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Ein Besuch bei der „Kirche im Europa-Park“ in Rust

Wie die Kirche in den Europa-Park kam

Die Inhaber des privaten Freizeitparks, die Familie Mack, ist eine recht religi­ös geprägte Familie, und so war ihnen kirchliches Engagement schon immer wichtig. Schon bevor die Seelsorge in den Europa-Park kam, war es der Familie ein Anliegen, neue Fahrgeschäfte oder Hotels segnen zu lassen, so dass Gottes Schutz immer gegenwärtig sei. Hierbei hielten sie Kontakt zum Zirkus- und Schaustellerseelsorger, der sich um solche Angelegenheiten kümmerte.

Die Betreiber des Parks achten sehr auf das, was die Besucher sich von dem Park wünschen und wo ihre Bedürfnisse liegen, um ihr Programm daran anpassen zu können. So war die Einrichtung einer ökumenischen Seelsorge im Park 2005 Ergebnis einer Umfrage. Diese hatte ergeben, dass kirchliches Engagement im Park von den Besuchern erwünscht sei.

Die Seelsorge wurde von Anfang an ökumenisch konzipiert, katholi­scher­seits vertreten durch Diakon Andreas Wilhelm und evangelischerseits durch Diakon Martin Lampeitl. Beide haben eine 50% Stelle. So ist ihre Stelle zur Hälfte im Park, zur anderen Hälfte im Dekanat und Kirchenbezirk. Der offizielle Träger der Kirche im Europa Park sind die Erzdiözese Freiburg und die Landeskirche in Baden.

Mittlerweile gibt es neben den hauptamtlichen Mitarbeitern auch eine Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche ein­geladen sind, verschiedene Projekte mitzugestalten. Hier dienen die beiden Hauptamtlichen als Scharniere, denn sie eröffnen ehrenamtliche kirchliche Mitarbeit im Park.

Beim Entzünden der Osterkerze

Warum eine Seelsorge im Europa-Park? - Die Zeichen der Zeit erkennen

Die Kirche von Freiburg befindet sich in einem „Aufbruch im Um­bruch“. Im Blick auf heutige Gesellschaft fragt Kirche erneut: Wie kön­nen wir die Menschen erreichen und vor allem wo? Dazu sagt Andreas Wilhelm: „Wo sich 4 Millionen Besucher im Jahr aufhalten und Kirche nicht präsent ist, geht sie verloren.“ Wir müssen die Menschen dort ab­holen, wo sie sind, dort, wo man sie antrifft und wo es persönlich wird. Gehen Menschen in den Europa-Park, so ist es für sie vor allem wichtig, Freude und Unbeschwertheit zu erleben. Ganz nach dem Slogan des Parks „Erlebe deinen Traum“. Dennoch sind die Men­schen in ihrer Ganzheit hier. Probleme und Sorgen lassen sie nicht einfach zuhause, sondern nehmen sie hierher mit. Da ist es Aufgabe der Seelsorge, auf die Menschen zuzugehen, sie anzusprechen und einzuladen, sich in dem ganzen Trubel des Freizeitparks ein wenig Zeit zu nehmen, die Men­schen zur Ruhe kommen zu lassen. Neben den lauten Bereichen soll es auch leise geben. Den Seelsorgern fällt auf, dass in Kurzgesprächen, die sich zwischen Tür und Angel ergeben, schnell Lebensfragen auftauchen. Dabei ist es wichtig, den Dialogprozess offen zu halten und ihn nicht in eine bestimmte Richtung drängen zu wollen. Es geht darum, den Blick der Menschen zu weiten und ihnen zuzuhören. Es sind seelsorgerische Begegnungen, die Lebensfragen eröffnen, Sinnaspekte anbieten, Erle­ben transparent machen und auf etwas Größeres hinweisen können. So stellen sich die Menschen auch in einem Freizeitpark die Frage: Wie kann mein Leben gelingen, was ist dazu nötig?

Desweiteren sind es nicht nur die leisen Bereiche, welche von der Seel­sorge in den Blick genommen werden. Nicht nur Trauer und Angst sind Themen der Kirche vor Ort, sondern auch Freude und Hoffnung. So wer­den Trauergruppen und Gruppen aus Hospizen eingeladen, einen Tag lang Freude und Spaß zu empfinden, für einen Moment die Schwere loszulassen und aus dieser Erfahrung wieder neue Hoffnung zu schöp­fen. Dennoch zu wissen, dass da jemand ist, der mich begleitet, wenn mir der ganze Trubel zu viel wird, dies ist wichtig für Menschen in die­sen Extremsituationen.

