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Kirchenentwicklung findet statt – was denn sonst?

Reaktionen auf Christian Hennecke

Aus dem Blickwinkel eines Gemeindeberaters und pastoralen Entwicklers kommentiert Andreas Fritsch das Papier von Christian Hennecke. Konse­quent und realistisch benennt er sowohl Verdienste als auch offene Fragen des Ansatzes der lokalen Kirchenentwicklung.

Christian Hennecke beschreibt in seinem Beitrag sehr eindrücklich den Entstehungsprozess, das Anliegen und die Herausforderungen, die mit dem Hildesheimer Verständnis lokaler Kirchenentwicklung einherge­hen. Er schildert die zentrale Bedeutung der Entfaltung der Taufwürde jedes Einzelnen und die hieraus resultierenden Anfragen und nächsten Schritte. Aber ist das alles wirklich neu und wo sind mögliche blinde Flecken? Und auf welche Wirklichkeit trifft dies in unseren Pfarreien?

Kirchenentwicklung ist dezentral

Es ist wohltuend zu lesen und zu erleben, dass eine zentrale Illusion und Fehleinschätzung der vergangenen Jahrzehnte in den Mülleimer der Geschichte gelangt. Selbstverständlich ist Kirchenentwicklung vor allem dezentral. Dies endlich wieder klar ausgesprochen zu haben, ist ein großes Verdienst von Hennecke und seinen Mitstreitern. In der Ver­gangenheit folgte man eher dem Muster zu glauben, dass in den Pfar­reien zwar eine tägliche Reflektion und ständige Weiterentwicklung der Pfarreiarbeit geschah (z.B. eine regelmäßige Aktualisierung der Erst­kom­­munionvorbereitung), diese aber weder grundsätzliche Fragen einer strategischen Entwicklung in den Blick nahm, noch eine kirchen­entwickelnde eigene Würde zugesprochen bekam.

Stattdessen wurde Kirchenentwicklung eher in Ordinariaten, z.B. in den beliebten diözesanen Gesprächsrunden der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt, als reine Strukturdiskussion geführt oder schlimmstenfalls als gar nicht notwendig angesehen.

Kirchenentwicklung findet statt und sie ist dezentral! Folgt man der Lo­gik der Sozialwissenschaften und ihrem Ansatz sozialer Milieus in Deutschland, kann in Anwendung des Begriffs der Ethnologie des All­tags das in Gaudium et Spes genannte Gesetz einer angepassten Ver­kündigung nur lokal gedacht werden (vgl. Gaudium et Spes Nr. 44: „Von Beginn ihrer Geschichte an hat sie gelernt, die Botschaft Christi in der Vorstellungswelt und Sprache der verschiedenen Völker auszusagen und darüber hinaus diese Botschaft mit Hilfe der Weisheit der Philoso­phen zu verdeutlichen, um so das Evangelium sowohl dem Verständnis aller als auch berechtigten Ansprüchen der Gebildeten angemessen zu verkünden. Diese in diesem Sinne angepasste Verkündigung muss ein Gesetz aller Evangelisation bleiben“).

Bei aller Wertschätzung dieser Erkenntnis reibt man sich beim Lesen schon bildlich gesprochen immer wieder ungläubig die Augen. Das soll jetzt neu sein? Diese Erkenntnis hat so lange gebraucht? Zur Ehrlichkeit gehört auch zu sagen: Dieser Sinneswandel ist dramatischen Verände­rungsprozessen geschuldet – Bistumsverantwortliche in vielen deut­schen Diözesen sind buchstäblich mit ihrem Latein am Ende. Die Pfar­reien noch größer zu ziehen ist schlichtweg vielerorts keine Alternative mehr. Dies beruht vermutlich auf mehreren Erkenntnissen. Angesichts des weiter zu erwartenden personellen Rückgangs bei den Priestern, aber auch vielerorts der Gemeinde- und Pastoralreferenten ist die Ein­sicht gestiegen, dass die pastorale Entwicklung, wenn sie denn weiter­hin nur diesen Zahlen folgt, sich nur als Abwärtsspirale denken lässt.

Gleichzeitig lässt sich eine Wiederentdeckung des Nahraumes in vielen gesellschaftlichen Kontexten beobachten: der Slogan der Agenda 21-Bewegung „Global denken – lokal handeln“, das bürgerliche Engage­ment für Anliegen im sozialen Umfeld bis hin zur Wiedereinführung lokaler Autokennzeichen, die im Rahmen der kommunalen Neuord­nung vor Jahrzehnten abgeschafft wurden etc. Dem Megatrend der Globalisierung wird das Bedürfnis nach Überschaubarkeit und Regiona­lisierung entgegengesetzt.

