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Erprobung kollegialer Leitung von Pfarrverbänden im Erzbistum München und Freising

Ein Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen übernimmt Leitungsverantwortung für die Kirche vor Ort

Im Erzbistum München und Freising wird auf dem Hintergrund der Ermutigung durch das Bischofspapier „Gemeinsam Kirche sein“ ein kollegiales Modell von Leitung eines Pfarrverbands (Gemeinschaft von mehreren kanonischen Pfarreien) ausprobiert. Der verantwortliche Projektleiter im Ordinariat, Robert Lappy, beschreibt Hintergründe und praktische Erfahrungen und zeigt, dass sich mit einem neuen Modell auch die Konzepte und die tatsächliche Praxis von Leitung verändern können.

Am 7. April 2019 wurde im Pfarrverband Geisenhausen (Erzbistum München und Freising) das erste kollegiale Leitungsteam aus zwei Hauptamtlichen und drei Ehrenamtlichen im Pfarrgottesdienst durch Weihbischof Dr. Haßlberger beauftragt. Mit dieser Beauftragung wird eine neue Form von Leitung im Erzbistum im Rahmen des diözesanen Projekts „Pastoral planen und gestalten“ (www.pastoral-gestalten.de) erprobt. Nachdem es im Erzbistum schon reichhaltige Erfahrungen mit dem sog. Pfarrbeauftragtenmodell, also der Leitung eines Pfarrverbands nach can. 517 § 2 CIC gibt, geht das Modell der kollegialen Leitung bewusst einen Schritt weiter. Während Leitung nach can. 517 § 2 CIC die Verantwortung einer/s hauptamtlichen Seel­sorgers/in für Seelsorgs- und Verwaltungsaufgaben unter priester­licher Letzt­verantwortung meint, wird im kollegialen Leitungsteam auf priesterliche Letztver­ant­wortung verzichtet. Diese liegt delegiert beim kollegialen Leitungsteam. Um es klar zu sagen: Es gibt in diesem Modell keinen Pfarradministrator oder priesterlichen Leiter, um priesterliche Letztverantwortung wahrzunehmen. Das kollegiale Leitungsteam über­nimmt vollständig die Rolle und Funktion „Pfarrer“.

Auftrag zu neuen Leitungsmodellen von Erzbischof Kardinal Marx

Die Veränderung der Pastoral in Deutschland hin zu einer charismen- und ressourcenorientierten Pastoral, wie sie im Bischofswort „Gemein­sam Kirche sein“ (2015) beschrieben wird, fragt – ausgehend vom gemeinsamen Priestertum aller Getauften und Gefirmten – auch nach neuen Formen der Leitung in der Seelsorge. Diese Frage stellt sich mit Blick auf eine Relecture des II. Vaticanums unabhängig von einem sich abzeichnenden quantitativen Rückgang an Priestern oder einem quali­tativen Mangel bei Priestern in Bezug auf Leitungsaufgaben.

Die Sichtweisen auf und die Anforderungen an die Pastoral, wie sie sich im Erzbistum München und Freising in Vorstellungen von qualität­voller Seelsorge, dem Zusammenwirken von territorialer und kate­go­rialer Pastoral in einem pastoralen Raum, der Erarbeitung von Pastoral­konzepten und der Übernahme von administrativen Leitungsaufgaben durch Verwaltungsleitungen ausdrücken, machen ergänzend deutlich, dass andere, neue Leitungsformen nötig sind, die nicht nur durch Priester leistbar sind.

In seinem Schreiben an das Projekt „Pastoral planen und gestalten“ vom 3.2.2016 beauftragte Erzbischof Kardinal Marx vor diesem Hintergrund die Steuerungsgruppe des Projekts – und davor schon eine Arbeits­gruppe des Priesterrats –, ihm verschiedene Leitungsmodelle vorzu­schla­gen, die anschließend in Pilotprojekten erprobt und ausgewertet werden sollten. Kardinal Marx wollte dezidiert neue Leitungsmodelle vorgeschlagen bekommen, die kirchenrechtlich und theologisch verant­wortbar sind und die Impulse aus „Gemeinsam Kirche sein“ aufgreifen. Leitende Grundidee ist dabei, im Erzbistum ein Portfolio an Leitungs­modellen vorzuhalten und dieses – bei erfolgreicher Erprobung – situationsadäquat ein- und umzusetzen.