Aber nicht nur den Besuchern gegenüber ist die Seelsorge offen. Auch die Mitarbeiter des Parks –  immerhin 3600 Frauen und Männer – sol­len in den Blick genommen werden. Für sie gibt es ebenfalls das Angebot des offenen Gesprächs. Auch sie haben das Gefühl, mit ihren Anliegen ernst genommen zu werden. So werden beispielsweise Kontakte zu den Hilfsangeboten der Anonymen Alkoholikern oder zur Schuldnerbera­tung vermittelt. Darüber hinaus wird ein guter persönlicher Kontakt gepflegt. Ich habe selbst erlebt, wie bekannt die Seelsorger unter den Mitarbeitern sind.

Die Seelsorger des Europa-Parks sind dafür da, den Menschen – auch, oder gerade, in diesem eher außergewöhnlichen Umfeld – ihre Auf­merk­samkeit zu schenken und ihnen das Gefühl zu geben, ernst ge­nommen zu werden. Hier liegt die Zukunft der Kirche, da ist sich Diakon Andreas Wilhelm sicher.

Zusammenarbeit mit den Besitzern des Europa-Parks: Familie Mack

Die ökumenische Seelsorge kooperiert gut mit der Parkleitung. Arbeit­geber der beiden Diakone sind die Erzdiözese Freiburg und die Landes­kirche in Baden. Die Kirchen sind von den Park-Betreibern eingeladen und so ist die Bemühen um eine gute gegenseitige Abstimmung von hoher Bedeutung. Das gegenseitige Vertrauen konnte über die Jahre bereits gut wachsen. Kirche soll dabei erkennbar Kirche bleiben. Einer­seits erleben sie viele Freiheiten und Unterstützung seitens des Parks, um Ideen und Projekte umzusetzen, andererseits aber müssen natürlich die Spielregeln des Parks und an die Vorgaben der Leitung beachtet wer­den. Es gilt, nicht allein das zu verwirklichen, was die Parkleitung gerne hätte, sondern gemeinsam das Angebot des Parks in spezifisch religiö­sen Feldern zu erweitern – aufgeweckte, an den unterschiedlichen Men­schen interessierte Kirche zu sein.  

Ein gutes Beispiel dafür ist der Bau des Hotels „Santa Isabel“, welches vor den Toren des Freizeitparks liegt. Es ist einem alten portugiesischen Kloster nachempfunden. Hier konnten die Seelsorger sich mit ihrem fachmännischen Wissen gut einbringen. Der Bau einer Jakobskapelle, als Ort der Ruhe und Erinnerung an den Jakobsweg, wurde von den beiden Diakonen sehr begrüßt. Die Idee eines Beichtstuhls mit Geldau­tomat, oder ein Altars als Rezeptionstisch eher weniger. So wurde der Geldautomat vom Beichtstuhlgehäuse befreit, und die Rezeption gleicht nun mehr der Rezeption eines noblen portugiesischen Paradorhotels. Hier, wie in vielen Bereichen der ortsansässigen Seelsorge, geht es dar­um, das richtige Maß zu finden. Toleranz und gegenseitiges Verständ­nis füreinander zeigen den gemeinsamen Weg von Park und Kirche auf. Es ist eine Einladung, sich einzulassen, sich in Demut der großen Aufgabe zu widmen und den Gästen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen Gehör zu schenken. Für die unterschiedlichen Zugänge der Menschen ergibt sich ein ansprechendes Angebot, welches keine „Produktpirate­rie“ im Sinn hat. Der Park will „keine bessere Kirche“ sein, sondern ein Ort, wo Kirche ganz selbstverständlich und natürlich mit dabei ist. Und dies kommt an, wird von den Gästen akzeptiert und begrüßt, weil es nicht aufdringlich und nicht vereinnahmend wirkt.

Zudem profitiert die Seelsorge von der Medienwirksamkeit des Parks in Presse und Fernsehen. So sind mittlerweile international viele Augen der Medien auch auf die Form der Seelsorge am Park gerichtet.

