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Widerstandsfähig in einem sich wandelnden Klima?

Über die Zusammenhänge zwischen Resilienz und Klimakrise aus umweltpsychologischer Perspektive

In der Umweltpsychologie wird die Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt untersucht. Josephine Tröger und Claudia Menzel befassen sich im Kontext der Klimakrise damit, welche Faktoren Resilienz begünstigen: einerseits durch die Minimierung schädlicher Folgen der Erderhitzung, andererseits durch die Minimierung ihrer Ursachen. Religion kann sich dabei positiv wie negativ auf notwendige Verhaltensänderungen auswirken.

Der Begriff Resilienz erfährt aktuell viel Aufmerksamkeit. Gerade im Zusammenhang mit Corona kommt die Frage danach auf, wie wider­standsfähig wir als Individuen und als Gesellschaft sind. Doch Corona ist nicht die einzige Krise, in der wir stecken. Die Klimakrise findet parallel statt und verspricht, zukünftig noch gravierendere Auswirkungen zu haben. Wie schaffen wir es dennoch, handlungsfähig zu bleiben? Was brauchen wir als Individuen und als Gesellschaft, um unsere Resilienz zu stärken und um aus Krisen für zukünftige zu lernen? Zunächst möch­ten wir einen Blick auf das Phänomen Resilienz werfen und uns dabei der Frage widmen, inwiefern Klima- und Naturschutz auf mehreren Ebenen systemisch mit Resilienz in enger Verbindung stehen. Wir er­klären, warum wir für den Klimaschutz einerseits Resilienz brauchen – und hier Erfahrungen mit der Natur dazu beitragen. Andererseits zeigen wir, dass Umwelt- und Klimaschutz uns langfristig überhaupt erst re­silient machen – und dafür braucht es veränderte Konsummuster und Lebensstile, die sich an Suffizienz orientieren. Und wir schlagen einen Bogen zur Rolle von Religiosität in der Transformation von Lebensstilen.

Was ist Resilienz und wodurch entsteht sie?

Der Begriff Resilienz bedeutet so viel wie „Spannkraft“ oder „Wider­standsfähigkeit“. Gemeint ist damit zumeist die individuelle Fähigkeit, mit Herausforderungen und Belastungen umzugehen, ohne darunter zusammenzubrechen oder einen nachhaltigen Schaden zu erleiden. Resilientes Verhalten zeigt sich, wenn sich ein Individuum in einer Ri­sikosituation befindet und mit dieser belastenden Situation erfolg­reich umgehen kann. Risiken oder Belastungen können dabei biologische, psychologische, umweltbedingte oder sozioökonomische Faktoren umfassen, die potentiell mit negativen Reaktionen verbunden sind. Häufig haftet dem Begriff Resilienz etwas sehr Mächtiges an: Wenn Individuen oder größere Systeme trotz widriger Umstände schwierige Herausforderungen meistern, ist das überlebenssichernd. Gleichzeitig sind Individuen und Systeme besser gegen erneute Krisen und Un­vor­hergesehenes geschützt – im Gegensatz zu stärker verletzlichen („vulnerablen“) Systemen.