Bemerkenswert sind in diesem Kontext aktuelle Äußerungen des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck. Dort scheint die Frage nach Partizipation und der Betonung des gemeinsamen Priestertums unab­hängig von den pastoralen Strukturen in den Blick genommen zu wer­den. So wird Bischof Overbeck innerhalb einer Woche mit den Worten zitiert: „Pfarreien als Rechtskörperschaften werden in der Fläche wohl noch größer werden“ (Pressemeldung des Bistum Essen anlässlich einer Podiumsveranstaltung am 08. Juli 2013 in der Wolfsburg in Mülheim). Nur wenige Tage später setzt er das Zukunftsbild im Bistum Essen in Kraft, in dem es heißt: „Um eine nahe Kirche zu werden, entdecken wir unsere lokale Bedeutung als Christinnen und Christen neu und setzen sie in eigenverantwortliches Handeln um“ (Zukunftsbild im Bistum Essen, veröffentlicht am 13. Juli 2013).

Traut den eigenen Wegen – das Ende des Pastoraltourismus

Auf beeindruckende Art und Weise schildert Hennecke die vielfältigen weltkirchlichen Lernerfahrungen, die im Bistum Hildesheim in einem viele Jahre dauernden Prozess dazu geführt haben, für sich die Stich­wor­te Partizipation, Volk Gottes, Gemeinsames Priestertum und die zentrale Bedeutung des Wortes Gottes neu entdeckt zu haben. Gleich­zeitig beschreibt er mit dem Bild der Schnitt­­blu­­menpastoral sehr ehr­lich die in der Vergangenheit zu kurz gesprungenen Versuche einer Adaption bzw. Inkulturation dieser Ideen in unsere deutsche Wirklich­keit. Spätestens seit der kirchlichen Sinus-Milieu-Studie wissen wir, dass uns diese Inkulturation noch nicht einmal in die unterschiedlichen Lebenswelten der sozialen Milieus in Deutschland gelingen will. Als Ethnologen des Alltags taugen wir leider oftmals nicht.

Ich kann den Beteiligten nur raten, nun nicht einer erneuten Schnitt­blu­menpastoral zu erliegen, die darin besteht, sich nicht nur die zen­tralen Begriffe anzueignen, sondern darüber hinaus auch noch die Methodik und Symbolik der Kirchenentwicklung aus anderen kultu­rellen Kontexten anzueignen.

Es ist an der Zeit, den Pastoraltourismus zu beenden bzw. ihn umzu­lenken. Es liegt geradezu auf der Hand zu fragen: Kennen wir eigentlich unsere eigene pastorale Wirklichkeit so gut wie die Équipes in Poitiers, die Vielfalt unserer Realität so gut wie die Small Christian Communities in Südafrika oder auf den Philippinen? Wie wäre es mit Exkursionen nach Brunsbüttel, Salzgitter, Altötting, Meppen, Kiel oder Frankfurt/­ Oder? Wie wird dort lokale Kirchenentwicklung gelebt, welches Hand­werkszeug wird verwendet und ist dies der jeweiligen Realität angemes­sen? Und selbst das wäre zu kurz gesprungen, bliebe es dann bei einem deutschlandinternen Pastoraltourismus. Es braucht stattdessen eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem eigenen Sozial- und Lebens­raum, in dem eine katholische Pfarrei ansässig ist.

In der pastoralen Wirklichkeit sehe ich zwei große Defizite: Wir nehmen uns zu wenig Zeit für die Analyse der konkreten Situation, sondern be­we­gen uns zu schnell auf der Handlungsebene: Was müssen wir tun, um mehr Jugendliche für die Eucharistie zu gewinnen? ist die erste Frage. Man dürfte aber auch mal fragen: Wie lebt ihr eigentlich und was erwar­tet ihr von der Kirche? Das zweite Defizit steht nur auf den ersten Blick hierzu im Widerspruch. Trotz der beschriebenen schnellen Handlungs­orientierung kommt es zu keiner wirklichen Umsetzung. Wirklich Pastoral anders als bisher zu gestalten, neue Wege der Verkündigung jenseits volkskirchlicher Traditionen zu suchen und hierbei den Kate­gorien Trial and Error einen größeren Stellenwert einzuräumen und, wo nötig, auch gegen Widerstände Neues durchzusetzen, gelingt nur sel­ten. Für lokale Kirchenentwicklung kann das nur bedeuten, die Fähig­keit der differenzierten Wahrnehmung der Wirklichkeit in den Pfarreien zu stärken. Dies beinhaltet aber auch, die von Hennecke benannte Viel­falt zuzulassen, die auch bedeuten mag, dass lokale Kirchenentwick­lung so gar nicht den Vorstellungen derer entspricht, die sich hierfür diözesanweit stark machen.

