Inhalt

Pastoral und Geld

„Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“ So hat sich Shakespeare im „Kaufmann von Venedig“ mit dem Zusammenhang von Geld und Macht auseinandergesetzt. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen und deren Einsatz werden angesichts von geringer werdenden Finanzmitteln der Kirchen zu einem Thema der Pastoral.

Die aktuell geführte (Sommerloch-)Debatte um die kirchliche Trauung von Finanzminister Christian Lindner und Franca Lehfeldt in einer evangelischen Kirche auf Sylt hatte auch einen finanziellen Hintergrund. Darf man „Dienstleistungen“ der Kirche in Anspruch nehmen, auch wenn man selbst kein Mitglied (mehr) ist? Geht das dann auf Kosten derjenigen, die mit ihren Beiträgen die Kirche mitfinanzieren? Die Angelegenheit hat viele Ebenen und Facetten …

Im Erzbistum Köln entsteht derzeit der Eindruck, der Erzbischof wolle mit einer privat finanzierten Hochschule eine von ihm selbst stärker gestalt- und kontrollierbare Alternative zur staatlich finanzierten Fakultät der Universität Bonn schaffen – wobei einerseits offenbar der Ursprung der Mittel nicht klar ist, der tatsächliche Finanzbedarf nicht ausreichend durch diese Quellen gedeckt ist und andererseits die Sorge besteht, dass langfristig doch Kirchensteuermittel in erheblichem Umfange in das Projekt fließen müssen.

Darf man in der Kirche über Geld reden? Wo es herkommt, wofür es in welcher Höhe ausgegeben wird, wer das entscheidet und wie transparent die Entscheidungen darüber sind? Geld stinkt bekanntlich nicht; mit diesem Bonmot hat Kaiser Vespasian nicht nur einen Spruch für die Ewigkeit gesetzt, sondern zunächst eine Steuer auf die Toilettenbenutzung im antiken Rom legitimiert.

Derzeit wird der (erwartbare) Rückgang an Finanzressourcen in vielen Bistümern wieder einmal zum Menetekel. Die „Projektion 2060“ des Freiburger Forschungszentrums für Generationenverträge hat den Kirchen bescheinigt, dass sich die Kaufkraft ihrer Einnahmen bis 2060 halbieren werde. Diskussionen um den Finanzausgleich zwischen den Bistümern und um eine künftige Ablösung der Staatsleistungen bei kontinuierlich sinkenden Mitgliederzahlen durch Demografie und Austritte lassen zumindest für das eine oder andere Bistum dunkle Wolken am Horizont erscheinen. Allerdings scheint dies derzeit in großer Ungleichzeitigkeit zu geschehen: Manche Bistümer haben nach wie vor viele Mittel zur Verfügung, andere immer weniger. Es hängt wohl auch damit zusammen, zu welchem Maße die Einnahmen eines Bistums aus der Kirchensteuer herrühren oder ob zu einem größeren Teil alternative Einnahmequellen vorhanden sind. Insgesamt jedoch erlaubt die Diözesankirchensteuer den (Erz-)Bistümern in Deutschland immer noch eine Ausstattung, nach der sich Kirchen in anderen Ländern die Finger lecken dürften. Unser Nachbarland Frankreich kennt jedenfalls (mit Ausnahme des Elsass und von Lothringen) keine Kirchensteuer. Dort bröckeln die historischen Kirchengebäude vor sich hin, weil der laizistische Staat, dem die meisten Gebäude seit 1905 gehören, sich mit der Bauunterhaltung vornehm zurückhält. Die Priester fungieren zumeist als Feierabendpriester, weil sie wegen der unzureichenden Spenden und Zuwendungen durch ein „normales“ Gewerbe erst ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, bevor sie in der Pfarrei pastoral tätig werden können. Aber auch wenn man gerne auskömmlich versorgt sein will, gilt jedoch sicher nicht der Grundsatz: viel Geld – gute Pastoral, wenig Geld – schlechte Pastoral!

Der in der Vergangenheit lange anhaltende Überfluss ist offenbar (bald) vorbei. Und da man jeden Euro nur einmal ausgeben kann, derzeit die Inflation historisch hoch, die Zinsen historisch niedrig sind und Wirtschaft immer etwas mit Entscheidung über Verteilung und Allokation von Ressourcen zu tun hat, die einem zur Verfügung stehen, wird das Thema Pastoral und Geld zunehmend zu einem Thema der pastoralen Transformation.

Und auch wenn das, worum es der Kirche im Kern geht, nicht mit Geld aufzuwiegen ist – so verstehe ich die von Jesus gutgeheißene Verschwendung des Nardenöls im Wert des Jahreseinkommens eines Arbeiters zur Salbung seiner Füße durch die Frau (Mk 14,3–9) in Bethanien –, so hat das Thema Kirche und Geld bzw. Pastoral und Geld durch die Christentumsgeschichte hindurch die Gemüter erregt. Sei es, dass man sich über den „Schmarotzer“ Jesus echauffiert, der als „Fresser und Säufer“ oftmals zu Gast auf Gastmählern und Feiern war (vgl. Mt 11,19), sei es, dass Franz von Assisi mit dem hochmittelalterlichen Bettelorden eine sichtbare Kritik an einer reichen und mächtigen Kirche darstellte, sei es, dass die Reformation in der Renaissancezeit ihren Ausgang aus dem Verkauf von Ablassbriefen zur Finanzierung der Peterskirche nahm.