Das Charisma der Leitung fördern

Die deutschen Bischöfe haben am 1.8.2015 in dem Wort „Gemeinsam Kirche sein“ einige grundlegende Aussagen zur Erneuerung der Pastoral veröffentlicht. In dem Papier wird eine Gestaltung der Pastoral favori­siert, die sich an den Charismen der Gläubigen orientiert. Aufgrund von Taufe und Firmung haben alle Frauen und Männer in der Kirche Anteil am gemeinsamen Priestertum der Getauften. Dabei lenkt das Papier den Blick in zugespitzter Weise auf das Charisma der Leitung. Wohl erstmalig bringen die deutschen Bischöfe unmissverständlich zum Ausdruck, dass Leitung in der Kirche „viele Gesichter“ hat (GKS 41 ff.). Hier wird freilich nicht ein neuer Leitungsbegriff definiert, sondern darauf verwiesen, dass in der Geschichte der Kirche sehr unterschied­liche Leitungsformen entwickelt wurden. Stets korrespondieren hierbei die Formen geistlicher Leitung mit den Führungs- und Verwaltungs­aufgaben.

In der Ausgestaltung der Pastoral hat der Ortsbischof verschiedene Möglichkeiten, eine der jeweiligen Diözese und den Erfordernissen der Zeit gemäße Form zu wählen. Aufgrund der Größe einer Diözese und der Vielzahl der Mitarbeitenden in ihr ist jeder Bischof gezwungen, viele seiner Aufgaben zu delegieren. Er ist dabei der Garant dafür, dass die Grundfunktionen kirchlichen Handelns in der Pastoral der Ortskirche erfüllt werden. Ein wesentlicher Dienst dabei ist die Gemeindeleitung. Sie wird bei Pfarreien, Pfarrverbänden, Stadt- und Stadtteilkirchen aufgrund der Nähe des Leitungsdienstes zur Feier der Eucharistie und der in der Weihe übertragenen sakramentalen Vollmachten im kirchen­rechtlichen Regelfall Priestern übertragen.

Seit geraumer Zeit kann dieser Regelfall aber nicht mehr flächen­deckend gewährleistet werden. Die Gründung von Pfarrverbänden ermöglicht zwar bis zu einem gewissen Grad Seelsorge in größeren Räumen, aber diese Räume können nicht beliebig vergrößert werden.

So legt es sich nahe, auch andere Formen der Gemeindeleitung zu erproben, die in der Verantwortung des Bischofs stehen, aber nicht zwingend das sakramentale Weiheamt erfordern. Solche Modelle, die mit dem sakramentalen Charakter der Kirche und den sich daraus ableitenden Normen des Kirchenrechts übereinstimmen, werden im Erzbistum München und Freising umgesetzt und erprobt.

Kollegiale Leitung eines Pfarrverbands. Was damit (nicht) gemeint ist und wie es funktioniert

Kernpunkt des Modells der kollegialen Leitung eines Pfarrverbands ist, dass kein für die Seelsorge letztverantwortlicher Priester benannt wird, die Pfarreien des Pfarrverbands also – rein kanonisch betrachtet – unbe­setzt sind. Damit fällt die Letztverantwortung an den Bischof zurück. Dieser delegiert nun die Leitungsaufgaben an ein kollegiales Leitungs­team aus Haupt- und Ehrenamtlichen. Konkret bedeutet das, dass alle Aufgaben und Verantwortlichkeiten eines Pfarrers, wie sie sich aus dem Kirchenrecht und weiteren Regelungen ergeben (z. B. aus den Satzun­gen der Pfarrgemeinderäte oder der Kirchenstiftungsordnung) auf ein­zelne Personen im Leitungsteam oder auf das Team als Ganzes verteilt werden. Dazu wird ein Aufgabenverteilungsplan erstellt, der in einem gemeinsamen und durch Projektverantwortliche sowie durch die kirch­liche Organisationsberatung/Gemeindeberatung begleiteten Klärungs­prozess mit dem Leitungsteam erarbeitet wird. Für die Projektverant­wortlichen ist wichtig, dass im Leitungsteam eine möglichst ausgewo­gene Verteilung der Aufgaben entsteht und damit keine Machtkonzen­tration bei einer einzelnen Person.

