisse, wie einen Trauergottesdienst nach dem Amoklauf von Winnenden. Außer den Gottesdiensten fanden auch Gesprächsveranstaltungen, Ausstellungen, Ausflüge der „Gemeinde“ durch die virtuelle Welt und mehr statt. Aus heutiger Sicht sicher ein Nischenprojekt, aber ein Experiment, das versuchte, das pastorale Potential eines damals aktuellen (und gehypten) Mediums zu erkunden und zu nutzen, und das eben gerade auch mit Gottesdiensten.

Im Januar 2014 entwickelte sich auf Twitter in einer losen Vernetzung von Twitter-Nutzer:innen, die sich dort öfter zu Kirchenthemen austauschten und sich selbst oft als „Kirchenbubble“ bezeichneten, die „Twomplet“ (ein Kofferwort aus Twitter und Komplet) als an die Komplet angelehntes, aber freier gestaltetes Abendgebet. Durch den Hashtag #twomplet entstand ein Treffpunkt und eine Art virtueller Gottesdienstraum, in dem zeitweise täglich um 21 h gemeinsam gebetet wurde. Die Besonderheit hier war, dass dieser Gebetsgottesdienst nicht institutionell initiiert und getragen war, sondern spontan aus der Idee eines Twitter-Nutzers entstand, der aus der „Kirchenbubble“ einen Kreis von Interessierten gewann, die bereit waren, die abendlichen Gebetszeiten jeweils vorzubereiten und zu leiten. Neben den Tweets, den Twitterbeiträgen selbst, gehörten etwa auch Musikstücke über Links zu Youtube-Videos zum Gottesdienst. Die Mitbetenden konnten per Tweet eigene Gebetsanliegen einbringen. Das Beispiel der Twomplet zeigt die Möglichkeit auf, dass mediale gottesdienstliche Formen nicht unbedingt eine institutionelle Verankerung und hauptamtliche Leitung benötigen – allerdings auch, dass sie dann sehr stark von Engagement und Eigeninitiative der Ehrenamtlichen abhängen und evtl. auch deshalb wieder „versanden“.

Als während der Corona-Pandemie 2020 zeitweise keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden konnten, waren mediale Gottesdienste für viele Gemeinden eine Lösung, verbunden zu bleiben, und für viele Gläubige eine Hilfe, die schwierige Zeit zu überstehen. Daher boomten in kurzer Zeit die Angebote, sowohl Internet-Livestream-Übertragungen klassischer, aber ohne Gemeinde gefeierter Gottesdienste als auch andere, kreative Formen. Viele wurden nach der Pandemie wieder eingestellt, einige haben aber überdauert.

Streaming, im katholischen Bereich vor allem von Eucharistiefeiern, ermöglichte in der Zeit ohne gottesdienstliche Versammlungen und später, als viele aus Vorsicht noch nicht wieder zum Gottesdienst gehen wollten oder konnten, eine Form der Teilnahme aus der Ferne. Im Gegensatz zu den bekannten Fernsehgottesdiensten konnte man aber trotzdem oft verbunden bleiben mit der eigenen Kirche oder Gemeinde, dem Bistum oder einem anderen bevorzugten Ort, da von vielen Orten aus gestreamt wurde. Wie Rundfunk ist Streaming an sich eine Übertragung von Sender zu Empfänger ohne Rückkanal; nach Möglichkeit wurden aber oft auch interaktive Elemente eingebaut, mit denen die online Teilnehmenden sich aktiv und für andere wahrnehmbar beteiligen konnten.

Andererseits entstanden auch Formen wie Messenger-Gottesdienste oder, mit der durch die Pandemie bedingten schnellen Verbreitung von Videokonferenzen, Gottesdienste über Zoom oder andere Videokonferenzsysteme. Einen außergewöhnlichen Messenger-Gottesdienst via Facebook-Messenger, WhatsApp und Telegram entwickelte das Team von Da_zwischen, einem im Bistum Speyer entwickelten und dann von mehreren Bistümern und evangelischen Landeskirchen getragenen Angebot. Hier fand der Gottesdienst nicht zu einer bestimmten Zeit statt, sondern konnte von den Mitfeiernden den ganzen Sonntag lang über einen Chatbot im jeweiligen Messenger abgerufen und dabei im Ablauf nach den eigenen Bedürfnissen aus mehreren angebotenen Elementen zusammengestellt werden. Dazu gab es meist eine Möglichkeit, eigene Beiträge oder Reaktionen online zusammenzutragen. Die Teilnehmenden feierten also jeweils für sich und zum selbst gewählten Zeitpunkt einen individuell zusammengestellten Gottesdienst, und doch entstand am Ende in einer Weise eine Gemeinschaft derer, die teilgenommen hatten – von allen vorgestellten Beispielen vielleicht am weitesten von der klassischen Vorstellung von Gottesdienst entfernt, und doch eine Form, in Verbundenheit zu beten und mit einem Schrifttext und anderen Impulsen umzugehen.