Es ist dieser Umgang mit Geld, der 2014 mit der sprichwörtlich gewordenen „goldenen Badewanne“ und dem Teich mit den Kois in der Limburger Bischofsresidenz zu massiven Kirchenaustritten geführt hatte. Es ist eben doch zu kommunizieren, was eine standesgemäße Repräsentation als Bischof ist und was sie kosten darf und sollte. Die feudalen Zeiten sind halt vorbei, als ein Wittelsbacher Pfalzgraf Ottheinrich von Pfalz-Neuburg die Staatsfinanzen des kleinen Fürstentums durch seine Schlossbauten in die Krise führte. Selbst der bayerische „Märchenkönig“ und Schlösserbauer Ludwig wurde letzten Endes von seinem Kabinett entmündigt, weil das Geld für die aufwändigen Projekte nicht mehr vorhanden war. Manches ist einfach nicht mehr vermittelbar, insbesondere, wenn es um gemeinschaftlich aufzubringende und einem bestimmten Zweck zuzuführende Mittel geht. Also, wieviel Geld braucht das Evangelium?

Was die Standards für Transparenz und Kontrolle der kirchlichen Haushalte angeht, so hat sich zumindest im Blick auf die Bistums- und Pfarreihaushalte wie auch die kirchlichen Stiftungen öffentlichen Rechts und die gemeinnützigen Vereine (bei diversen anderen kirchlichen Körperschaften weiß ich es nicht genau) die Aufstellung eines Haushaltsplans und die Prüfung der Jahresrechnung durch externe Prüfinstitute durchgesetzt. Auch die in den letzten Jahren erfolgte Umstellung der Buchführung auf Doppik trägt den Anforderungen von Planung und Auswirkung von Finanzierungsentscheidungen für den langfristigen Finanzbedarf Rechnung, z. B. von Instandhaltungsaufwendungen für Immobilien, Rückstellung für Pensionskassen etc. Die Kommunikation über Ausgaben scheint mir allerdings noch nicht so recht aussagekräftig, was die Grundoptionen für die Entscheidungen über Inhalt und Höhe der Ausgabetitel betrifft. Welche Ausgaben sich in den Hochglanzbroschüren und Flyern der Bistümer z. B. unter „Zentrale Dienste“, „Gottesdienst und Seelsorge“ etc. befinden, müsste eigentlich en detail nachgefragt werden. Der Teufel liegt ja bekanntlich im Detail.

Wir können hier nur einige Aspekte dieses weitläufigen Themas „Pastoral und Geld“ auswählen und beleuchten; wir gliedern diesen Beitrag nach den beiden klassischen kameralistischen Flussrichtungen des Geldes: Einnahmen und Ausgaben. Beides hat, wie man sehen wird, viel miteinander gemeinsam.

Einnahmen

Mitglieder und Kunden

Pastorale Vollzüge kosten Geld. In einem System von genügend Kirchensteuerzahlern, die für die nötigen Einnahmen sorgten, brauchte man sich über die Finanzierung von Personal, Gebäuden und Sachkosten für kirchliche und pastorale Vollzüge wenig Gedanken zu machen. Es sollte dabei noch einmal erwähnt werden, dass nicht alle Mitglieder Kirchensteuer zahlen: wenn sie keine oder wenige Einkünfte haben, z. B. Rentner:innen. Es gibt also manchmal Konstellationen, in denen der Löwenanteil von Kirchensteuereinnahmen von wenigen Zahlenden geleistet wird. Es kommt hinzu, dass viele zahlende „Mitglieder“, die aber dem gemeindlichen Leben fernstehen und in der Regel wenig oder keine „Leistungen“ in Anspruch nehmen, damit die kirchlichen Vollzüge querfinanzieren. In der Vergangenheit haben einige Bistümer Initiativen ergriffen, diese Mitglieder wertzuschätzen und als Zielgruppe eines positiven Marketings oder einer kommunikativen Mitgliederbindung in den Blick zu nehmen. So entstanden zum Beispiel Mitgliederzeitschriften wie das Magazin Bene des Bistums Essen. Es sind aber nicht nur solche Personen, die am kirchlich-gemeindlichen Leben nicht oder wenig teilnehmen, oder solche, die oft nach langen Phasen der Entfremdung einen Kirchenaustritt vollziehen, schlicht, weil sie angesichts von Einsparungen oder einer Kosten-Nutzen-Analyse ihre Austrittsentscheidung treffen. Es gibt auch die, die bewusst weiter die Angebote der Kirche (vor allem ist ihnen der soziale, kulturelle oder Bildungsbereich wichtig) mitfinanzieren, obwohl sie selbst am binnenkirchlichen Leben nicht teilnehmen. Ziemlich neu ist die Situation, dass Personen, die mit der Kirche hochidentifiziert sind und sich oft und lange verantwortlich eingebracht haben, nun wegen des sexuellen Missbrauchs, seiner vermeintlich schleppenden oder unzureichenden Aufarbeitung oder wegen nicht erfolgender Reformen durch ihren Austritt der Kirche ihren Finanzbeitrag entziehen wollen. Viele tun dies aus Gewissensgründen und nicht, um Einsparungen zu erzielen. Vermutlich sind diese Motive noch gepaart mit der Unzufriedenheit darüber, wenig Einfluss darauf zu haben, auf welche Weise die Beiträge durch die Kirche verwendet werden; darüber wird im weiteren Verlauf noch zu reden sein. Etliche Gläubige treten also derzeit aus der öffentlich-rechtlichen Kirchensteuergemeinschaft aus (nota bene: nicht aus der Glaubensgemeinschaft), um ihren Beitrag der Kirche zu entziehen. Der Verein um-steuern! Robin Sisterhood e. V. berichtet, dass immer mehr Kirchenmitglieder ihre bisher gezahlte Kirchensteuer zukünftig umwidmen möchten. Sie haben das Vertrauen verloren, dass die Kirche im Kontext Missbrauch angemessen agiert und/​oder dass die Kirche in zentralen Fragen wie Frauenemanzipation, Sexualethik, Verhältnis von Hierarchie und Getauften etc. reformierbar sei. Der Verein bietet an, die entsprechenden Zuwendungen den Betroffenen und Opfern von Missbrauch und Diskriminierung zukommen zu lassen. Damit wird überdeutlich, wie die zukünftige Finanzierung kirchlicher Arbeit auch von Fragen der grundsätzlichen Strukturen und Prozesse, aber auch von der Qualität der Pastoral vor Ort abhängig ist. Die Kirche ist somit nicht nur, was die Beteiligung angeht, sondern auch finanziell unter den Zustimmungsvorbehalt ihrer Mitglieder geraten. Damit entsteht ein Markt. Das Mitglied ist nicht nur zahlendes Mitglied, das einfach nur dazu beiträgt, damit die Kirche ihre Aufgabe machen kann. Das Mitglied erscheint auf einmal als qualitätsbewusste:r Empfänger:in einer pastoralen Leistung.