Zu den zwingenden, weil kirchenrechtlich gebotenen Leitungsaufgaben eines Pfarrers und damit eines kollegialen Leitungsteams gehören die Koordination des Verkündigungsdienstes, die Koordination der Pasto­ral, die Spendung von Sakramenten und Sakramentalien einschließlich der Durchführung der dazu nötigen Absprachen, kirchliche Trauungen, die Einbindung in überpfarrliche Strukturen, die Vertretung der Pfarrei, die Verantwortung für Matrikelführung und Pfarrarchiv, die Erstellung von pastoralen Urkunden sowie die Verantwortung für die rechtmäßige Nutzung der Kirchen.

Ergänzt werden diese Leitungsaufgaben durch die spezifischen Themen im jeweiligen Pfarrverband wie z. B. die Verantwortung für den diakoni­schen Bereich, die Sakramentenvorbereitung oder die Kooperation mit Vereinen und Verbänden. Leitungsverantwortung heißt, diese Dinge nicht alle selbst zu tun, sondern zu klären, was getan wird, wozu etwas getan wird, wie es getan wird, wer es tut, welche Ressourcen dafür be­reits zur Verfügung stehen oder gestellt werden müssen. Das erreichte Ergebnis wird überprüft, reflektiert, ggf. werden Verbesserungen her­beigeführt. Ziel von Leitung ist es, Orientierung nach innen und außen zu geben. Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten werden durch Entschei­dung bestimmte ausgewählt. Damit wird Komplexität reduziert und die Handlungsfähigkeit erhöht.

Idealerweise gibt es in einem Pfarrverband als grundlegende Orientie­rung bereits ein pastorales Konzept, das deutlich macht, wohin die Reise in der Pastoral vor Ort gehen soll – und wohin nicht.

Im Leitungsteam gibt es keinen Unterschied zwischen Haupt- und Eh­renamtlichen. Jede und jeder trägt in gleicher Weise Verantwortung für einen bestimmten Bereich. Die grundlegenden und zentralen Themen werden gemeinsam entschieden und vereinbart. Für die Funktionalität des Leitungsteams bestimmt das Team eine/n Moderator/in, der/die die Aufgabe hat, für Kommunikation und Absprachen im Team zu sor­gen. Der Dekan als neue mittlere Führungsebene ist Vorgesetzter der Hauptamtlichen im Leitungsteam und Ansprechpartner für das Leitungsteam insgesamt.

Das Leitungsteam und die einzelnen Mitglieder werden legitimiert durch Wahl und Bestätigung der Kirche vor Ort sowie durch bischöfliche Beauftragung (Delegation der Leitungsaufgabe). Die Wahl betrifft ins­besondere die Ehrenamtlichen im Leitungsteam. Im Erzbistum Mün­chen und Freising ist in der Projektphase zunächst offen, wie diese Legitimation durch die Kirche vor Ort erfolgt. Durch die gewählten Gremienvertrete­r/innen aus Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwal­tungen? Im Rahmen einer Pfarrversammlung? Durch eine offene Ein­ladung zu dieser Wahl an alle Interessierten? Durch eine Wahl durch alle Getauften und Gefirmten?

Bisher hat sich das Modell bewährt, dass die Legitimation der Ehren­amtlichen im Leitungsteam durch die gewählten Gremienvertreter/​innen der Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen erfolgt. Das Wahlergebnis wird als Vorschlag an den Bischof gegeben. Zusammen mit einer Stellungnahme des jeweiligen Dekans zu den gewählten Personen ist der Wahlvorschlag die Grundlage für die bischöfliche Beauftragung des Leitungsteams.

