Inhalt

Gut predigen?

Annährungen an die gelingende Predigt

Beim Nachdenken über religiöse Sprache kommt vielen zunächst die amtli­che Verkündigung in Predigt und Homilie in Gottesdiensten in den Sinn, weil sie da die meisten Erfahrungen haben. Erik Flügge hat sich in seinem Büch­lein „Der Jargon der Betroffenheit“ kritisch über so manche „Fehlfor­men“ von verkündigender Rede geäußert. Im protestantischen Verständnis (Confessio augustana 7) realisiert sich das Evangelium, wenn es „rein ge­predigt wird“. Was liegt also näher, als im Jahr des Reformationsgedenkens einen Blick in die Werkstatt evangelischer Predigtausbildung und ‑beglei­tung zu werfen?

Eine gute Predigt?

In der Arbeit des Zentrums für evangelische Predigtkultur sind wir bei­nahe täglich mit der Frage konfrontiert, was eigentlich eine gute Predigt ist. Wenn unsere Arbeit auch auf eine Verbesserung der Qualität von Pre­digten zielt (zum Zeitpunkt ihrer Gründung war dies ein Aspekt der Ar­beit aller Reformzentren der EKD), kommen wir nicht umhin, diese Fra­ge zu klären. Der Versuch, Kriterien für eine gute Predigt zu be­nen­nen, wurde und wird grundsätzlich in Frage gestellt. Zum Teil lässt sich dies mit der besonders in unserem Kontext zu findenden Hoch­schät­zung prinzipiell- und material-ho­mi­le­ti­scher Fragestellungen erklären. Über­legungen zu Wesen und Inhalt der Predigt werden in Deutschland schon immer deutlich leidenschaftlicher diskutiert als formal-ho­mi­le­ti­sche Überlegungen zu ihrer Gestalt und Wirkung.

Was ist eine gute Predigt? Um diese Frage beantworten zu können, müss­te demnach zunächst einmal geklärt werden, als was eine Predigt überhaupt verstanden werden kann und welche Inhalte und Themen in ihr zur Sprache gebracht werden sollen. Seit etwa 25 Jahren, nach der „ästhetischen Wende“ in der Homiletik, treten jedoch mehr und mehr auch material-homiletische Aspekte in den Vordergrund, die – auch unter Wiederaufnahme poetischer und rhetorischer Predigttheorien – danach fragen, wie eine Predigt als sprachliches Kunstwerk wir­kungs­voll gestaltet werden kann.

Dieser Perspektivwechsel ist für die Frage danach, was eine gute Predigt ist, insofern verheißungsvoll, als dass für die Wirksamkeit von Predigt­spra­che wesentlich leichter poetische und rhetorisch begründbare Krite­rien benannt werden können als für die notorisch strittigen inhaltlichen Fragen. Der Versuch, davon abgeleitet Kriterien für eine gute Predigt zu definieren, kann trotzdem die enge Beziehung zwischen Inhalt und Form der Predigt nicht umgehen.

Im Folgenden wird die Frage nach einer guten Predigt deswegen mit einer Verklammerung dieser beiden Ebenen zu beantworten versucht. Für den Inhalt der Predigt wird dabei das klassische „homiletische Drei­eck“ zugrunde gelegt, das die Predigt in den Relationen von biblischem Text, predigender Person und Situation der Hörerinnen und Hörer zu er­fassen versucht. Die sprachliche Gestalt der Predigt bildet eine davon nicht zu trennende, aber doch unterscheidbare eigene Größe.

Was Predigthörerinnen und –hörer erwarten

Um Antworten auf die Frage geben zu können, was eine gute Predigt ist, ist es geraten, die Erwartungen derjenigen in den Blick zu nehmen, die Predigten hören. Daran schließt sich die Frage an, was diese Erwartun­gen für die Arbeit derer, die predigen, bedeutet.