Die Wirklichkeit sehen, lieben und annehmen – Kirche in Deutschland

Die Adaption bzw. in Variation vorgenommene Anpassung kirchlicher Entwicklungserfahrungen anderer Länder und Kontinente stößt auf eine deutsche Wirklichkeit, die sich wesentlich von der anderer Kontex­te unterscheidet. Hierzu einige wenige Anmerkungen: Das System der deutschen Kirchensteuer bringt zwei wesentliche Konsequenzen mit sich, die Prozesse lokaler Kirchenentwicklung maßgeblich beeinflussen. Die katholische Kirche in Deutschland ist, ebenso wie die evangelische, sehr reich. Unser Klagen über zumindest zwischenzeitlich zurückge­gan­gene Kirchensteuereinnahmen ist allenfalls ein Klagen auf höchstem Niveau. Die religiöse Infrastruktur ist bestens ausgebaut und dort, wo größere Investitionen notwendig sind, wird selbstverständlich erwartet, dass hierzu Kirchensteuermittel verwendet werden. Unser Kirchensteu­er­system führt zwangsläufig und in sich logisch zu einer ausgeprägten Dienstleistungserwartung der Zahler. Hier werden Marktlogiken, die jede/r aus anderen Kontexten kennt und erwartet, auf das System Kir­che übertragen.

Diese Erwartung an Kirche als Dienstleister ist nicht unanständig, stellt doch der Aspekt der Dienstleistung ein Wesensmerkmal von Kirche dar (der Geist führt nach Lumen Gentium Nr. 4 „die Kirche in alle Wahrheit ein, eint sie in Gemeinschaft und Dienstleistung, bereitet und lenkt sie durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben und schmückt sie mit ihren Früchten“). Die Beziehungsaufnahme zur Kirche und zur örtlichen Pfarrei wird ausschließlich individuell und im Regelfall rein biografieorientiert bestimmt. Die Kirche vor Ort ist eine stark bürgerlich geprägte. Ob sich dies durch die von Hennecke be­schrie­­­bene „Entdeckung“ weiterer kirchlicher Orte verändern wird, ist zumindest nicht absehbar. Trotz unterschiedlicher finanzieller Mög­lichkeiten ist Deutschland ein eher wohlhabendes Land mit einem in weiten Teilen funktionierenden Sozialsystem. Diese deutsche Wirk­lichkeit wahrzunehmen kann nur zur Folge haben, lokale Kirchen­ent­wicklung auf dieser Hintergrundfolie zu verstehen und zu realisieren. Meine Grundannahme ist, dass sich nur ein kleiner Teil unserer Katho­liken ihrer Taufwürde und des gemeinsamen Priestertums aller Ge­tauften bewusst ist (dies mag ja noch unstrittig sein), darüber hinaus aber auch gar nichts anderes erwartet, will und wünscht.

Renaissance oder neue Wirklichkeit?

Wenn einzelne Gruppen und Personen, Haupt- wie Ehrenamtliche nun für sich unter dem Label lokale Kirchenentwicklung die Volk-Gottes-Theologie neu entdecken, so ist dies im Letzten nichts anderes, was auch in den vergangenen Jahrzehnten immer und überall, mal mehr, mal weniger gut gelungen ist. Die Gemeindetheologie der 70er/80er Jahre hat auch auf größtmögliche Beteiligung und einen im Alltag spür­baren Glauben gesetzt. Sie verwechselte allerdings seinerzeit das Ziel mit der Form. Ziel war die Beteiligung und Integration in die Gemeinde und nicht die Entdeckung der Taufwürde. Die Kraft des Terminus „loka­le Kirchenentwicklung“ liegt womöglich darin, dass Entwicklung nach Neuanfang, Aufbruch und Fortbestand riecht und so einen wohltuen­den Kontrapunkt zur depressiven Grundstimmung vieler Pfarreien bietet. Im Kern steckt in lokaler Kirchenentwicklung aber auch nicht mehr als die Hoffnung der Vergangenheit, Christen mögen ihren Glau­ben doch stärker zu ihrer eigenen Sache machen. In der Fläche wird diese Hoffnung nicht Bestand haben. Das von Hennecke dargestellte Verständnis von lokaler Kirchenentwicklung trägt meiner Ansicht nach ein Missverständnis in sich. Zum einen weist er zu Recht darauf hin, dass lokale Kirchenentwicklung kein Programm, schon gar kein diöze­sanes ist, sondern eher eine Haltung zum Ausdruck bringt, gleichzeitig sind die nun verfolgten Instrumentarien (Gabenkurs, Kleiner Kirchen­kurs u.ä.) auch wieder nur Handwerkszeug, deren möglichst flächen­decken­de Verwendung nun die Wende zum Guten bringen soll. Die bereits formulierte Herausforderung sei noch einmal benannt: Darf lokale Kirchenentwicklung anders sein, als sich dies diözesane Teams vorstellen, wünschen und für richtig erachten?