Die Teams entscheiden selbst, wie sie zusammenarbeiten, wie oft sie sich treffen, wie sie die Kommunikation organisieren und wie sie zu Entscheidungen kommen. Auf Wunsch stehen für die Klärung dieser Themen Beratung und Begleitung zur Verfügung.

Da Entscheidungen ein zentraler Punkt jeglichen Leitungshandelns sind, gibt es seitens der Projektverantwortlichen eine Empfehlung für Konsententscheidungen („Konsent“, nicht „Konsens“), einerseits, um sich nicht immer mit Konsensentscheidungen abmühen zu müssen, andererseits, um nicht durch Mehrheitsentscheidungen Gewinner und Verlierer zu „produzieren“. In einem Konsententscheidungsprozess wird danach gefragt, ob es einen Einwand oder schwerwiegenden Ein­wand zu einem Entscheidungsvorschlag gibt. Nur der zu begründende schwerwiegende Einwand kann eine Entscheidung für die jeweilige zur Entscheidung stehende Sache stoppen. Anschließend wird unter Berücksichtigung des Einwands und der Meinungen nochmals an der Entscheidungsvorlage gearbeitet und diese erneut zur Entscheidung vorgelegt.

Und was sagt das Kirchenrecht dazu?

Immer wieder wird gefragt, ob eine solche Lösung kirchenrechtlich eigentlich legitim ist. Das Kirchenrecht sieht ausdrücklich die Mög­lichkeit vor, dass wegen Priestermangels ein Laie oder eine „Gemein­schaft von Personen an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei“ beteiligt werden können (can. 517 § 2 CIC). Allerdings wird an derselben Stelle die Einschränkung gemacht, dass der Bischof einen Priester zu bestimmen hat, der „mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers ausgestattet“ ist und somit die Letztverantwortung in der Pfarrei trägt. Doch was ist, wenn eine Pfarrei einfach nicht mit einem Pfarrer besetzt werden kann oder es keinen Priester gibt, der nach can. 517 § 2 an Pfarrers statt agiert? Einen solchen Fall kennt der CIC nicht. Er geht davon aus, dass eine frei werdende Pfarrei wieder mit einem Priester als Pfarrer besetzt wird. Also braucht es für eine auf Dauer nicht besetzte Pfarrei eine über das Kirchenrecht hinausgehende Lösung. Ist eine Pfarrei nicht besetzt, fällt die Verantwortung an den Bischof, der sicherstellen muss, dass die Rechte der Gläubigen in der Pfarrei gewahrt bleiben wie zum Beispiel das Recht auf Verkündigung oder auf die Sakramentenspendung. Dafür kann und muss der Bischof eine neue Lösung finden. Im Erzbistum München und Freising wird dazu als eine mögliche Lösung das kollegiale Leitungsteam aus Haupt- und Ehren­amtlichen erprobt.

Der Weg zum ersten kollegialen Leitungsteam

An einem – im doppelten Sinne – heißen Sommerabend im Juli 2017 wurde das Modell und die Idee kollegialer Leitung eines Pfarrverbands den gewählten Gremienvertretern des Dekanats Geisenhausen vorge­stellt und von Weihbischof Dr. Haßlberger die Absicht mitgeteilt, dieses Modell im Pfarrverband Geisenhausen erproben zu wollen. Es war mit­nichten so, dass es sofort und von allen Zustimmung zu dieser Idee gab. Die Prägung durch die bekannten Leitungsformen und ein eher traditio­nelles Kirchenbild, in dem der Pfarrer Dreh-und Angelpunkt der Seel­sorge und des kirchlichen Lebens vor Ort ist, waren deutlich wahrzu­nehmen. Dennoch hat die Abstimmung am Schluss eine mehrheitliche Zustimmung zur Erprobung ergeben.