Ohne die Problematik empirischer Predigtforschung hier im Einzelnen diskutieren zu können, ist doch festzustellen, dass es auch in diesem Be­reich in den vergangenen Jahren gelungen ist, die oftmals eher numino­sen Hörerwartungen in eine homiletische Kriteriologie zu überführen. So nennt etwa Helmut Schwier als Fazit aus seinen 2006 und 2009 er­schie­­ne­­nen Studien zur empirischen Predigtforschung fünf grund­le­gen­de Er­war­tungen an die Predigt (vgl. Schwier 2014). Hörerinnen und Hörer von Predigten erwarten danach:

  • eine Gratifikation durch Impulse aus der Predigt,
  • eine Auslegung biblischer Texte mit erkennbaren Lebens- und Gegenwartsbezug,
  • eine lebendige und verständliche Predigtsprache,
  • einen klaren und prägnanten Predigtaufbau und
  • die Glaubwürdigkeit und professionelle Performance der predigenden Person.

Leicht lassen sich in diesen Erwartungen sowohl die Dimensionen des „homiletischen Dreiecks“ als Beschreibung inhaltlicher Erwartungen an die Predigt als auch die sprachlich-rhetorische Dimension als Beschrei­bung von Erwartungen an ihre Form wiederfinden. Gute Predigerinnen und Prediger sollten sich die Erwartungshaltung ihrer Hörerinnen und Hörer klarmachen und in der Lage sein, ihre Predigt in Inhalt und Form an diese Erwartungen anzupassen. Sie bilden gewissermaßen den Rah­men, der die persönlichen Eigenheiten und natürlich auch die Freiheit derer, die predigen, einfasst.

Die Sprache ist kein Kleid, Madame!

Auf der inhaltlichen Ebene der Predigt wäre danach zu fragen, ob die Di­men­sionen des homiletischen Dreiecks in der Predigt gleichmäßig ge­wich­tet erscheinen – die Predigt also weder zum exegetischen Vortrag noch zum politischen Statement oder zur bloßen Selbstoffenbarung der predigenden Person mutiert ist – oder auch nur Gefahr läuft, so wahrge­nommen zu werden. Die Verhältnisbestimmung zwischen den Dimen­sio­nen „Text für sich“, „Text für mich“ und „Text für dich“ (Peter Bu­kow­s­ki) ist von der predigenden Person sehr sorgfältig zu reflek­tieren, gerade auch im Blick auf ihre Verteilung innerhalb der Predigt.

Grundlage der Predigt ist ein biblischer Text, der in der Predigt ausgelegt werden soll und nicht etwa nur als Assoziationsgrundlage oder Stich­wort­geber fungieren darf. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass der Gegenwartsbezug der Auslegung nicht ausgeblendet und die Relevanz der biblischen Aussagen für die Lebenswelt der Hörerinnen und Hörer deutlich wird. Ebenso sorgfältig muss die Situation der Hörerinnen und Hörer im Blick auf die Einzelnen, aber auch auf die „homiletische Groß­wetterlage“ (Ernst Lange) wahr­genommen und in der Predigt angespro­chen werden. Und schließlich muss die Predigende als Person in der Pre­digt auch sichtbar werden, in der sorgfältigen (und mitunter diffizilen Unterscheidung) von not­wendigen persönlichen und (zu) privaten Äußerungen.

Die Inhalte der Predigt existieren, so haben es die ästhetischen Predigt­theorien der vergangenen Jahrzehnte wiederholt eingeschärft. Sie brau­chen eine ihnen angemessene sprachliche Gestaltung, um ihre Wirkung auf die Zuhörerinnen und Zuhörer in der vielzitierten Kategorie des „Ereignisses“ entfalten zu können.

Predigt ist Sprache. Dieser zunächst banal klingende Satz hat weitrei­chende hermeneutische und praktische Konsequenzen. Wenn Predigt Sprache ist, dann gibt es keinen Inhalt der Predigt, der sprachunabhän­gig zu denken oder zu bestimmen wäre. Der Inhalt der Predigt ist immer gestaltete Sprache. Die Sprache ist nicht das Kleid des Predigtinhalts, das beliebig gewechselt werden könnte. Ändert sich die Sprache, dann ändert sich der Inhalt der Predigt. An der Predigt konkretisiert sich die ästhetische Grundthese, dass Form und Inhalt der Predigt nicht vonein­an­der zu trennen sind“ (Grözinger 2008, 177).

