„… und Christus wird dein Licht sein“ (Eph 5,14)
Taufberufung als dialogisches Christus-Geschehen
„Gemeinsam Kirche sein“: In diesem „Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral“ von 2015 werden, anknüpfend an Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, einige Themen herausgehoben, die immer noch vielerorts in der Kirche ein Schattendasein führen. Eines davon ist „Taufberufung“. Taufe ist mehr als nur die Begründung einer (kirchensteuerpflichtigen) Mitgliedschaft. Sie bedeutet auch die Pflicht, aber vor allem das Recht, sich als Getaufter oder Getaufte aktiv in die Kirche (und die Welt) einzubringen. Was diese „geistliche Autorität“ („Gemeinsam Kirche sein“) bedeutet, die allen Getauften zukommt und nicht nur geweihten Amtsträgern, gilt es neu zu entdecken.
Während aber über damit verbundene Themen – Charismen, Amt, Partizipation, Leitung etc. – in den letzten Jahren viel geschrieben wurde, ist ein Buch, das „Taufberufung“ im Titel führt, eine Rarität. Noch bemerkenswerter ist, dass es gelungen ist, für eine Festschrift Beiträge unter dieser verbindenden Thematik zu versammeln. Geehrt wird im zu besprechenden Band P. Ewald Volgger OT, Professor der Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Katholischen Privat-Universität Linz.
Die thematische Bandbreite der Aufsätze ist freilich sehr groß – einige streifen das übergreifende Thema eher. Detailexegese mutet Christoph Niemand zu, der der ikonischen Christologie bei Paulus nachgeht – und erst zum Schluss hin dann vom Bild-Gottes-Sein, vom Christus-nachgestaltet-Werden Verbindungslinien zum Taufgeschehen zieht. Basilius J. Bert Groen erläutert, wie in der Orthodoxie das Myron hergestellt wird, ein Salböl, das u. a. bei der mit der Taufe verbundenen Firmung zum Einsatz kommt. Manche Beiträge sind also anspruchsvoll zu lesen oder behandeln Spezialthemen; sie verlieren aber das Thema Taufberufung nie aus dem Blick – und fügen ihm eher unbekannte Facetten hinzu.
Angesichts der Profession des Geehrten verwundert es nicht, dass viele Beiträge liturgische Aspekte betrachten. Das kann mit historischem Interesse geschehen: Wie ist die Taufsalbung entstanden (Predrag Bukovec), wie der Taufexorzismus (Martin Lüstraeten)? Vor allem auf gegenwärtiges liturgisches Geschehen blickt dagegen etwa Martin M. Lintner, der herausarbeitet, wie die Ordensprofess sich als Radikalisierung und Konkretisierung der Taufe verstehen lässt. Ingrid Fischers Aufsatz wiederum beschäftigt sich neben Liturgien auch stark mit katechetischen Fragen, wenn sie eine Untersuchung zur Initiation von Erwachsenen in Österreich vorstellt. Wie Taufe auch wirklich mit einer Einführung in den Glauben verbunden wird, treibt Reinhard Meßner um, der beklagt, dass Kindertaufe zur Folklore zu werden drohe, wenn das nicht gelinge.
Und interessanterweise untersucht gleich eine Reihe von Beiträgen Gesänge mit Taufbezug, die in früheren und heutigen Liturgien eine Rolle spiel(t)en. Albert Gerhards dagegen nimmt mit auf eine kleine Reise zu Kirchen, in denen besondere Orte der Taufe und der Tauferinnerung geschaffen wurden.
Wie wird Taufe und Tauferinnerung recht gefeiert – das ist die eine Frage. Aber was bedeutet Taufe, was bewirkt sie? Dass damit schon antike Autoren Schwierigkeiten hatten, arbeitet Clemens Leonhard heraus, der christliche und jüdische Quellen untersucht, die mit dem Umgang mit dem Sündenfall ringen. Wie ganz praktisch Taufe betrachtet und behandelt wurde, zeigt sich auch in den Episoden aus der frühneuzeitlichen Deutschordensherrschaft, die Jörg Seiler vorstellt: Taufe begründet hier wesentlich auch – manchmal umstrittene – Identität. Andere Beiträge, die auf die Gegenwart fokussieren, kreisen jedoch um das Thema Berufung – und zwar um die Berufung aller Getauften. „Wie ernst nimmt die Kirche ihre Rituale?“, fragt dann nicht nur Benedikt Kranemann, der im Anschluss an die Rede vom priesterlichen, königlichen und prophetischen Amt die Herausforderungen von Macht und Partizipation thematisiert. Mehr spirituell, doch auch mit kritischem Blick auf die kirchliche Realität argumentiert Bischof Manfred Scheuer: Er betont, dass Berufung nicht einfach Selbstverwirklichung bedeute, sondern einen Auftrag beinhalte; und dass sie eine legitime Vielfalt impliziere, die aber ein symphonisches Zusammenwirken mit anderen Menschen erfordere.
Die insgesamt 22 Beiträge im Band (zwei Grußworte, ein Vorwort und eine Bibliographie des Geehrten nicht mitgezählt) sind also sehr disparat. Wer sich vom Band einen ausgewogenen Überblick zum Thema Taufberufung erwartet, wird also enttäuscht werden. Die teilweise doch recht speziellen Untersuchungen machen aber deutlich, dass die Taufe, die eigentlich grundlegend für eine christliche Existenz ist, damals wie heute leicht aus dem Fokus des kirchlichen Geschehens auswandert – und dass es daher der beständigen Tauferinnerung bedarf, um das Potential der christlichen Initiation zu heben.
Martin Hochholzer