Die Liebe für den kleinen Mann – den Zachäus in uns und anderen neu entdecken

In der Politik ist dann vom kleinen Mann, den kleinen Leuten zu Rede, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Durchschnittsbür­ger, Otto-Normal-Verbraucher gemeint ist. Meine vordringliche Sorge gilt diesem Otto-Normalverbraucher-Christ, der sich redlich bemüht, ein anständiger Mensch zu sein und dies aus einem womöglich diffu­sen, schwer zu formulierenden christlichen Ethos heraus. Er nimmt nur unregelmäßig an der Eucharistie und dem kirchlichen Leben teil, defi­niert seine Beziehungsaufnahme sehr individuell und ausschließlich biografisch orientiert und erwartet eine zeitliche und personelle Nähe von Kirche, wenn er sie braucht. Entschieden wird die Erwartung der Präsenz, der Nähe zu den Menschen, mit dem Urteil über die Existenz­berechtigung der Kirche verknüpft. Die große Herausforderung wird darin bestehen, für so genannte „Dienstleistungschristen“ punktuelle Anknüpfungspunkte zu schaffen, die eine Ahnung davon vermitteln können, was gemeinsames Priestertum aller Getauften in unter­schiedlichen Intensitäten bedeuten kann. Helfen hier die Stufen der Evangelisation nach Evangelii Nuntiandi weiter?

Die Neuentdeckung von Evangelii Nuntiandi lohnt auch aus einem anderen Grund. Bereits 1975 hat Papst Paul VI. den Kontext zwischen Taufwürde und Kirchenerneuerung deutlich herausgestellt. „Evangeli­sieren besagt für die Kirche, die Frohbotschaft in alle Bereiche der Menschheit zu tragen und sie durch deren Einfluss von innen her umzuwandeln und die Menschheit selbst zu erneuern: ‚Seht, ich mache alles neu!’ Es gibt aber keine neue Menschheit, wenn es nicht zuerst neue Menschen gibt durch die Erneuerung aus der Taufe und ein Leben nach dem Evangelium.“ (EN 18)

Die Bischöfe an ihre Priester – der Unterschied zwischen Wissen und Aktion

Im Herbst 2012 haben die Deutschen Bischöfe einen Brief an die Priester in Deutschland geschrieben. Dieser benennt zwei wesentliche Aufgaben des priesterlichen Dienstes: die Feier der Eucharistie und die Aufgabe, „den vielfältigen Berufungen, Diensten und Charismen im Gottesvolk zu dienen, sie zu wecken, zu begleiten, zu fördern und sie zur Zusam­men­arbeit und Einheit im Leib Christi zu führen.“ (Brief der deutschen Bischöfe an die Priester 2012, 6) Was macht es so schwierig, die so be­schriebenen zentralen Aufgaben des Weihepriestertums umzusetzen? Womöglich fehlt es an Handwerkszeug, wie das geht, Charismen zu fördern. Dies ließe sich durch eine veränderte Aus- und Fortbildung beheben. Fehlt es an der Einsicht, dass die Begleitung und Förderung der Charismen aller eine zentrale Aufgabe der Priester ist, könnte auch dies durch entsprechende Aus- und Fortbildung, womöglich auch eine veränderte Personalauswahl gelingen. Fehlt es hingegen an Willen, wird es zweifelsohne schwieriger: Dann sind Fragen des Selbst- und Fremd­bildes tangiert, Kirchenbilder und Amtsverständnis kommen in den Blick. Gibt es in unseren deutschen Diözesen gemeinsam getragene Überzeugungen zu den zentralen Aufgaben der Priester? Wenn sich das im Brief der Bischöfe an die Priester formulierte Priesterbild nicht zur rhetorisch, sondern faktisch durchsetzen würde, wäre ein entscheiden­der Schritt auf dem Weg zur Förderung lokaler Kirchenentwicklung getan. Um dem Verdacht der Priesterfixierung und Einseitigkeit zu entgehen, sei nur kurz angemerkt, dass ich hier bei den so genannten hauptberuflichen Laien ebenfalls großen Handlungsbedarf sehe.