Ich vermute, dass die meisten Mitglieder des ADAC ihre Mitgliedschaft nicht um der Lobbyarbeit des Vereins für den Verkehr in Deutschland willen intendieren, sondern um der Leistungen willen, die der Verein seinen Mitgliedern bietet: z. B. Abschleppdienste, Vergünstigungen rund um das KFZ etc. Die Bindungsmotive verändern sich. Das ist erst einmal legitim und verständlich. Für die Kirche ist es zunächst auch zu begrüßen, wie ich weiter unten noch ausführen werde, in vielerlei Hinsicht aber auch nicht ganz unproblematisch. Theologisch deshalb, weil die Botschaft des Evangeliums unentgeltlich ausgerichtet werden muss, weil dieser Gott sich und sein Beziehungsangebot frei und verschwenderisch verschenkt und man sich den Himmel oder das Heil nicht „erkaufen“ kann. Auch rückt insbesondere das Handeln von Hauptberuflichen in einen Fokus von Dienstleistung, der die Mentalität von Angebot und Nachfrage, Anbieter und Kunden verstärkt.

Konkurrenz und Qualität

Die Anbieter-Kunden-Dynamik ist erst einmal eine verständliche Entwicklung in einer postindustriellen Bildungs- und Dienstleistungsgesellschaft, die vom ökonomischen Paradigma des Marktes so stark geprägt ist wie die gegenwärtige. Natürlich muss auf Qualität, Ästhetik usw. geschaut werden. Und es ist gut, dass qualitätsloses oder liebloses pastorales Handeln Auswirkungen hat. Bislang tut sich Kirche vor Ort immer noch schwer mit der positiven Gestaltung von Konkurrenzsituationen. Wenn die Gläubigen vorher kommuniziert bekämen, welcher Zelebrant welchen Gottesdienst leitet, so könnte es schon sein, dass sich die Gläubigen heraussuchen, wohin sie gehen und wohin nicht. Viele Pfarreien tun sich mit solch einer „Kundenmentalität“ schwer und brandmarken sie, veröffentlichen die Zelebranten nicht vorher mit der Begründung, es sei doch „egal“, welcher Priester dem Gottesdienst vorstünde. Ich will nicht falsch verstanden werden: Ich befürworte eine größere Freiheit der Gläubigen, dorthin zu gehen, wo sie auch das erhalten, was sie sich pastoral und geistlich erwarten, inhaltlich und qualitätsbezogen. So entsteht ein gewisser „Anpassungsdruck“, pastorale Vollzüge gut, qualitätvoll und teilnehmerorientiert vorzubereiten und durchzuführen. Es ist unbestritten, dass für die Steigerung der (Struktur-, Prozess- und Ergebnis‑)​Qualität pastoraler Angebote noch viel Luft nach oben ist. Eine Kirche, innerhalb derer sich positive Konkurrenzen ergeben, muss dann auch Qualität hauptberuflich (auch bei Ordinierten) und bei freiwillig Engagierten möglichst fördern und sichern. Das hat – wie wir spätestens seit Einführung der pastoralen Laienberufe nach dem II. Vatikanum wissen – weitreichende Auswirkungen auch auf das Verhältnis von Klerikern und Getauften, wenn nicht mehr primär der „Stand“ oder die Ordination zählt, sondern die Qualität der pastoralen Vollzüge von Predigt über liturgischen Gesang und Vortrag bis Seelsorgegespräch. Es besteht aber die Gefahr, dass die Kundenorientierung dazu führt, dass ich als Mitglied auch ein Recht auf diese oder jene „Dienstleistung“ geltend mache, weil ich ja Kirchensteuer bezahle. Problematisch wird es dann, wenn diese Erwartungen an ein System von Professionellen als Leistungsanbieter (Rituale, Liturgien, Bildungsveranstaltungen etc.) gerichtet werden, die einerseits immer weniger werden, andererseits von ihrer Grundorientierung und ihrem Kirchenbild her oft nicht dem Qualitätsgedanken entsprechen (wollen).