Lange ging man davon aus, dass Resilienz eine stabile und durch Per­sönlichkeitsstrukturen wie beispielsweise Intelligenz geprägte Eigen­schaft ist. Mittlerweile geht man aber viel stärker von dynamischen und interaktiven Prozessen mit dem sozialen Kontext aus, die Resilienz för­dern können. Die Wahrscheinlichkeit, mit schwierigen Lebensbedin­gungen (z. B. Armut, Diskriminierung, Gewalterfahrung) erfolgreich umzugehen, steigt beispielsweise, wenn man Teil eines stabilen und unterstützenden sozialen Netzwerks ist. Aktuelle Resilienzforschung ist deshalb weniger auf einzelne Schutzfaktoren fokussiert, sondern auf die Prozesse, die dazu führen, dass Resilienz entsteht. Eine solche Ver­schie­bung hat auch dazu geführt, dass Resilienz nicht mehr als ein Zielzu­stand betrachtet wird, der aus individueller Anstrengung heraus ent­steht. Stattdessen werden Faktoren auf verschiedenen Systemebenen identifiziert und der Blick auf die günstigen Bedingungen geworfen, die Resilienz ermöglichen. Einige Forschende sprechen erst von Resilienz, wenn rückblickend nach dem Überwinden der Krise klar ist, ob das Individuum (oder System) wirklich resilient war. Nach der Krise lässt sich bestimmen, ob entweder der Ausgangszustand wiederhergestellt wurde oder ob Fähigkeiten gelernt wurden, welche die Wahrschein­lichkeit erhöhen, erneute Krisen leichter zu bewältigen. Brown und Westaway (2011) beschreiben, dass der erfolgreiche Umgang mit Wi­drigkeiten und Herausforderungen eine Neuorganisation (oder auch „Transformation“) von Systemen nach sich ziehen kann, in der sich adaptive Funktionen optimieren. Die transformative Konsequenz von resilientem Verhalten findet sich auch in aktuellen Überlegungen zu Umweltveränderungen und sozial-ökologischen Systemen wieder.

Resilienz im Kontext der Klimakrise

Der Klimawandel ist ein globales Phänomen mit immer gravierenderen Auswirkungen auf alle Systeme der Erde. Wir Menschen haben den Klimawandel kollektiv ausgelöst und treiben ihn kontinuierlich voran, solange klimaschädliche Emissionen in die Atmosphäre gelangen. Die Folgen des Klimawandels sind mehr und mehr spürbar, etwa durch die Zunahme von Extremwetterereignissen. Der Klimawandel ist ein syste­misches Risiko: Der Mensch verursacht Druck auf ökologische Systeme und in Folge dessen auch auf soziale Systeme, so dass deren Stabilität in Gefahr ist.

Der Klimawandel ist neben dem übermäßigen Ressourcenverbrauch und dem folgenden Biodiversitätsverlust ein zusätzlicher Prozess, der das System Erde unter Druck bringt. Häufig genannte Folgen des Kli­ma­wandels, wie etwa Naturkatastrophen, sind offensichtlich Phänomene, in denen Resilienz gefragt ist. Es geht etwa darum, katastrophen­be­ding­te Schäden für einzelne Personen oder auch Gemeinschaften abzumil­dern, Dörfer wieder aufzubauen, mit Verlusten zurechtzukommen und aus einem Zustand von Chaos wieder in eine Normalität zurückzu­keh­ren. Die Klimakrise führt aber nicht nur dazu, dass Lebensräume in Gefahr geraten und instabil werden, sondern auch, dass weitreichende soziale Folgen für Individuen und Gesellschaften entstehen. Mit fort­schreitendem Klimawandel werden Ressourcen knapper. Dies verur­sacht Verteilungsprobleme und weitreichende soziale Konflikte wie die Zunahme von autoritären Tendenzen und somit eine Gefährdung der Demokratie. Fühlen sich Menschen durch den Klimawandel bedroht, kann das zu einer stärkeren Rechtfertigung des Systems und der Zu­stimmung zu systemunterstützenden Gruppen führen bzw. zu einer Ablehnung von Gruppen, die eine (scheinbare) Bedrohung für die eigene Gruppe darstellen (vgl. Fritsche u. a. 2012). Reformen und Transfor­ma­tionen von Systemen sind dann noch schwieriger durch einen gesell­schaftlichen Konsens herbeizuführen.

Aus diesen Zusammenhängen wird sichtbar, dass Resilienz im Kontext der Klimakrise ein sich wechselseitig beeinflussender Prozess ist: Einerseits brauchen wir Resilienz (als Individuum, als Gesellschaft, als Teil der Natur), um auf die Klimakrise angemessen reagieren zu können – gleichzeitig ist die Resilienz von (allen) Systemen inklusive der ein­zelnen Menschen durch die Klimakrise bedroht. Wie schaffen wir es also, resilient zu bleiben in einem sich wandelnden und immer stärker bedrohten System?