Sprachlich-rhetorisch sollten Predigerinnen und Prediger deswegen gut mit poetischen und rhetorischen Grundlagen für die Verfertigung eines Textes vertraut sein, der für das Hören geschrieben ist. Sie sollten an der sprachlichen Gestaltung und am Aufbau ihrer Predigt besonders im Blick auf die Bedürfnisse der Hörerinnen und Hörer arbeiten und dabei ihre je eigenen sprachlichen Möglichkeiten kennen und einsetzen kön­nen. Ihnen muss bewusst sein, dass das „Schreiben fürs Hören“ in der Predigt formalen Bedingungen unterliegt, die die Predigt von allen ande­ren Arten der Textproduktion unterscheidet. Insbesondere die Fragen nach Aufbau und Intention der Predigt sind für eine gelingende Predigt­kommunikation wesentlich. Für die Einbindung der Predigt in das „Ge­samt­kunstwerk“ Gottesdienst müssen Predigende zudem überlegen, welche liturgischen Entscheidungen, besonders im Bereich der Text- und Liedwahl und in der Formulierung von Gebeten, der Predigt vorausgehen oder nachfolgen sollen bzw. wel­che Ver­knü­pfun­gen zu den übrigen Tei­len des Gottesdienstes in der Predigt angelegt werden können.

Wir brauchen mehr Zeit

Dieser umfängliche Bestand an Erwartungen an eine gute Predigt zieht für Predigende nach sich, dass ausreichend Zeit für die Predigtvorberei­tung aufgewendet werden muss. In Musterdienstanweisungen ver­schie­­­de­­ner Landeskirchen werden für die Vorbereitung eines Pre­digt­got­tes­­dien­stes etwa acht Arbeitsstunden angesetzt. Diese Vor­be­rei­tungs­zeit kann unserer Ansicht nach nicht wesentlich unter­schritten werden, ohne dass es zu Qualitätseinbußen kommen wird. Predigende sollten sich allerdings auch im Klaren darüber sein, dass sich der Prozess der Pre­digtproduktion wie alle kreativen Prozesse gele­gent­lich der Steuerung entzieht und sie ihr Zeitmanagement darauf abstimmen müssen. Um die tatsächlich zur Verfügung stehende Zeit gut nutzen zu können, soll­ten Predigende die Phasen des Predigt­prozesses kennen und entspre­chend gewichten können. Auch die individuelle Arbeitsweise muss dabei nicht vorrangig defizitorientiert betrachtet werden („nie fällt mir was ein“, „immer werde ich so spät fertig“), sondern kann als Ausdruck des individuellen Arbeitsstils verstanden werden.

Es bietet sich (eine unterschiedliche Modelle des Predigtprozesses ver­einende) Unterscheidung zwischen einer Meditationsphase, der Inkuba­tionsphase, der Produktionsphase und der Redaktionsphase zur Ver­ferti­gung der Pre­digtgrundlage sowie eine anschließende Einübung der Pre­digtperformance an. Insbesondere eine durchgeführte Redaktions­phase als abschließende Überarbeitung des Predigtmanuskripts und die Ein­übung der Predigtperformance sind für eine überzeugende Qualität der Predigt wesentlich. Gerade diese Arbeitsschritte unterbleiben aber unter dem allgegenwärtigen Zeitdruck im Alltag der Predigtarbeit vielfach. Schon das laute Lesen des Predigtmanuskripts vor der ei­gent­li­chen Pre­digt ist eine unaufwändige, aber hilfreiche Methode, mit der sowohl zu überarbeitende Textstellen aufgespürt als auch die Per­for­mance der Pre­digt geübt werden kann.

Der Körper predigt mit

Ein weiterer Schwerpunkt liegt ohnehin auf der Erarbeitung einer homi­le­tischen Präsenz im Zusammenspiel von Körper und Stimme des Pre­digers und der Predigerin in der Darbietung des vorbereiteten Textes der Predigt. Ein Bewusstsein für die Notwendigkeit homiletischer Präsenz zu gewinnen und nach Möglichkeiten zu suchen, auch diese performati­ven rhetorischen Fähigkeiten zu trainieren, kann ebenfalls zu einer Grund­bedingung für die von den Hörerinnen und Hörer vorausgesetzte professionelle Performance eines Predigers oder einer Predigerin gezählt werden.