Schließlich besteht eine Spannung zwischen einer Kirche als hauptberuflich verstandenem Dienstleister (hier kommen die Priester, die hauptberuflichen Laienmitarbeiter:innen, in den evangelischen Kirchen die Pfarrpersonen als Dienstleister in den Blick) und einer Kirche, die sich als möglichst offene und mit fluiden und überwindbaren „Grenzen“ versehene Gemeinschaft von Getauften mit unterschiedlichen Begabungen, Kompetenzen, Beauftragungen und Rollen versteht, die als Volk Gottes als Ganzes das Subjekt der Pastoral darstellt (vgl. hierzu das weite Seelsorgeverständnis des Seelsorgepapiers der deutschen Bischöfe vom März 2022). In der Pastoraltheologie gewinnt man den Eindruck, dass nach dem sicherlich ambivalenten Hype der Communio-Theologie der 90er und anfangenden 2000er Jahre nun die kompetente Dienstleistung die alleinige Zukunftsform der kirchlichen Pastoral ist. Gemeinschaft und Dienstleistung (communio et ministratio, vgl. Gaudium et spes 4) sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, beides interpretiert sich gegenseitig.

Die Perspektive auf Dienstleistung, die Lieferanten- und Kundensysteme identifiziert und analysiert, zeigt aber auch, dass „Kunden“ der Pastoral nicht nur die „Mitglieder“ der Kirche sind. Gerade unter dem Fokus einer evangelisierenden Pastoral wollen ja auch viele die pastorale Praxis weiten: von der im engeren Sinne geistlichen Versorgungs- (z. B. durch Sakramentenspendung) und Betreuungspastoral pfarreilich „gebundener“ und in einer bestimmten Weise gemeindlich engagierter Mitglieder hin zu einem offenen System der kirchlichen Pastoral in zivilgesellschaftlichen Bereichen. Stilbildend dafür sind die Erfahrungen der Citypastoral, der Pastoral in gesellschaftlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, öffentlichen Schulen, Hochschulen, der Sozialpastoral, der lebensraumorientierten Stadtteilpastoral etc. Kirche soll „raus aus der Sakristei“ und das Evangelium mit den Menschen an unterschiedlichen Orten und in vielfältigen Räumen (Beziehungsnetzwerken) suchen, entdecken und kontextualisiert ausdrücken.

Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass die Marktsituation der pastoralen Dienstleistungen sich nicht nur innerhalb der verfassten Kirche abspielt. Mittlerweile werden Angebote, wie sie früher selbstverständlich von der Kirche gemacht und von den Menschen wahrgenommen wurden, von nicht-kirchlichen Anbietern oft besser angeboten. Und dies gilt nicht nur für Dienstleistungen, die nicht zum engeren Portfolio kirchlicher Performance gehören, die die Kirche irgendwann einmal „usurpiert“ hatte und wo dann naturgemäß die außerkirchliche Konkurrenz besteht wie z. B. bei Bildungs-, Freizeit- und Beherbergungsangeboten, bestimmten Kulturveranstaltungen etc. Gerade auch in den „Kernbereichen“ von Kirche, in der Seelsorge und in der (Ritual-)Begleitung, erwächst derzeit eine außerkirchliche Konkurrenz von Anbietern, z. B. freie Ritualbegleiter:innen und Redner:innen, freien Seelsorger:innen im Bereich des palliative care. Es wird deutlich, dass die Kirche auch für Bereiche, die sie bislang zu ihrem ureigenen Anliegen gezählt hat, für viele Menschen keine Deutungshoheit mehr besitzt. Das bedeutet, dass sie sich einerseits nicht abschotten darf, sondern auf dem größer gewordenen Markt positiv und qualitätvoll einbringen muss, anderseits in der Pflicht steht, „das Christliche“ in ihren Angeboten in unapologetischer, vielmehr kreativer und experimenteller Weise einzubringen.

Dienstleistung und Einnahmen

Die Verlagerung pastoraler Arbeit von Mitgliedern auf Kunden hat Auswirkungen auf die Finanzierung der kirchlichen Angebote. Einige evangelische Landeskirchen denken derzeit über eine Mitgliedschaft light nach, die Menschen zu Förderern der kirchlichen Arbeit macht, ohne von ihnen eine „Totalmitgliedschaft“ zu verlangen, bzw. über Kirchensteuernachlässe für junge Menschen, um sie vom Austritt abzuhalten. Allen diesen Denkmodellen ist gemeinsam, den bisherigen Konnex von Mitgliedschaft, Finanzierung und Nutzung zu lockern bzw. alternativ zu ermöglichen. Dazu gehört auch, bei bestimmten Leistungen Vergünstigungen für kirchliche Mitglieder anzubieten und Nichtmitglieder einen erhöhten Tarif zahlen zu lassen. Mit solch unterschiedlichen Beitragssystemen für Mitglieder und Nichtmitglieder wird bereits bei Gebühren für die Nutzung kirchlicher Einrichtungen experimentiert. Bei den Gruppentarifen für die Nutzung kirchlicher Bildungshäuser schon anerkannt, ist dies bei Schulen und Kindertagesstätten oder Pflegeeinrichtungen offenbar noch keine Realität.

Von Gebühren für im weitesten Sinne sakramentale oder rituelle „Angebote“ sollte jedoch Abstand genommen werden. Auch wenn der Hochzeitsmarkt für bestimmte professionelle Dienstleister, der sich mit astronomischen Preisen um den schönsten Tag des Lebens herum gebildet hat, die Kirche dazu verleiten könnte, selbst auch ein Stück von dem Kuchen für die Bereitstellung des würdigen Rahmens abzubekommen, da man sich als kirchliche Mitarbeiter:in oft als „für die Fassade benutzt fühlt“: Hier ist Zurückhaltung geboten. Auch wenn der Spruch richtig ist: Was nichts kostet, ist nichts wert, sollte der Wert einer liturgischen oder rituellen Feier nicht mit Geld aufzuwiegen sein. Allenfalls kann man um eine Spende für soziale Zwecke bitte, die bei einer solchen Gelegenheit wohl auch gerne gewährt werden wird. Die Kirche hat in ihrer Geschichte einfach zu viel Ballast mit der „Bezahlung“ von geistlichen Gütern auf sich geladen. Und immer noch fragt eine Dame, die im Pfarrbüro eine Messintention „bestellen“ will: „Was kostet denn die Messe?“ Messstipendien und Stolgebühren, die in einem System ohne Kirchensteuer den Unterhalt der Kleriker ermöglichen, sollten in Deutschland nicht mehr praktiziert werden.