Grundsätzlich kann Resilienz durch Anpassung unseres Verhaltens erreicht werden. Das geht auf zweierlei Arten: 1) indem wir dafür sor­gen, dass ein Problem weniger negativ auf uns (oder ein System) ein­wirkt und wir damit die Folgen minimieren. Das bedeutet beispiels­weise, Maßnahmen zu ergreifen, durch die es uns besser geht. Eine solche Maßnahme kann sein, die Wirkung der Natur für sich zu nutzen, etwa durch einen Spaziergang in der Natur. Denn sowohl der Schatten durch Bäume als auch die Verdunstungskühle der Pflanzen allgemein geben uns die Möglichkeit, in Hitzewellen einen kühlen Kopf zu be­wahren. Oder 2) indem wir dafür sorgen, dass das Problem selbst ge­mindert wird und wir unseren Lebensstil so verändern, dass wir weni­ger CO2 ausstoßen. Denn dieses ist ein wesentlicher Treiber des Klima­wandels, der als Stressor auf globale Systeme einwirkt. Beide Pfade wollen wir nachfolgend kurz schildern und schließlich auch eine Verbindung zu Religiosität aufzeigen, die eine wichtige Rolle bei der Bereitschaft, unser Verhalten anzupassen, spielt.

Individuelle Resilienz durch Minimierung der Folgen: Naturerfahrungen

Natur ist ein wichtiger Erholungsraum für uns Menschen und kann uns helfen, die Folgen von Stress und die Auswirkungen von Umweltver­änderungen abzubauen. Wenn wir uns in intakter Natur aufhalten, fördert das psychische und physische Prozesse, die sich positiv auf un­sere Resilienz auswirken. Die Befunde in diesem Forschungsbereich sind sehr überzeugend und vielschichtig, auch wenn bis heute unklar ist, welche Elemente von Natur tatsächlich diese positiven Effekte auslösen. Natur kann auf sehr unterschiedlichen Wegen auf uns wirken: Wir be­wegen uns in ihr mehr; sie bietet einen Raum für sozialen Austausch; die Luftzusammensetzung ist gesundheitsförderlich; und durch Ruhe und faszinierende Strukturen wirkt sie erholsam und stresslindernd. Zahlreiche Studien zeigen, dass Naturspaziergänge positive Effekte auf die Stimmung und die kognitive Leistungsfähigkeit haben. Es wurde experimentell vielfach untersucht, dass Gehen durch Wälder Angst, De­pressivität und Ermüdung reduziert. Anwesenheit von Natur hat auch vielfältige Effekte auf unser soziales Verhalten. Mehr Zeit um Bäume herum zu verbringen, kann Menschen kooperativer, freundlicher und großzügiger machen.

Erfahrungen in der Natur fördern die generelle Verbundenheit mit ihr. Naturverbundenheit kann als eine Art emotionale Verbundenheit und als Ausmaß, in dem Individuen die Natur als einen Teil ihrer Identität betrachten, definiert werden. Dabei werden oft drei unterschiedliche Komponenten berücksichtigt: Die kognitive Komponente bezieht sich darauf, wie integriert in die Natur sich ein Mensch fühlt – ist er Teil der Natur oder sieht er sich von ihr entkoppelt? Die affektive Komponente ist das Gefühl des Individuums für die Natur – werden positive oder negative Gefühle ausgelöst? Die Verhaltenskomponente bezieht sich darauf, wie mit der Natur umgegangen wird. Frühzeitige, intensive und häufige Naturerfahrungen stärken die Naturverbundenheit. Sie führt wiederum dazu, dass Personen Natur immer wieder und häufiger auf­suchen als Menschen mit weniger Naturverbundenheit. Eine hohe Naturverbundenheit geht häufig mit mehr Lebenszufriedenheit und positiven Gefühlen einher.