Während bei einem solchen Format die Gottesdienstgemeinschaft fast unsichtbar bleiben kann, ist sie bei Zoom- bzw. Videokonferenz-Gottesdiensten, von denen verschiedene Varianten existieren, desto sichtbarer, wenn die Mitfeiernden ihre Kameras angeschaltet haben und auf dem Bildschirm zu sehen sind. Auch bei diesen Formaten gibt es in der Regel Gelegenheit, eigene Gedanken wie Reaktionen auf einen Schrifttext oder andere inhaltliche Elemente zusammenzutragen oder Gebete zu formulieren, gesprochen oder über digitale Hilfsmittel wie Padlets oder Wortwolken. Einige haben eigene optische Symbolhandlungen entwickelt – wie beispielsweise eine Schnur, die bei „Brot & Liebe“ beim Segen alle Teilnehmenden so vor sich in die Kamera halten, dass dadurch auf dem Bildschirm von einer Zoomkachel zur anderen eine Verbindung entsteht und so die Verbundenheit miteinander symbolisiert.

All diese Beispiele verbindet eines: Sie haben Wege gefunden, in ihrem jeweiligen Medium den Glauben in einer gottesdienstlichen Form so auszudrücken, dass eine gewisse Zahl von Menschen sich angesprochen fühlt und gerne immer wiederkommt. Es waren oder sind bei all diesen Formaten keine riesigen Zahlen von Teilnehmenden, aber diese haben – zumindest eine Zeitlang – ihre „Gemeinde“ gefunden.

Nicht Konkurrenz, sondern Ergänzung

Manchmal wird die Befürchtung geäußert, mediale Gottesdienste würden als bequemeres „Konkurrenzangebot“ Gläubige davon abhalten, direkt vor Ort den Gottesdienst mitzufeiern. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Laut der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von 2023, die erstmals auch Fragen zur Nutzung kirchlicher Online-Angebote enthielt, nehmen 11 % der Kirchenmitglieder mehrmals im Jahr oder öfter online an Gottesdiensten teil, gegenüber 39 %, die dies mindestens mehrmals im Jahr in physischer Präsenz tun – wobei die Online-Nutzer zum Großteil auch mehrmals im Jahr oder öfter in Präsenz Gottesdienste mitfeiern. Ebensowenig bestätigt sich der Gedanke, mit den Online-Angeboten würden in größerer Zahl Menschen erreicht, die sonst gar nicht zum Gottesdienst gingen: Nur wenige Nutzer feiern ausschließlich bei Online-Angeboten mit. Offline- und Online-Gottesdienste scheinen sich also für die meisten, die überhaupt digitale Gottesdienstangebote nutzen, zu ergänzen (vgl. Merle/‌Roleder 2024, 475).

Was aber macht die Online-Formate zur für manche interessanten Ergänzung? Bezogen auf die Nutzung religiöser Internetangebote allgemein wurden die Studienteilnehmenden befragt, warum sie sich für diese digitalen Angebote interessieren. Von denen, die solche Angebote nutzen, stimmten 46 % der folgenden Aussage zu: „Im Internet finde ich leichter etwas, das zu meinen religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen passt, als auf anderen Wegen“ (ebd. 482). Auch wenn hier nicht aufgeschlüsselt wurde, für wie viele Nutzer von Online-Gottesdiensten das gilt, kann doch vermutet werden, dass dieser Grund auch für das Interesse an digitalen Gottesdiensten gilt und dass die digitalen Formate dazu beitragen, zusätzliche „Passungsflächen“ zu schaffen (ebd. 475).

Zur vermehrten Passung tragen außer inhaltlichen Überzeugungen sicher auch andere Präferenzen bei: ein bestimmter Stil in Theologie, in Sprache und sonstigem Ausdruck; Themen, Grundhaltungen und Spiritualitätsformen, die man im heimischen Gottesdienst vermisst; auch die oben genannte Ortsunabhängigkeit und selbst gewählte Intensität der Teilnahme könnte man hier einordnen. „Das Passende“ kann das sein, was mir zugänglich ist, und das, was mich „abholt“, was mich spirituell berührt und bewegt, auch wenn ich dabei „nur“ vor dem Bildschirm sitze.