Fragen

Anhand einiger Fragen möchte ich abschließend die aus meiner Sicht wesentlichen Aspekte fokussieren.

  • Lokale Kirchenentwicklung ist Kärrnerarbeit
    Lokale Kirchenentwicklung ist, wie jede Pastoral, zunächst einmal Alltagsarbeit mit all ihren kleinen und großen Erfolgen, Schwierigkeiten und geplatzten Hoff­nungen. Vor allem ist sie geprägt durch Fleiß, Geduld und Qualität. Sie er­schöpft sich nicht in guten Kursangeboten und selbstgenügsamen Gruppen, sondern muss sich im Alltag als tragend erweisen.
  • Lokale Kirchenentwicklung ist derzeit ein attraktives Label – es wird Neue geben
    Lokale Kirchenentwicklung ist gerade für Diözesen im nordwestdeutschen Raum aktuell ein attraktives Label, das aus der Lethargie der Struktur- und Finanzdiskussionen herausführt. Was kann dazu beitragen, dass es nicht nur Modeerscheinung bleibt, sondern wirklich zu einem Bewusstseinswandel führt?
  • Lokale Kirchenentwicklung muss die volkskirchliche Realität in weiten Teilen Deutschlands anerkennen
    Lokale Kirchenentwicklung muss eine Antwort finden auf differenzierte Erwar­tungshaltungen, mit denen wir in Deutschland konfrontiert werden. Das Stu­fenmodell der Evangelisation ist ein denkbarer Anknüpfungspunkt.
  • Lokale Kirchenentwicklung ist bürgerlich-intellektuell
    Lokale Kirchenentwicklung folgt offensichtlich derzeit einer bürgerlich-intellektuellen Logik. Wie geht lokale Kirchenentwicklung einfach, sinnlich erfahrbar?
  • Lokale Kirchenentwicklung und die Gefahr der Exklusivität
    Die Selbstverständlichkeit, mit der von Taufwürde und Taufgnade, Teilhabe und gemeinsamem Priestertum gesprochen wird, ist Segen und Herausforderung zu­gleich. Es entsteht ein eigener Sprachcode der Beteiligten, der – ob gewollt oder ungewollt - auch zu einer neuen Grenzziehung führen kann: Wir als die­jenigen, die verstanden haben, wie Kirche auf Zukunft gedacht werden kann und wie sie zu sein hat, und die anderen, die in traditioneller, volkskirchlich geprägter Struktur von Kirche leben und arbeiten. Auch diese neuen Wege Kir­che zu sein (die ja womöglich nur aus einer volkskirchlichen Perspektive der vergangenen Jahrzehnte überhaupt neu zu nennen sind!) sollten sich der Über­raschung und der kirchengründenden Kraft des Hl. Geistes nicht nur rhetorisch bewusst sein.
  • Welchen Zeichen der Zeit darf lokale Kirchenentwicklung nicht ausweichen?
    Der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher hat der kirchlichen Organisa­tions­entwicklung die Frage ins Stammbuch geschrieben, ob sie Räume erfahrbarer Gnade eröffnet bzw. die Chancen vergrößert, dass sich solche Räume in der Kirche eröffnen. Die sich hieraus ergebende Herausforderung für die kirchliche Organisationsentwicklung konkretisiert er folgendermaßen: „Ich schlage in diesem Zusammenhang vor, das ‚Kriterium der eröffneten Gnadenchance’ … konkret daran zu überprüfen, ob … die Chance steigt, neue Orte prophetischer Entdeckung der Gnade Gottes für das neue Leben in neuen Geschlechter­ver­hältnissen zu initiieren. … Die neuen Geschlech­ter­verhältnisse sind ein wirk­liches ‚Zeichen der Zeit’, sie sind daher ein Lackmustest.“ (Bucher 2008, 290f)

Wäre dies auf Zukunft nicht auch ein wichtiges Kriterium von Prozessen lokaler Kirchenentwicklung, ob sie neue Antworten auf die Frage der Ge­schlechterverhältnisse geben können?

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ (Hermann Hesse, Stufen)

Diesen Anfangszauber hat lokale Kirchenentwicklung. Sie kann ihn er­halten und verstetigen, wenn sie das bleibt, was sie nach Aussage von Hennecke derzeit ist: Pastorale Werkstatt! Bereit zur ständigen Über­arbeitung, Verbesserung, aber auch zum Verwerfen untauglicher Modelle.