Ein weiteres, oft vernachlässigtes Element der professionellen Perfor­mance ist auch die rechtzeitige und vollständige Einrichtung der „Ar­beits­materialien“ und des „Arbeitsplatzes“, also die zweckmäßige und vollständige Vorbereitung der Predigtgrundlagen (Manuskript, Stich­wort­sammlung, Karteikarten, Bibel für Textlesungen) und die Einrich­­tung des Predigtortes. Dazu gehören auch so banale Dinge wie die An­passung der Höhe des Lesepultes/‌der Kanzel ebenso wie die Wahrneh­mung der dort vorhandenen Licht- und Tonverhältnisse, die un­mit­tel­bar vor dem Gottesdienst noch einmal überprüft werden sollten.

Glanzlichter setzen

Anschließend an ein Verständnis der Predigt als „Kunstwerk“ schließt sich die Frage an, wie die Wirkung des „Kunstwerks“ Predigt noch weiter intensiviert werden kann. Auf der inhaltlichen Ebene ist dies durch Ak­zent­setzungen in den Dimensionen des „homiletischen Dreiecks“ mög­lich. Vorlieben für bestimmte Akzentuierungen lassen zudem das per­sön­liche Profil des Predigers und der Predigerin klarer hervortreten.

Wenn es sich dabei um die Dimension des Textes handelt, können Predigt­hörerinnen und –hörer beispielsweise damit rechnen, eine besonders textgebundene, exegetisch fundierte Predigt zu hören. Auch die Anwen­dung von Formen engagierter Exegese in der Predigt – wie etwa die dem christlich-jüdischen Dialog verpflichtete, die befreiungs­theologische oder die feministische Auslegung – trägt zur Ak­zen­tu­ie­rung der Textdi­mension bei.

Erweiterungen des Textebene der Predigt durch korrespondierende „Texte“, wie etwa Bilder, Lieder und Musik, Film und Literatur sind ebenfalls Akzentuierungen. Aus ihnen sind eigene Predigtgenres wie Bildpredigt, Liedpredigt, Predigt zu musikalischen Kunstwerken (wie etwa Bachkantaten), Literaturpredigt, Filmpredigt und Theaterpredigt entstanden, die in der Regel auch zu einer besonders dichten Ein­bin­dung der Predigt in den gesamten Gottesdienst führen.

In der Dimension der Situation wird die Predigt dann akzentuiert, wenn im Blick auf die einzelnen Predigthörerinnen und ‑hörer deren Si­tu­a­tion in besonderer Weise zur Sprache gebracht wird. Vor allem in Ka­su­al­pre­­dig­­ten dürfen die Angesprochenen diese Akzentuierung vor­aus­set­zen. Sie findet sich aber auch in einer eher seelsorgerlichen, an exis­ten­zi­el­len Fragen orientierten Predigt, in einer Predigt, die Stellung zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Problemen nimmt, oder in Predigten innerhalb „riskanter Liturgien“ (Kristian Fechtner/‌Thomas Klie), etwa anlässlich erschütternder öffentlicher Ereignisse.

Die Dimension der Person der Predigenden wird durch die Bereitschaft und Offenheit verstärkt, in der Predigt von sich und von eigenen Erfah­rungen zu sprechen. Sie bewegt sich dabei, wie eingangs erwähnt, auf einer Gratwanderung zwischen zu privaten Auskünften und dem Aus­druck persönlicher Lebens- und Glaubenserfahrungen, die immer auch anschlussfähig für Menschen in ganz anderen Lebenssituationen sein müssen. Die so akzentuierte Dimension wird sich häufig mit der Situa­tion der Hörerinnen und Hörer überschneiden und eröffnet besondere seelsorgerliche Chancen.

Die genannten Akzentuierungen erinnern durchaus an die sog. „Adverb-Homiletik“ (Henning Schröer), wie sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hunderts en vogue war. Ansätze wie „Biblisch predigen“ (Horst Hirschler), „Seelsorgerlich predigen“ (Christian Möller) und „Persönlich predigen“ (Axel Denecke) können aber immer noch als Anregung für Predigende verstanden werden, ein inhaltliches Profil ihrer Predigtweise auszubilden.