Viele Menschen, für die die direkte Teilnahme an einem Gottesdienst in einer Kirche nicht so attraktiv ist, dass sie dafür Zeit opfern und Wege in Kauf nehmen möchten, haben trotzdem einen Wunsch nach „Gottesdienstlichem“ in ihrem Leben. Dem kommen mediale Gottesdienste entgegen, ebenso wie vielleicht in vielen Fällen auch besonders gestaltete Gottesdienste vor Ort. Letzere aber kann es in der Vielfalt, die den verschiedenen Bedürfnissen entspräche, nicht flächendeckend geben, zumal bei schwindenden Ressourcen. Mediale Angebote können die Vielfalt der für den Einzelnen zugänglichen Möglichkeiten vermehren und ergänzen; darin liegt eine Stärke und Chance.

Fehlt aber bei medialen Gottesdiensten nicht die Gemeinschaft? Tatsächlich ist das ein wichtiger Einwand. Bis zu einem gewissen Grad kann Gemeinschaft auch online entstehen, etwa durch verschiedene Formen des Austauschs oder durch den Rahmen einer Community, die z. B. um eine bestimmte Spiritualität herum entsteht. Das ist wahrscheinlich für viele Gläubige auf Dauer nicht genug. Andererseits sucht nicht jeder im Gottesdienst unbedingt Gemeinschaft; nicht jeder hat dieses Bedürfnis, oder aber auch nicht besonders stark oder nicht immer. Vielleicht ist es dann oft am ehesten eine Art „Mix“ verschiedener, sich gegenseitig ergänzender Formen, der die persönlichen Bedürfnisse erfüllen kann: einmal der Gemeindegottesdienst in der Pfarrkirche für die Gemeinschaft, einmal der Gottesdienst mit hochwertiger Kirchenmusik einige Gemeinden weiter, ein andermal das bequeme Streaming-Format oder der für mich besonders ansprechend gestaltete Online-Gottesdienst im Storytelling-Format, bei dem ich etwas erlebe, was mir im lokalen Umfeld fehlt.

Sind mediale Gottesdienste nun „die Zukunft“?

Mit Blick auf das Schwerpunktthema dieser Ausgabe stellt sich nun die Frage: Was haben mediale Gottesdienste mit der Zukunft des Gottesdienstes zu tun? Sicherlich (und aus meiner Sicht hoffentlich!) sind sie nicht „die“ Zukunft des Gottesdienstes. Wahrscheinlich aber ein Teil der Zukunft.

Zunächst einmal: Sie sind, von den Fernsehgottesdiensten mit oft Hunderttausenden Zuschauern bzw. Mitfeiernden abgesehen, zumindest bisher kein Massenphänomen. Online-Gottesdienste haben oft eine sehr überschaubare Zahl an Mitfeiernden. Und so sehr sie für einige wichtig sind, können doch auch viele aus guten Gründen wenig damit anfangen. Sie bieten aber Möglichkeiten, vor allem besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden, und das unabhängig vom Ort: Auch wenn sich zu einem bestimmten Thema oder einer besonderen Gestaltungsform in der Nähe nur wenige Interessierte finden, kann dazu online eine gute Gruppe zusammenfinden; auch wenn es in meiner Nähe kein Benediktinerkloster gibt, ist per Livestream das Chorgebet eines weiter entfernten Klosters zugänglich. Onlineformate bieten zudem die Chance, Gruppen und Gemeinschaften (öfter) auch zum Gottesdienst zusammenzubringen, die räumlich zerstreut sind, und dies grundsätzlich auch ohne institutionellen Hintergrund in ganz persönlicher Initiative – etwa zu einem Online-Trauergottesdienst, an dem Verwandte und Freunde aus aller Welt teilnehmen können.

Diese Aspekte könnten insgesamt wichtiger werden, wenn die Kirchen und Gottesdienste weniger, die Pfarreien größer, die Wege weiter werden, wenn es somit vielleicht schwieriger wird, in erreichbarer Distanz Passendes zu finden. In dieser Zukunft, die wir ja deutlich auf uns zukommen sehen, könnten mediale Gottesdienste eine deutlich größere Rolle spielen als heute.