In manchen pastoralen Situationen ist schon eine Abwägung zwischen Einnahmen und Aufwendungen in einer guten Weise pastoral abzuwägen und zu entscheiden: So erzählte mir ein Dompropst einer Domkirche, dass eine Hochzeit samstags vormittags die Domkirche eine Menge Geld „koste“, weil in dieser Zeit keine bezahlten Führungen stattfinden können und die Einnahmen aus Kerzen und Kartenverkauf ausfallen. Es bleibt manchmal ein Spagat.

Finanzierung und Beteiligung

Eine in guter Weise kombinierte Strategie von Beteiligung und Finanzierung ist zukünftig auch für pastorale Vollzüge das Gebot der Stunde. Über den Zusammenhang von Qualität und Teilnahme haben wir bereits anlässlich von einzelnen Angeboten wie Predigt, Gottesdienst etc. nachgedacht. Gleiches gilt natürlich auch im umfassenden Sinne von kirchlicher Performance: Ich werde die Grundvollzüge eines kirchlichen Gemeinschaftslebens wie Personal, Immobilien etc. viel eher gerne mitfinanzieren, wenn ich von deren Qualität und Attraktivität überzeugt bin. Natürlich scheiden sich die Geister, was das Ziel und die Qualität kirchlichen Lebens betrifft. Für den einen ist es die durch einen Priester möglichst rite gefeierte Messe in der außerordentlichen Form, die er gerne unterstützt, für die andere eine florierende Jugendarbeit oder ein dezidiert soziales Profil einer Pfarrei. Darüber muss man natürlich im Gespräch bleiben und es wird auch Prozesse der Scheidung und Ausdifferenzierung gehen, je nachdem, welches Profil sich ein kirchlicher Träger gibt.

Es ist hilfreich, einmal in eine andere kirchliche Finanzierungsrealität hineinzuschauen. In den USA gibt es keine öffentliche Kirchensteuer und keine territoriale Zuständigkeit einer Pfarrei für die Gläubigen. Dort ist aber auch die Konversionshäufigkeit größer als in Deutschland. Dies führt dazu, dass die einzelnen Pfarreien und Denominationen in (eine hoffentlich fruchtbare) Konkurrenz zueinander treten. Ich selbst habe in einer Pfarrei in Virginia einmal einen Sonntagsgottesdienst an einem „Finanzierungssonntag“ erlebt. Innerhalb einer für mich sehr attraktiven Liturgiegestaltung mit vielen beteiligten Diensten und einer hervorragenden Musik-Combo, die den Gesang anleitete, hielt der Priester eine zündende Predigt zur Finanzierung dieser ganzen wichtigen Dienste. Es schloss sich eine Zeit mit meditativer Klaviermusik an, in der die Gläubigen in einem vorbereiteten Formular ihre Kreditkartennummer und die Höhe der Zuwendung eintragen konnten. Mittlerweile ist vieles an Finanzierungsprozedere auch schon digitalisiert. Es ist verständlich, dass sich in einem Kontext wie in den USA ein Konzept von stewardship of time, talent and treasure (vgl. Franke 2019) entwickeln konnte, also ein Bewusstsein dafür stark ist, dass die Gläubigen mit ihren Begabungen, ihrer freiwillig eingebrachten Zeit in Diensten (ministries) und auch mit ihrem Geldbeutel Träger:innen und Verwalter:innen (so die direkte Übersetzung von stewardship) des kirchlichen Lebens sind. Aber auch hier gilt: Wenn die Höhe der Einnahmen als Kennzahl der Evangelisierung gesehen wird, wird man möglicherweise nicht der Komplexität kirchlicher Pastoral gerecht. In den USA ist die katholische Kirche denn auch sehr viel mehr pfarreiorientiert als in Deutschland. Aber es scheint so, als ob die Profilierung ihrer pastoralen Dienste und der Mitglieder- und Kundenorientierung wie auch des grundsätzlichen Marketings auch in Deutschland zunehmend zu einer Aufgabe wird.

Am heiß umkämpften Spenden- und Fundraisingmarkt haben Träger Erfolg, die ein gutes Produkt mit einer ansprechenden Formensprache gut kommunizieren können. Und dabei geht es nicht nur um eine attraktiv gestaltete Außendarstellung und Hülle, sondern um die Qualität der inneren Abläufe, der Strukturen und Haltungen. Je mehr Kirche auf alternative Finanzquellen zur Kirchensteuer angewiesen sein wird, desto mehr wird sie sich fragen müssen, wofür sie steht, wie sie kommuniziert und sich darstellt, welche ihrer Vollzüge und Angebote so attraktiv sind, dass jemand sie fördert, ob er/sie teilnimmt oder nicht. Für viele Einnahmequellen wie z. B. Sponsoring durch Dritte sind viele kirchliche Verantwortliche schlicht noch nicht gut aufgestellt. Und man wird auch genau schauen wollen, von welcher Organisation man das Werbebanner am Kirchturm hängen haben möchte …

Die Drittmittelorientierung kann natürlich auch zu extremen Situationen führen. So meine ich derzeit festzustellen, dass der Caritasverband, wohl bedingt durch die Verringerung der Bistumszuschüsse, auf verschiedenen Ebenen sich fast nur noch auf solche Projekte und Maßnahmen konzentriert, die zu möglichst großem Anteil – möglichst kostendeckend – von der öffentlichen Hand oder anderen Drittmittelgebern refinanziert werden. Was aus betriebswirtschaftlichen Gründen verständlich ist, kann aber auch dazu führen, dass bestimmte Bedürfnislagen, die nicht aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, außen vor bleiben und hier die Kirche eine Chance verpasst, ihr Profil vom Evangelium her und nicht von den Drittmitteln her schärfen zu lassen.