In den Monaten danach wurde deutlich, dass es viel Klärung darum braucht, was Leitung eines Pfarrverbands heißt. In der Person des Pfarrers vermischt sich alles: Seelsorge, Personalführung, Leitungsauf­gaben, Verwaltungsaufgaben, Kirchenverwaltungsvorstand. Und so empfand es der damalige Pfarradministrator des Pfarrverbands Geisen­hausen durchaus als herausfordernd, die Leitungsaufgaben eines Pfar­rers zu beschreiben. Da es in Geisenhausen bereits einen Verwaltungs­leiter gibt, ist die Zuständigkeit für das operative Verwaltungshandeln, also die Zuständigkeit für Finanzen und Bau sowie die Verantwortung für das Personal der Kirchenstiftung, gut geregelt. In unterschiedlichen Gesprächssettings und mit manchem Input durch die Projektverant­wortlichen ist nach und nach ein Bild davon entstanden, was Leitung eines Pfarrverbands bedeutet.

Es wurde deutlich, dass es eine klare gemeinsame Idee davon braucht, was und woraufhin eigentlich geleitet werden soll. Es brauchte also ein gemeinsames Bild und eine gemeinsame Verständigung darauf, was, wozu und wie die Seelsorge und das kirchliche Leben in Geisenhausen eigentlich sind. Es erfolgte eine Beschreibung der pastoralen Situation vor Ort, ein zukunftsorientiertes Pastoralkonzept steht noch aus.

Nachdem klarer wurde, was Leitung eines Pfarrverbands bedeutet und was die Seelsorge und das kirchliche Leben in Geisenhausen ausmacht, wurde überlegt, wie Leitung wahrgenommen werden soll. Geht es darum, dass die einzelnen Pfarreien und Orte des Pfarrverbands vertreten sind, oder geht es um inhaltliche Schwerpunkte oder …?

In Geisenhausen hat man sich darauf geeinigt, dass die einzelnen Pfar­reien/Orte durch eine oder zwei Personen vertreten sind, um die jewei­ligen Eigenheiten weiterhin im Blick zu haben. Dabei geht es aber nicht um eine politische Vertretung der einzelnen Orte, sondern darum, auf der Basis der Erfahrungen und Traditionen aus den einzelnen Orten das Gemeinsame im Pfarrverband im Blick zu behalten. Auf dieser Basis wurden Ehrenamtliche gesucht und schließlich Ende Januar 2019 durch die gewählten Gremienvertreter/innen der Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungen im Pfarrverband Geisenhausen als Mitglieder des Leitungsteams gewählt.

Statt einem Pfarrer oder Pfarradministrator leiten jetzt fünf Personen auf der Basis einer klaren Aufgabenverteilung und bischöflichen Beauf­tragung als kollegiales Leitungsteam den Pfarrverband Geisenhausen: drei Ehrenamtliche (zwei Frauen und ein Mann) und zwei Hauptamt­liche (eine Gemeindereferentin und ein Priester).

Dabei war und ist es eine nicht unwesentliche Frage, ob sich Ehrenamt­liche für das Leitungsteam mit den gewünschten Kompetenzen und Fähigkeiten sowie den notwendigen zeitlichen Ressourcen finden. Zu­gleich ist es eine Anfrage an Hauptamtliche, die willens sein müssen, die Erprobung eines kollegialen Leitungsteams zu unterstützen, und die bereit sein müssen, an ihrer eigenen Rolle und beruflichen Identität zu arbeiten.

Und wie sind nun Leitungsaufgaben und -verantwortung im Pfarrver­band Geisenhausen konkret verteilt?

  • Der „Pfarrerplatz“ in den Pfarrgemeinderäten wird jeweils durch eine/n Ehrenamtliche/n besetzt, jedoch nicht in der jeweils eigenen Heimatpfarrei.
  • Die Aufgabe des Kirchenverwaltungsvorstands übernimmt die Gemeindereferentin.
  • Die Matrikel- und Siegelführung für die Urkunden übernimmt ein Ehrenamtlicher, die Aufgaben des Kirchenrektors werden durch eine weitere Ehrenamtliche wahrgenommen und die Sorge für die Feier von Sakramenten, Sakramentalien und Trauungen übernimmt der Priester im Team.
  • Für die Koordination der Pastoral in den Bereichen Verkündigung, Diakonie und Liturgie wurden Ansprechpartner/innen benannt. Diese Aufgaben werden jeweils zu zweit wahrgenommen. Angestrebt wurden hierbei jeweils Tandems aus Haupt- und Ehrenamtlichen. Auskunft über eine genaue Verteilung der Aufgaben und Zuständig­keiten gibt eine zweiseitige Aufgabenmatrix, die auch veröffentlicht ist.