Orte der Begegnung

Das seelsorgerliche Angebot ist vor allem in den drei Kapellen des Parks offensichtlich, welche als Kapellen, beziehungsweise als Oratorien ge­weiht sind. Zum einen gibt es die schon erwähnte Jakobskapelle, welche außerhalb des kostenpflichtigen Parks in der Hotellerie liegt. Hier wer­den Gruppengottesdienste, Hochzeitsjubiläen und Taufen gefeiert. Auf dem Parkgelände  gibt es die Marienkapelle, welche die Grablege des Freiherrn Ruprecht Böcklin zu Böcklinsau und dessen Eltern ist, sowie die Stabskirche. Sie ist eine Nachbildung einer norwegischen Holzkir­che. Diese ist vor allem bei den Hochzeiten beliebt. Bei der Zeremonie wird die Insel abgesperrt und die benachbarte Schiffsschaukel angehal­ten, um nicht zu stören.

Die Seelsorge hat zwar bislang keinen direkten Meeting-Point im Park zur Verfügung, darf aber jederzeit auf Räu­me zugreifen, so diese nicht von anderen Gästen angemietet sind. Schließlich wirtschaftet der Park auch mit der Vermietung der Räumlichkeiten an Gesellschaften. Für die Seelsorger ist es somit ein großes Entgegenkommen, die geeigneten Räume für Ver­anstaltungen belegen zu dürfen, die zum Thema der Veranstaltung  oder zur Teilnehmerschaft passen und zu dem Zeitpunkt frei sind.

Zwar gibt es mittlerweile ein eigenes Büro für die Diakone im Back­stage-Bereich, doch Diakon Andreas Wilhelm beschreibt sein Büro gerne als „IPad unterm Arm“. So wirken die Seelsorger zwischen Gesprächs­ter­minen kreuz und quer im Park und sind näher „an den Menschen dran“, als es in einem Büro möglich wäre. 

Eine Vielzahl von Projekten und Initiativen

Projekte und Gottesdienste gibt es bunt verteilt über das ganze Jahr. So sind alle Gruppen, seien es Firmanden, Sternsinger, Ministranten- oder Trauergruppen, immer wieder herzlich eingeladen, den Park zusammen mit den Seelsorgern theologisch fundiert kennenzulernen.

Ein ständiges Angebot ist der sogenannte „Spurenweg“. Er führt mit 11 Stationen über den ganzen Park. Dieses Projekt wurde von den beiden Diakonen in Kooperation mit Studierenden der katholischen Fakultät der Universität Freiburg entwickelt. Er beruht auf Ideen der Symbol­didaktik. Es gibt die Möglichkeit, den Weg allein mithilfe einer Bro­schü­re zu erkunden, oder die Seelsorger anzuschreiben, um eine Gruppen­füh­rung zu vereinbaren. Alle 11 Stationen des Weges ermutigen zu be­stimm­ten Denkanstößen. Dabei geht es um ganz grundlegende Themen des alltäglichen Lebens. So gibt es beispielsweise eine Brücke im The­menbereich Deutschland zum Thema „Eine Brücke lasst uns bauen“. Diese lädt ein, darüber nachzudenken, wel­che Brücken man noch bauen muss, welche Brücken vielleicht zusammengebrochen sind, oder wel­che Brücken man bereits gebaut hat. Dazu steht ein Gebet in der Bro­schüre: „Herr gib mir den Mut zum Brücken bauen, gib mir den Mut zum ersten Schritt. Lass mich auf deine Brücken trauen, und wenn ich gehe, geh Du mit“ (Kurt Rommel).

Projekte in der Adventszeit 2013, welche ich selbst während meines Tagespraktikums erleben durfte, waren u.a. die Bildergeschichte von „Schama, einem kleinene Esel“, erzählt von Diakon Martin Lampeitl. Diese fand im Kolonialhaus statt. Martin Lampeitl erzählte ausführlich, mit Bildtafeln untermalt, die Geschichte des kleinen Esels, der das Gefühl hatte, für nichts in der Welt gut genug zu sein. Wichtig ist den Machern der Veranstaltung vor allem, dass dies kein „Kasperletheater“ ist, sondern eine gut inszenierte Geschichte, hinter der mehr steckt als der Anfang erahnen lässt. Neben theologischen Themen sollen auch Ethik und Moral behandelt werden. Hierbei sind nicht bloß Kinder die Adressaten, sondern auch die Erwachsenen werden mit großem Erfolg angesprochen. Sie beginnen im Anschluss aus ihrem Alltag Erfahrungen dazu zu legen und teilen ihre persönliche Lebenserfahrung.