Bei Bildungs- und Exerzitienhäusern, die derzeit in den Bistümern in großem Stil zur Disposition stehen, wünschte man sich, dass es einerseits über die Grenzen von Bistümer hinaus zu Kooperationen kommt, um einzelne Häuser für die die Bistumsgrenzen überschreitende Klientel erhalten zu können. Zum anderen muss man wohl auch für Kostenwahrheit votieren: Während die auf Qualität und Aufwand bezogene Akzeptanz der Bildungs- oder Begleitungsleistung selbst unbestritten ist, scheint ein Problem in den Bereichen von Gastronomie und Beherbergungsleistung in kirchlichen Häusern zu liegen. Sie sind – u. a. durch besondere Tarif-, aber auch Prozessstrukturen – oft nicht kostendeckend und bleiben damit ein Zuschussgeschäft, das sich ein Bistum erst einmal leisten können und wollen muss. Möglicherweise ist nicht ein Kahlschlag in der ganzen Häuserlandschaft vonnöten, sondern ein intelligentes Auseinandernehmen dieser beiden Bereiche: Es könnten auch joint ventures mit professionell-privaten Beherbergungsbetrieben eingegangen werden, die diese Leistungen unter ihren Bedingungen kostendeckend und dennoch qualitätvoll anbieten können.

Ausgaben

In einer Zeit, die so stark wie die gegenwärtige von gesellschaftlichen und damit auch kirchlichen Transformationsprozessen geprägt ist, gewinnt die Frage zentrale Relevanz, wie viele Ressourcen auf den verschiedenen Ebenen (Pfarrei/Einrichtung vor Ort, mittlere Ebene/Dekanat, Bistum und nationale Ebene) in welchem Umfang auf welche Bereiche verteilt werden. Dabei scheint es nicht so zu sein, dass die Kriterien klar auf dem Tisch lägen und von den Verantwortlichen dann als Matrix für konkrete Entscheidungen herangezogen würden. So manches Bistum hatte sich in komplizierten und mehr oder weniger partizipativen Schleifen eines Erneuerungsprozesses einen inhaltlich-missionarischen Zielrahmen erarbeitet, im festen Willen und Vorsatz, diesen für die zukünftigen konkreten Entscheidungen über Personal, Finanzzuweisungen und Immobilien zur Grundlage zu nehmen. Ob dies in den jeweiligen Bistümern gelungen ist, vermag ich leider nicht valide zu sagen. Das müssen andere beurteilen.

Wie bewusst sind aber die mentalen Prioritäten und Posterioritäten, die den faktischen Distributionsentscheidungen zugrunde liegen? Es ist ja wie bei Watzlawicks Diktum über die Kommunikation: Man kann Ressourcen nicht nicht verteilen! Wer entscheidet darüber? Wie ist der Entscheider, sind die Entscheider:innen legitimiert? Und wie sind die entsprechenden Entscheidungsprozesse durch Beratung und Expertise vorbereitet und damit an den langfristig sich zeigenden Rahmenbedingungen, den pastoraltheologischen und religionssoziologischen Wahrnehmungen und daraus gewonnenen theologischen Optionen für die kirchliche und pastorale Entwicklung orientiert? Klar dürfte sein: Durch Ressourcenallokation erfolgt eine Lenkung und Steuerung der Pastoral nicht nur operativ, sondern auch taktisch und strategisch, ob man das will oder nicht. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die grundsätzliche Ausrichtung der Pastoral als des eigentlichen kirchlichen Auftrags in einem Bistum. Also: Das Schiff wird in jedem Falle von irgendjemandem irgendwie gesteuert (Kybernetik) – manchmal auch trotz Steuermann von den Winden hin- und hergetrieben. Und wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.

Manchmal gewinnt man jedoch den Eindruck, dass Finanzen und Verwaltung als „harte“ Faktoren im Gegensatz zu einer als „weich“ verstandenen Pastoral zum Selbstzweck werden („Ach ja, neben vielem anderen haben wir dann auch noch die Pastoral!“). Eine Kirche, die sich als sendungsorientiert versteht, sollte jedoch die Versuchung der Selbstreferentialität erkennen und ihr widerstehen und die Faktoren Ressourcen und Strukturen (Aufbauorganisation) und Prozesse (Ablauforganisation) in ihrem Bereich so gestalten, dass sie dem eigentlichen Auftrag dienen, so wie man ihn für sich versteht und als Leitbild formuliert.

