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Katholischer Medienkongress 2017: „Es ist erst der Anfang … Gesellschaftliche Herausforderungen in der digitalen Welt“

Zum zweiten Mal nach der Premiere 2014 richtete das Katholische Medien­haus, gemeinsam mit einer stattlichen Reihe von Kooperations­partnern, im Auftrag der Medienkonferenz der Bistümer in Bonn einen Medienkongress aus (16./17.10.2017). Im Zentrum der Tagung mit rund 300 Teilnehmer/innen stand die Digitalisierung mit ihren Chancen, vor allem aber ihren Herausforderungen für die Gesellschaft. Fragen nach Populismus, Algorithmen und Social Bots standen ebenso auf dem Pro­gramm wie Medienbildung, Teilhabegerechtigkeit und die Zukunft des Journalismus.

Tanit Koch, Chefredakteurin der BILD, hielt die Keynote des ersten Tages zu „Boulevard, Populismus … und was das alles mit Demokratie zu tun hat“ und verteidigte die Rolle des Boulevardjournalismus als „positiven Populismus“, der den Sorgen und Problemen derer Gewicht gebe, de­nen sonst die Möglichkeit fehle, sich zu Wort zu melden – was von den Zuhörern durchaus kontrovers aufgenommen und auch in den Social Media kommentiert wurde, während die anschließenden Rückfragen relativ zahm und letzten Endes unbeantwortet blieben. Hier hätten sich viele eine kritische Gegenstimme gewünscht.

Am Nachmittag und am Morgen des zweiten Tages machten insgesamt elf Panels in drei Zeitfenstern ein breites Themenspektrum auf, zwan­gen damit aber auch zur Auswahl und Beschränkung. Die Experten­grup­pe Social Media der Bischofskonferenz gestaltete unter dem Titel „Netz für alle!“ ein Panel zur Teilhabe­gerechtigkeit, einem Thema, zu dem sich mit dem netzpolitischen Papier „Medienbildung und Teilha­bege­rechtigkeit“ die Publizistische Kommission der Deutschen Bischofskon­ferenz auf Initiative und unter Mitarbeit der Expertengruppe bereits zu Wort gemeldet hat. Ein Panel der Gesellschaft Katholischer Publizisten fragte nach Gewinnern und Verlierern der Digitalisierung und der Ge­fahr einer digitalen Zweiklassengesellschaft. Die Macht von Algorith­men und künstlicher Intelligenz und die daraus folgenden ethischen Fragen wurden von einem Panel aus Perspektive der Medienethik betrachtet.
Das Panel der Clearingstelle Medienkompetenz widmete sich der Be­deutung von Medienbildung für einen guten Umgang von Einzelnen und damit dann auch der Gesellschaft mit der digitalen Welt. Ein vom Medienhaus verantwortetes Panel behandelte die Problematik von Social Bots, automatisiert agierenden „Schein-Teilnehmern“, die einge­setzt werden, um in den Social Media manipulativ Themen und Meinun­gen stark machen.
Weitere Panels waren der Entwicklung des Journalismus und den Her­ausforderungen für „klassische“ Medien wie Print, Radio und Fernsehen gewidmet. Mit „Cloud über dem Kloster“ ging die Deutsche Ordens­obern­­konferenz ein zunächst innerkirchlich und eher speziell anmuten­des Thema an – die Auswirkungen des Internets auf den klösterlichen Schutzraum der Klausur –, das aber als Spezialfall für den persönlichen Schutzraum jedes Menschen und dessen Bedrohung ausgedeutet wurde.

Als Keynote-Speaker am zweiten Tag sprach Bundesverfassungsrichter a. D. Paul Kirchhof zu rechtlichen Problemen und Gefährdungen der Freiheit durch die Digitalisierung; er mahnte zu einem reflektierten Umgang mit den Möglichkeiten und einer gemeinsamen internationa­len Gesetzgebung, die den weltweit agierenden Konzernen Einhalt ge­bieten könne. Den Kirchen komme vor allem der Einsatz für den Schutz der Schwachen in der von der Digitalisierung angetriebenen gesell­schaftlichen Entwicklung zu.

Im Gespräch zwischen Reinhard Kardinal Marx und Timotheus Höttges, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, wurden viele der bearbeiteten Themen noch ein­mal aufgegriffen. Marx fragte noch ein­mal nach den Gewinnern und Verlierern der Digitalisierung und sprach sich, ähnlich wie vor ihm Kirchhof, für eine internationale Regulierung des Internets aus, um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Höttges hielt dagegen, man müsse Neues auch einfach mal spielerisch auspro­bieren können, was Regulierung oft verhindere. Die Stimme der Kirche – auch mit ihrer Morallehre – wünsche er sich lauter in der Diskussion.

Damit war er nicht allein: Wo beim Medienkongress danach gefragt wur­de, was die Kirche tun, wie sie sich in den Diskurs einbringen könne, wurden ihr zumeist die Verteidigung von Werten und die Anwaltschaft für die Schwachen als erwünschter Beitrag zugeordnet. Die Vorstellung von der Kirche als „Moralagentur“ (vgl. Hans Joas) der Gesellschaft liegt hier allzu nahe.

Leider gab es – vom Panel der Orden einmal abgesehen – kaum einen Blick darauf, was die Digitalisierung für die Kirche selbst bedeutet, wie sich kirchliches Leben etwa durch das Internet verändert. Dass ein Blick z. B. aus pastoraltheologischer Sicht fehlte, erklärt sich sicherlich aus der auf Gesellschaft, Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit, also „nach außen“, konzentrierten Perspektive der Veranstalter; die Innenperspek­tive wäre aber zur Abrundung des Themas durchaus wünschenswert ge­wesen. Es ist zu hoffen, dass das Einbeziehen dieses Aspekts bei zukünf­tigen Medienkongressen besser gelingt.

Insgesamt war der Kongress eine interessante und informative Veran­staltung, die das Thema Digitalisierung unter vielen wichtigen Aspek­ten angehen konnte. Bisweilen drängte sich ein wenig der Eindruck auf, die Digitalisierung, insbesondere das Internet, erscheine vielen der Ver­antwortlichen immer noch eher als Störung des Bewährten und Ge­wohn­ten denn als ernstzunehmende neue Realität, mit der umzugehen ist. In diesem Zusammenhang ist symptomatisch, dass der Katholische Medienpreis, der in diesem Jahr im Rahmen des Kongresses verliehen wurde, sich nach wie vor regulär nur mit Print-, Radio- und Fernseh­journalismus befasst, während für eine multimediale Arbeit im Internet ein neu gestifteter Sonderpreis verliehen wurde – nicht ohne darauf hin­zuweisen, dass der Sonderpreis in Zukunft nicht unbedingt an Arbeiten in den hier offenbar immer noch „neuen“ Medien gehen wird.

Es ist ein guter und wichtiger Schritt, dass die katholische Kirche sich mit Veranstaltungen wie dem Medienkongress mit der gesellschaft­lichen Realität der Digitalisierung befasst, und doch scheint sie es fast noch ein bisschen widerwillig zu tun. Aber, um mit dem Kongresstitel zu sprechen: „Es ist erst der Anfang …“!

 

Hinweis: Die Keynotes und das Gespräch Marx/Höttges sind auf der Website des katholischen Medienhauses als Videos dokumentiert.