Generell gilt, dass die Anwesenheit von Natur substantiell auf uns Ein­fluss nimmt. Eine Studie hat versucht, den Anstieg an Wohlbefinden durch die Anwesenheit von Natur im nahen Umfeld des Wohnorts ge­nauer zu quantifizieren. Dabei haben die Forschenden herausgefunden, dass bereits zehn Bäume im Wohnviertel so viel an Wohlbefinden aus­machen wie jährlich $ 10.000 mehr Einkommen (Kardan u. a. 2015). Konkret heißt das, dass Natur auch dabei hilft, mit widrigeren Umstän­den (z. B. weniger Geld) besser klarzukommen.

Gemessen an diesen Befunden wird deutlich, dass ein Wegfall von Natur Folgen für unsere individuelle und gesellschaftliche Resilienz hat. Wenn wir keine Gelegenheiten mehr haben, Natur zu besuchen und uns in ihr zu erholen, werden wir uns we­ni­ger mit ihr verbunden fühlen und we­ni­ger Möglichkeiten zur Bewältigung von Stress haben. Wenn uns zu­sätzlich die generelle Verbundenheit zur Natur fehlt, dann sinkt nicht nur die Lebenszufriedenheit, auch die Wahrscheinlichkeit für umwelt­schützendes Verhalten wird geringer (Mackay/​Schmitt 2019). Im Prin­zip befinden wir uns dann in einer Abwärtsspirale: Verlust von Natur­erfahrungen führt zu geringerer Gesundheit, Naturverbundenheit und Motivation für Umweltschutz, was wiederum zu noch weniger Natur und demnach Möglichkeiten für Naturerfahrungen führt.

Die Zusammenhänge machen deutlich, dass individuelle Resilienz durch Abpuffern der Folgen nur solange möglich ist, wie es eben intakte Räume und die individuellen Möglichkeiten dafür gibt. Daher ist es wichtig, die zweite Perspektive zu betrachten und die Frage nach den Ursachen für Naturveränderungen und Klimawandel zu stellen. Denn diese bedrohen die Resilienz von Natur und Gesellschaften. Es ist daher wichtig, Prinzipien zu verfolgen, von denen wir wissen, dass sie unsere Systeme und uns selbst langfristig resilient machen können. Natur­ver­bundenheit und Naturschutz stärken nicht nur individuelle psychi­sche Resilienz, sondern eben auch die Resilienz der natürlichen Systeme. Nachfolgend wollen wir deshalb die Rolle der Veränderungen von Le­bensstilen im Sinne des Suffizienzprinzips betrachten.