Grundlegende strategische Ausrichtungen

Mir scheinen derzeit Klärungen wichtig zu sein, ob ein Bistum stärker in eine pfarreibezogene territoriale Pastoral oder in kategoriale Seelsorgefelder investiert. Dabei ist diese Unterscheidung eigentlich obsolet geworden: Die Pfarreiseelsorge ist schon längst nicht mehr flächendeckend auf ein Territorium bezogen und auch keine „normale“, allgemeine Seelsorge mehr im Vergleich zu Krankenpastoral oder ähnlichen Kategorien. Eigentlich kann man Pastoral angesichts der fortgeschrittenen Milieuausdifferenzierung überhaupt nur noch als kategoriale Pastoral denken. Jeder Gottesdienst, jede Veranstaltung einer Pfarrei oder eines Kirchortes „erreicht“ auch nur eine bestimmte Milieugruppe, auch wenn viele diesen inner circle oder closed shop immer noch als das Eigentliche von Kirche verstehen und dafür neue Teinehmer:innen werben wollen.

Analog ist auf dem Hintergrund von Kirchenentwicklung interessant, wie viel an Ressourcen in eine „herkömmliche“ und wie viel in eine als innovativ oder experimentell verstandene Pastoral fließen. Eine Citypastoral, die erst seit sieben Jahren besteht, muss sich in ihren Aufwendungen rechtfertigen und wird durch ein Institut evaluiert; die Abläufe, die seit Jahr und Tag am Dom dieser Stadt stattfinden, brauchen sich dagegen nicht hinterfragen zu lassen und werden keinem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Auf einer Tagung über die „Erprobungsräume“ als experimentelle Gestalten von Kirche, bei denen seitens der Evangelischen Landeskirche in Mitteldeutschland (EKM) die Finanzierung durch Drittmittel statt durch Kirchensteuermittel eines der sieben Kriterien ist, fragte ein Referent, warum sich eigentlich immer das Neue für seine Aufwendungen rechtfertigen muss, das Herkömmliche (parochiale Gestalten von Kirche) aber offenbar nicht. Auch Nachhaltigkeit wird in der Pastoral immer noch als Luxus oder Appendix gesehen und mutiert doch unversehens zu einer zentralen Zukunftsoption, die es auch pastoral einzuholen gilt.

Mir scheint, dass kirchliche Einrichtungen, die eher kirchenintern genutzt werden („Kerngeschäft“?), auch bei schlechterer Kosten-Nutzen-Analyse immer noch einen geringeren Legitimationsdruck haben als Einrichtungen oder Projekte, die fluider oder inklusiver sind, die Angebote für Menschen in zivilgesellschaftlichen Bereichen machen und nicht unbedingt und mehrheitlich zahlenden „Mitgliedern“ zugutekommen oder diese erst noch generieren wollen (z. B. Citypastoral, Sozialpastoral etc.). Etwas überspitzt formuliert: Ein Gemeindehaus kann die ganze Woche leer stehen, damit die Heizung an einem Tag der Woche für den Gemeinde-Skatabend oder eine Goldene Hochzeit hochgefahren wird. Wenn es aber darum geht, einer (nicht-kirchlichen) Selbsthilfegruppe einen Raum zur Verfügung zu stellen, sind das „die Fremden“, die eine Gebühr zahlen müssen.  Analog dazu scheinen Aufwendungen für Liturgie und Katechese kirchlich höher und unhinterfragter zu sein als Aufwendungen in sozialen und gesellschaftlichen Bereichen.

In den letzten Jahren konnte in vielen deutschen Diözesen ein Ausbau der mittleren Ebene (Ordinariat, Seelsorgeamt, bistumsbezogene Einrichtungen) beobachtet werden. Es ist sicher angesichts von geringeren Ressourcen zu prüfen, wie groß der Aufwand dieses „dispositiven Faktors“ gegenüber den Mitarbeitenden „an der pastoralen Basis“ ist und wie ein stärkeres Ineinandergreifen und produktiveres Verzahnen der Zuordnung und Kooperation der verschiedenen Ebenen und Funktionen (Personal und Pastoral, Öffentlichkeitsarbeit und Pastoral, Caritas und verfasste Kirche, Verwaltung und Pastoral …) zu erreichen ist, um hier effektiver und schlanker zu werden. Insgesamt scheint in der Pastoral eine bessere Ausnutzung vorhandener Potenziale, auch von Einrichtungen, und eine optimierte Abstimmung der Ziele und Aufgaben ein Gebot der Stunde. Auf der Ebene eines Bistums ist dies genauso entscheidend wie im Zusammengreifen der Bistümer überdiözesan und auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz, deren Rechtsträger VDD ja derzeit einen entsprechenden Aufgabenklärungsprozess unternimmt. Man darf gespannt sein.

Wer entscheidet wie über Ressourcenallokation?

Die zentrale Frage für die Zukunftsfähigkeit der Pastoral angesichts von Ressourceneinsatz scheint mir zu sein: Wer entscheidet über die strategische Ausrichtung und über deren Schwer- und Leichtpunkte? Ein Gespräch mit einem Mitglied des Kirchensteuerrates eines Bistums ergab die Information, dass ab einer bestimmten Ausgabenhöhe oder bei der grundsätzlichen Aufstellung des Haushaltes des Bistums die Zustimmung des Kirchensteuerrates erforderlich ist. Letztlich – so gab mein Gesprächspartner dann zu – könne man sich nicht ganz minutiös mit den Hintergründen der Ausgaben befassen, es sei also letztlich doch die Politik des Bischofs und seiner unmittelbaren Berater:innen, die die finanziellen und planerischen Prioritäten setzt. Dabei ist sehr unterschiedlich, wie die Meinung des jeweiligen Bischofs gebildet wird, welches Gremium ihn dabei wie berät und ob wirksame Mitbestimmung und Controlling des Bischofs, seines Generalvikars und Ökonomen stattfindet. Das Rottenburger Modell im Bistum Rottenburg-Stuttgart sieht nach der Gründung von Kirchengemeinderäten durch den (evangelischen) württembergischen König 1887 und durch die Gremienreformen nach dem II. Vatikanum durch Bischof Carl Josef Leiprecht 1968 eine Form der Mitbestimmung vor, in der auf verschiedenen Ebenen Pfarrer und Kirchengemeinderat, Bischof und Diözesanrat gemeinsam leiten und auch Ressourcenentscheidungen gemeinsam treffen. Das ist aber in der Bistumslandschaft in Deutschland ein Unikat, soweit ich das sehen kann. Und nach den aktuellen Äußerungen aus Rom zum Synodalen Weg, was Mitwirkung von Laien an Leitung in der Kirche betrifft, scheint es auch längerhin ein Unikat zu bleiben.