Ein zweites adventliches Projekt läuft unter dem Namen „Ande­re Län­der, andere Krippen“. Eine Ausstellung zeigt Krippen aus Afrika und Südamerika. Sie bieten dar, wie die Menschen in den unterschiedlichen Kulturkreisen die Krippe für sich immer wieder neu interpretiert und die Szene der Heiligen Familie in ihre Gegenwart und ihren Kulturraum geholt haben. So gibt es zum Beispiel verschiedene Bootskrippen, die ein Sklavenschiff darstellen. Ein Sinnbild für die jahrelange Versklavung und Verschleppung der Ostafrikaner. Doch mitten unter ihnen liegt das Jesuskind. Es symbolisiert die Hoffnung und den Glauben auf ein neues, besseres Leben. Die Fesseln der Bootsmitfahrenden fallen ab. Weihnach­ten zeigt Wirkung.

Adventsgottesdienst 2013. Diakon Wilhelm, Pfarrer Willi Schneider, Diakon Lampeitl

Die Krippenausstellung, sowie die Geschichte von Schama, dem kleinen Esel, sind gemeinsam in der „Weihnachtsoase“ anzutreffen. Die „Weih­nachtsoase“ hat während des Advents einen festen Platz im Europa- Park erhalten. Das Programm hat sich bewährt und wird angenommen. Über die Projekte hinaus wird eine adventliche Stimmung geschaffen, welche die Besucher einlädt mit den Seelsorgern oder deren ehrenamt­lichen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Kirche im Europa-Park eigene Kommunikationsräume schafft, zwischen all dem Lärm den  Ort der Ruhe und des Nachdenkens anbietet.

Adventsgottesdienst 2013

Dies sind einige Beispiele der Projekte der Kirche im Europa-Park. Ganz­jährig werden zudem Gottesdienste für Gruppen, Trauungen, Taufen und Ehejubiläen angeboten. Vor allem die sakramentalen Angebote werden sehr gut angenommen. Eine Trauung oder eine Taufe in einem so außergewöhnlichen Ambiente, das nicht nur den Ernst der Feier, sondern auch den Spaß und die Freude darstellt, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. So hatte die Seelsorge im Jahr 2013 an die 50 Ehe­schließungen und Ehejubiläen zu feiern. Die Gründe, weshalb gerade der Europa-Park als Kulisse einer solchen Feier ausgewählt wird, sind sehr verschieden. Die einen möchten nicht in ihre Heimatgemeinde, da sie ihnen inzwischen fremd geworden ist oder sie den derzeitigen Pfar­rer nicht kennen; andere Paare haben viel gemeinsam im Park erlebt und fühlen sich mit diesem besonders verbunden. Der Eventcharakter zieht sicherlich viele Menschen an. Vor allem bei der Gestaltung der Gottesdienste und Andachten wird darauf geachtet, den Menschen etwas für ihr Glaubensleben zu „bieten“. Da wird dann auch einmal ein Kinder- und Jugendchor aus Straßburg eingeladen. Ein tolles Erlebnis eben.

Etwas ganz Besonderes ist das Projekt „Muschel im Europa-Park“, wel­ches jährlich stattfindet. Hierbei geht es um unterschiedliche Themen­felder zum Jakobsweg, der schon seit dem Mittelalter  durch Baden führt. Er ist – immer unter einem anderen Aspekt – Thema der Veran­staltung. Der Europa-Park eignet sich dabei besonders gut als Kulisse, da hier viele verschiedene europäische Nationen auf einem Gelände darge­stellt und vertreten sind - ganz wie der Jakobsweg unterschiedliche Län­der miteinander verbindet. Hier kann man ganz neue Erfahrungen ma­chen, wie Andreas Wilhelm berichtet: „Es ist einfach beeindruckend, zu sehen wie sich 180 Menschen aufmachen, um nach Rust zu pilgern.“

Das Internationale wird im Europa-Park natürlich generell großge­schrie­ben. Es sind Menschen ganz unterschiedlicher Nationen (überwie­gend Franzosen, Italiener, Luxemburger und Schweizer), die die Ange­bo­te der Seelsorge in Anspruch nehmen. Da muss eine Trauung auch mal auf Italienisch gehalten werden. Daher ist es ein Muss für die dort arbeitenden Seelsorger, zumindest Französisch, Englisch und Italie­nisch sprechen zu können.

Aber nicht nur auf die Menschen anderer Nation wird immer mehr im Europa-Park geachtet, sondern auch auf Menschen anderer Religion. So ist das Thema des interreligiösen Dialogs immer wichtiger geworden. Die Seelsorge bemüht sich derzeit um einen eigenen Gebetsraum für Muslime, etwa zum Vollzug ihres Mittagsgebets. Generell darf man gespannt sein, was uns alles noch erwartet in dieser Kirche im Europa-Park in Rust.