Auf der sprachlich-rhetorischen Ebene der Predigt sind mögliche Akzen­tuie­rungen etwas schwieriger zu bestimmen. Eine kontinuierliche Wei­ter­arbeit der Predigenden an ihrer eigenen sprachlichen Ausdrucks­fähig­keit und ihrer homiletischen Präsenz, etwa durch Fortbildungen in die­sen Bereichen, könnte zur Akzentuierung auf dieser Ebene beitragen. Insbesondere auf die Vermeidung von sprachlichen und performativen Stereotypen wäre ein besonderes Augenmerk zu richten; damit verbun­den die Ausbildung eines eigenen, unverwechselbaren Predigtstils, der seinerseits nicht zum Muster erstarrt, sondern beweglich und an ver­schiedene Predigtsituationen angepasst bleibt.

Was unverfügbar bleibt

„Kommunikation ist kontingent. Sie kann glücken und sie kann misslin­gen und beides hat man nur in begrenzter Weise in der Hand. Und doch lässt sich etwas für das Gelingen tun“ (Meyer-Blanck 2015, 9). Auch im Kommunikationsgeschehen der Predigt gibt es den Bereich des Unver­fügbaren, Nicht-Machtbaren, der jedoch nicht weit vor den bisher be­schriebenen Bemühungen um eine gute Predigt postuliert werden sollte, sondern ihnen eher nachgeordnet werden muss. Die Betonung der Unver­fügbarkeit darf nicht als Dispens von sorgfältiger Predigtarbeit verstanden werden.

Dass die Predigt den Hörerinnen und Hörern „etwas sagen“ kann, dass sie etwas aus dem Gottesdienst „mitnehmen“, dafür schaffen Prediger­innen und Prediger mit der Beachtung des hier Ausgeführten gute Vor­aussetzungen. Ob die Predigt dann aber tatsächlich zum Ereignis wird, liegt nicht in der Macht der Predigenden allein. Die rezeptions­ästhetisch grundierten Predigttheorien der vergangenen Jahrzehnte haben das Be­wusstsein für die Autonomie der Hörenden und für ihre „tragende Rolle“ im Predigtgeschehen deutlich hervorgehoben. Das bedeutet eine gewis­se Entlastung für die, die zu predigen haben.

Dass und wie die Predigt zum Ereignis wird, lässt sich dennoch umrei­ßen. Auf der inhaltlichen Ebene dürfte dies die Akzentuierung und Ver­knüpfung mehrerer inhaltlicher Dimensionen (Text, Situation und Person) sein. Die Erfahrung, dass es etwa dem Prediger gelingt, einen biblischen Text mit der persönlichen oder gemeinschaftlichen Situation der Hörer­in­nen und Hörer so zu „versprechen“, dass sie ihre Wirklichkeit im Licht des biblischen Textes neu wahrnehmen können, ist ein solches Ereignis. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Predigerin als Person und der Situa­tion – eine Verknüpfung, in der das prophetische Moment der Predigt be­­sonders hervortreten wird. Ein Blick auf historische „Stern­stun­den der Predigt“ könnte Anhaltspunkte dafür bieten, unter wel­chen Konstella­tionen aus Text, Person und Situation Predigten zu Ereignissen geworden sind.

Für die Sprachebene der Predigt bleibt zu sagen, dass die Verbindung von inhaltlicher und sprachlicher Ebene der Predigt, mithin die Einheit von Inhalt und Form im Predigtgeschehen ebenfalls Begeisterungs­po­tential besitzt. Wenn die Sprache der Predigt vom Formenreichtum und von der Sprachkraft biblischer Texte geprägt ist, wenn sie konkret und anschaulich die Situation beschreibt, auf die sie sich bezieht oder in spürbarer Emotionalität die Hörerinnen und Hörer berührt, kann eine Predigt entstehen, die wirklich „tut, was sie sagt“ (Frank M. Lütze). Sie lässt Predigthörerinnen und ‑hörer getröstet und voller Hoffnung, aber auch aufgerüttelt und in Frage gestellt aus dem Gottesdienst nach Hause gehen – und mit dem Gefühl, eine gute Predigt gehört zu haben.