Resilienz durch Minimierung der Ursachen: Veränderung von Lebensstilen

Im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte ist in den letzten Jahren immer häufiger vom Suffizienzprinzip (lat. sufficere = ausreichen, genügen) die Rede. Dieses beinhaltet, die Grenzen der na­tür­lichen Ressourcen zu ak­zeptieren und den eigenen Konsum so einzuschränken, dass er die na­türlichen Systeme, die wir als Lebensgrundlage brauchen, nicht über­las­tet. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass die Befriedigung von psy­cho­lo­gischen und materiellen Bedürfnissen langfristig nicht mehr möglich ist, wenn ökologische Systeme nicht mehr funktionieren. Außerdem liegt eine veränderte Haltung gegenüber materiellem Konsum zu Grun­de, d. h. die Einsicht, dass materieller Konsum über einem gewissen Punkt nicht in der Lage ist, langfristig Wohlbefinden zu erzeugen oder psychologische Grundbedürfnisse zu befriedigen, sondern langfristig und in dem Maße, wie es gegenwärtig global geschieht, sogar das Gegen­teil bewirken kann. Suffizienz bedeutet, Konsummuster an die ökologische Tragfähigkeit der Erde anzupassen. Dabei verändern sich die wahrgenommenen Aspekte von Konsum. Mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen, wird dann nicht mehr als notwendig betrachtet, da der Nutzen oder die Befriedigung von Bedürfnissen durch Urlaub auch durch Aufenthalte in Naherholungsgebieten erfolgen kann. Die (sub­jek­tive) Bewertung verschiebt sich zugunsten der ökologischen Kriterien, die aber im Kern gleichzeitig soziale Kriterien sind. Suffizienzorien­tie­rung bedeutet auch, sich im Alltag und bei Entscheidungen zu über­le­gen: Brauche ich die Dinge wirklich? Machen sie mich glücklich? Es gehört auch dazu zu hinterfragen, welche Art von Bedürfnissen durch den Konsum tatsächlich gestillt werden – oder eben auch nicht. Suffizi­enzorientierung und entsprechendes Verhalten fördern also die eigene Resilienz – im Sinne einer Unabhängigkeit von materiellen Zwängen – und die unseres Planeten. Menschen sind krisenfester, wenn sie wissen, wie Dinge im eigenen Haushalt zu reparieren sind und nicht neu gekauft werden müssen. Sie sind es auch, wenn eine Radtour um den nächstge­le­genen See genauso glücklich (wenn nicht gar glücklicher) macht wie eine teure Flugreise in die Karibik. Suffizienz kann so als eine Art Bewäl­tigungsstrategie der Klimakrise verstanden werden, da Menschen, die suffizient leben, mit weniger Ressourcen zurechtkommen, Dinge selbst produzieren und genügsamer sind. Diese Unabhängigkeit kann resili­enter machen, z. B. wenn wirtschaftliche Krisen eintreten oder sich Lebensumstände so verändern, dass es unmöglich ist, immer wieder neue Dinge zu kaufen. Weniger Konsum bedeutet weniger Druck auf ökologische Systeme, mehr Zeit für deren Regeneration und gesteigerte Widerstandskraft.

Doch eine solche Veränderung von Lebensstilen ist nicht leicht und wird von Werten und Normen in unserer Gesellschaft stark beeinflusst. Kon­sum und Materialismus spielen in unserem aktuellen Wirtschaften und Handeln eine ganz zentrale Rolle. Sich individuell unabhängig von vor­herrschenden Infrastrukturen und Denkmustern zu machen, ist schwie­rig. Entscheidend ist dafür, in welchen Gruppen wir uns bewegen, wel­che sozialen Identitäten wir teilen und wie in diesen Gruppen Hand­lungs­optionen verkörpert und kommuniziert werden. Wir wollen dies nachfolgend beispielhaft am Thema Religiosität und Glauben aufzeigen.

Die Rolle von Religiosität und Glauben bei Verhaltensänderungen

Die Verbindung zu Gruppen kann sich positiv auf beide bereits ge­schil­derten Wege auswirken und demnach zur Resilienz beitragen. Die Zu­gehörigkeit zu einer (Glaubens‑)​Gemeinschaft erhöht die Möglich­keit, sich in Krisensituationen Unterstützung zu holen und auf ein soziales Netzwerk zugreifen zu können, das Regeneration ermöglicht. Dies lässt sich in den ersten Pfad einordnen, um die Folgen von Krisen und Kata­strophen abzuschwächen. Um Veränderungen im Sinne des zweiten Pfades – der Abmilderung der Krise an und für sich – zu bewirken, deuten einige Befunde zunächst auf problematische Zusammenhänge zwischen Glauben auf der einen und Lebensstiländerungen zugunsten von Umwelt- und Klimaschutz auf der anderen Seite hin. Hierbei spie­len die mit dem Glauben und der jeweiligen Glaubenszugehörigkeit verbundenen Werthaltungen sowie das soziokulturell vermittelte Ver­ständnis von individuellem Handeln eine zentrale Rolle. Menschen, die gläubig sind, sind häufig eher politisch konservativ eingestellt. Konser­vative Einstellungen korrelieren wiederum negativ mit der politischen Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen, und häufig tritt eine kon­servative Einstellung auch zusammen mit Tendenzen zur Leugnung des Klimawandels auf. Personen fühlen sich dann nicht verantwortlich, et­was gegen den Klimawandel und andere Umweltkrisen zu tun. Ursa­chen dafür können in der durch den Glauben vermittelten Rolle des Individuums in der Welt und im Verhältnis von Mensch versus Natur liegen. Religiosität geht zum einen oft mit dem Glauben einher, dass ein kontrollierendes mächtiges Wesen für die Geschehnisse auf der Welt zuständig sei und es einen größeren Plan des Schöpfers gebe. Zum an­deren geht es mit dem Gefühl einer dominanten Position gegenüber der Natur einher (Hickel 2020). Die psychisch erleichternde Wirkung einer solchen Haltung wird deutlich, wenn es um die Verarbeitung von Ver­lusten oder der Folgen etwa von (Klima‑)​Katastrophen geht (siehe auch erster Pfad). Problematisch ist jedoch, dass sich ein solches Weltbild negativ auf die Motivation für Umweltschutzverhalten auswirkt. Der Glauben an einen kontrollierenden Gott kann dazu führen, dass der Einfluss von positiven Umwelteinstellungen abgeschwächt und die Einstellungs-Verhaltens-Lücke damit größer wird (Eom u. a. 2021).