Erste Erfahrungen

Bisher läuft es. Das bringt kurz und knapp auf den Punkt, wie das Lei­tungsteam vor Ort empfunden wird. Nach wie vor ist an Abstimmungs- und Kommunikationsthemen zu arbeiten, z. B. an den Schnittstellen zum Pfarrbüro. Immer wieder ist darauf zu schauen, wie und durch wen das Team nach außen wirkt und von außen wahrgenommen wird. Es dauert, bis traditionelle Verhaltensweisen und Bilder in anderen Insti­tutionen und gesellschaftlichen Gruppen sich verändern. Zunächst ist daher damit zu leben, dass vor allem der Priester im Team Einladungen zu offiziellen Terminen bekommt. Denn wieso sollte der Priester kein Pfarrer sein? Nicht nur hier ist es ein großer Gewinn, dass der Priester im Team um seine Rolle weiß und diese konsequent lebt. Er selbst ist von dieser Form der Leitung überzeugt, die unterschiedlichen Sicht­weisen und Erfahrungen im Team sieht er als Gewinn. Und schließlich ist darauf zu schauen, dass es für die Ehrenamtlichen nicht zu viel wird.

Weitere Pilotprojekte

Im südlichen Teil des Erzbistums, im Pfarrverband Feldkirchen-Höhen­rain-Laus, wurde am 6. Juni ein weiteres kollegiales Leitungsteam ge­wählt. Nach den Klärungen der Aufgabenverteilung wird es im Herbst an den Start gehen. In München laufen die Planungen und Vorüberle­gungen für ein kollegiales Leitungsteam im Pfarrverband Neuaubing-Westkreuz, einem großen Pfarrverband im Münchner Westen. Ende diesen bzw. Anfang nächsten Jahres soll dort ein kollegiales Leitungs­team die Leitung des Pfarrverbands übernehmen.

Resümee und Ausblick

Es ist noch zu früh, um sagen zu können: Mit dem Modell des kollegia­len Leitungsteams ist die Lösung für pfarrerlose Pfarreien und Pfarr­verbände gefunden. Jetzt geht es erst einmal darum, Erfahrungen zu sammeln sowie gewollte und nicht gewollte Wirkungen zu reflektieren. Den bisherigen gemeinsamen Entwicklungsweg hin zu den Leitungs­teams finde ich dennoch Mut machend. Die einzelnen Pilotprojekte von Anfang an mit Haupt- und Ehrenamtlichen gleichberechtigt auf Augen­höhe zu konzipieren, zu planen und schließlich umzusetzen ist für alle Beteiligten ungewohnt und neu, gerade auch, was die Schnittstelle zum Ordinariat betrifft. Mut machend ist für mich auch, dass damit Lern­prozesse gestartet werden, wie in der Kirche mit dem Thema Verant­wortung und Macht neu und anders umgegangen werden kann und dass die Getauften und Gefirmten in ihrer ihnen je eigen zukommenden Verantwortung für die Kirche vor Ort ernst genommen werden. Lern­prozesse finden auch dort statt, wo hauptamtliche Seelsorger/innen sich in neuen Rollen und Funktionen wiederfinden und diese reflek­tieren, wo sich relevante Stellen im Ordinariat und auch die zustän­digen Weihbischöfe mit ihren Teams in ihrer Rolle als Dienstleister, Unterstützer und Ermöglicher wahrnehmen.

Gemeinsam Kirche sein? Das kollegiale Leitungsmodell kann einen starken Beitrag dazu leisten und wird hoffentlich mit vielen positiven Erfahrungen zukünftig fester Bestandteil im Portfolio der Leitungs­modelle im Erzbistum München und Freising.