Pastorales Personal

Eine zentrale Ressource, in die auch der Löwenanteil der Finanzen einfließt, stellt das (pastorale) Personal dar. Manche Bistümer sind vielleicht derzeit ganz froh, dass der Personalbestand mangels Nachwuchs mittelfristig abschmilzt, weil sie auch weniger Einnahmen erwarten. Aber die Katze beißt sich auch hier in den Schwanz, denn wer soll zukünftig die pastorale Begleitungsarbeit übernehmen, selbst wenn man auf ein verstärktes freiwilliges Engagement in der Pastoral setzt?

Innerhalb der pastoralen Berufsgruppen gibt es, was Entscheidungen über Finanzbedarf betrifft, interessante Ausdifferenzierung. In vielen Bistümern galt lange zwischen der Zahl der Priester und der angestrebten Zahl hauptberuflicher Laienmitarbeiter:innen ein Quorum, das das zahlenmäßige Übergewicht an Priestern sicherte. Diese Zeiten sind vorbei. Die Priesterschaft stellt sich aber unter Finanzgesichtspunkten weithin als „heilige Kuh“ dar. Es müsste erlaubt sein nachzufragen, wie viel die gesamte Unterhaltung eines Priesterseminars für die wenigen Kandidaten kostet. Und wenn ein Bischof den Beitrag am gemeinsamen Regionalseminar leistet und seine Kandidaten zur Ausbildung dann doch an einen anderen Ort schickt, weil er vielleicht diese Ausbildung favorisiert, dann könnte man als Kirchensteuerratsmitglied schon mal nachfragen, ob eine solche Doppelfinanzierung langfristig tragbar und sinnvoll ist. Freistellungen zur Promotion war in der Vergangenheit ein Privileg für Priester. Als Pastoralreferentin konnte man nur davon träumen. In manchen Bistümern ändert sich das langsam. Aber man muss auch fragen, welche Zukunftsoptionen und welche Entwicklungsmöglichkeiten diese erworbene Kompetenz nach einer oft langfristigen Freistellung (wenn der Abschluss denn auch tatsächlich erlangt wird) in der Tat für das Bistum bietet. Auch der ganze Bereich der mietfreien Nutzung kirchlicher Immobilien (trotz Residenzpflicht) durch Kleriker könnte auf den Prüfstand gestellt werden. Um nicht missverstanden zu werden: Es soll hier nicht eine Neiddebatte zwischen pastoralen Berufsgruppen angefacht werden. Es wird nur deutlich, dass eine Transparenz der tatsächlichen Kostenwahrheit zu Tage fördern kann, welche Grundoptionen in der Pastoral leitend sind. Und in der Öffentlichkeit und für Menschen im Angestelltenverhältnis, die z. B. wegen der Pflege eines Angehörigen Sonderurlaub unter Verzicht auf Entgeltfortzahlung (§ 28 DVO [Dienstvertragsordnung der nordostdeutschen Bistümer]) der Sachbezüge beantragen müssen, ist es kaum mehr vermittelbar, wenn Erzbischof Woelki eine „geistliche Auszeit“ bei vollen Bezügen absolviert (vgl. Domradio vom 13.10.2021) und die Pressestelle des Erzbistums darüber informiert, dass die geistliche Auszeit ja immerhin kein Urlaub sei.

Schluss

Der Zusammenhang von Pastoral und Geld hat viele Facetten. Das Wohlstandsevangelium (Erfolgstheologie), das davon ausgeht, dass sichtbarer Reichtum und Besitz das äußerlich sichtbare Zeichen für Gottes Erwählung und Segen ist, gründet im calvinistischen Erwählungsdenken und greift derzeit von evangelikalen religiösen Kontexten ausgehend um sich. Das ist sicherlich eine extreme Form, theologisch und pastoral mit Geld umzugehen. Aber auch wenn man das außer Acht lässt, wird deutlich: Pastoral steht angesichts von Finanzmangel unter dem Diktum der Ökonomie. Einerseits ist es hilfreich, die Verteilungsmechanismen transparent zu machen und nach der Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und Legitimation heutiger Entscheidungsprozesse zu fragen. Auf der anderen Seite warnen Kritiker vor einem Kapitalismus als Religionsersatz: Ist das Geld für die Pastoral der neue Gott? Der Pastoraltheologe Rainer Bucher hat sich mit diesen Mechanismen ausgiebig beschäftigt (vgl. Bucher 2020). Seine These ist, dass die Kirche und ihre Pastoral den Markt annehmen, auf ihm bestehen, ihm aber nicht verfallen dürfen (vgl. Bucher 2017). Der Zusammenhang von Pastoral und Geld fordert dazu heraus, sich klarzuwerden, was man als Kirche pastoral will, und strategische Entscheidungen im Blick auf Theologie und Kirchenbild möglichst partizipativ zu treffen und umzusetzen.