Aktives Handeln für den Klimaschutz tritt jedoch dann ein, wenn Men­schen davon überzeugt sind, dass sie selbst und/​oder die Gruppe, mit der sie sich identifizieren, durch ihr jeweiliges Handeln etwas bewirken können. Es entsteht ein Gefühl von Selbstwirksamkeit bzw. kollektiver Wirksamkeit. Außerdem spielt es eine maßgebliche Rolle, ob man sich als gleichwertig zur Natur und nicht dominant ihr gegenüber sieht. Dies wiederum spiegelt sich in der Identifikation und Verbundenheit mit Natur wider. Religion kann stark beeinflussen, wie das eigene Kontroll­gefühl, etwas im Klimaschutz beizutragen, sowie das Verhältnis des Menschen zur Natur eingeschätzt wird. Hier besteht also ein großes Potential, diese Verhältnisse so zu vermitteln, dass sie auf Personen aktivierend und handlungsleitend im Sinne des Umwelt- und Klima­schutzes wirken. Außerdem sollte deutlich gemacht werden, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wenn umweltschützendes indivi­duelles und kollektives Handeln unterlassen wird. Ein Positivbeispiel ist das Konzept der „religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (Gärtner 2020), in der es konkrete Ansatzpunkte gibt, um individuelle Verantwortung und Klimaschutzhandeln zu stärken. Außerdem kann auch Dankbarkeit gegenüber der Natur und Schöpfung ein wichtiger Motivator für Umweltschutz sein.

Fazit

Die Klimakrise fordert die Resilienz aller Systeme heraus, indem sie Instabilitäten erzeugt. Als Konsequenz müssen wir unsere eigene Resi­lienz und die unserer Systeme stärken. Das geht durch Anpassung und Veränderung der Ursachen. Umwelt- und Klimaschutz ist für beide Strategien notwendig. Sie können uns selbst und globale Systeme lang­fristig resilient machen. Wenn wir natürliche Systeme, die wir als Le­bensgrundlage nutzen, schützen, ist das langfristig sinnvoll für den Erhalt von Lebensraum, für die Stabilität von Gesellschaften und für unsere individuelle Gesundheit. Diese ist wiederum notwendig, um Krisen erfolgreich zu meistern. Es ist sinnvoll, das Prinzip der Rezi­pro­zität im Kontext der Klimakrise und in der Wirkung unseres Verhaltens auf diese Krise zu erkennen, zu kommunizieren und aktiv zu fördern – auch im Kontext von religiöser Bildung und Praxis. Resilienz entsteht nur mit einem wechselseitig und miteinander verbundenen Blick zwi­schen Mensch und Natur. Wenn wir die Resilienz der (Öko‑)​Systeme durch eigenes Klima- und Umweltschutzhandeln fördern, bleiben wir selbst (langfristig) resilient.