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Zur Notwendigkeit eines theologischen Feminismus

Im kirchlichen Kontext sind Diskriminierungen von Frauen nach wie vor ver­breitet. Rechte und Chancen dürfen aber nicht davon abhängen, welchem Geschlecht man angehört. Ute Leimgruber plädiert daher für die Notwendig­keit nicht nur feministischer Theologien, die eine Neukonzeption von Theo­logie jenseits binärer Geschlechterstereotypen anzielen, sondern auch eines theologischen Feminismus, der strategisch für die tatsächliche Gleichheit aller Menschen an Wert und Würde eintritt.

„Die Thematik Frau in der Kirche ist die dringendste Zukunftsfrage“, formulierte am 4. März 2020 der Limburger Bischof Georg Bätzing, seit dem Vortag neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in einem Interview mit dem ARD-Morgenmagazin. Weiter sagte er: „Wir werden nicht mehr warten können, dass Frauen zu gleichen Rechten kommen“. Ein Auftakt, wie er für einen katholischen Bischof öffentlich­keitswirksamer kaum sein könnte. Wenige Wochen (und viele Diskus­sionen) später präzisierte Bätzing im Kölner Stadtanzeiger seine Aus­sage. Ja, es brauche die Gleichstellung der Frauen, noch einmal betont er, dass für ihn „die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche die ent­scheidende Zukunftsfrage“ sei. Die Forderung nach Gleichberechtigung von Frauen müsse aber von der Frage nach der Frauenweihe getrennt werden. Er persönlich als Mitglied einer Gesellschaft, in der fundamen­tale Gleichberechtigung unverzichtbar sei, könne zwar nicht sehen, „inwiefern darin ein Fehler liegen könnte, der das Leben der Kirche auf eine schiefe Bahn bringt“. Aber bei der Weihe sei eben – mit Blick auf Rom – „nichts zu machen“. Auch wenn der Bischof wohl einsieht, dass eine solche autoritative Haltung nicht mehr auf breite Akzeptanz stößt, und „dass diese Erklärung und ihre Argumente von weiten Teilen des Gottesvolks nicht mehr aufgenommen werden – nicht aus bösem Willen, sondern weil gute theologische Argumente dagegen stehen“, sieht er sich nicht in der Lage, den „guten theologischen Argumenten“ auch Taten oder zumindest entsprechende Statements folgen zu lassen. Bei allem Verständnis für die guten Argumente und den Glaubenssinn des Gottesvolkes: Er sei Bischof und „als solcher werde ich vortragen, dass sich das Lehramt der Kirche erklärtermaßen nicht für befugt hält, Frauen zu weihen“. Mit anderen Worten: Die Antwort auf die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit ist ein dezidiertes Ja-Aber. Gleiche Rechte für Frauen: Ja – aber in der Kirche enden sie beim sakramentalen Amt, und zwar qua Entscheidungsbefugnis des Lehramts, nicht wegen der guten Argumente.

Die Aussagen Bätzings, als Bürger dieser Gesellschaft für Gleichberech­ti­gung von Frauen, aber bei der Weihe gegen Gleichberechtigung von Frauen zu sein, legen die Widersprüchlichkeiten, in denen sich die Kir­che in der Frauenfrage befindet, symptomatisch offen. Bätzing hat ver­mutlich recht: Die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche wird die entscheidende Zukunftsfrage sein. Diese Frage ist keine neue Frage. Im Gegenteil.

Die Frauenfrage in der Kirche und die Feministische Theologie

Mit der ersten Welle der Frauenbewegung am Ende des 19. Jahrhun­derts kam die Frauenfrage auch in die Kirche. Im Zuge der Kämpfe um gleiche Rechte, u. a. Wahlrecht und Recht auf gleiche Bildung, entstan­den in Deutschland u. a. katholische Frauenverbände. Ellen Ammann gründete 1903/04 den Katholischen Deutschen Frauenbund und war von 1919 eine der ersten weiblichen Abgeordneten im Bayerischen Landtag. Die politische Frauenbewegung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts machte Geschlechtergerechtigkeit als spezifisch christliche Frage auch in der katholischen Kirche zu einem Thema. Es ging um die Nachfolge Christi, insbesondere im Blick auf die desaströ­sen Zustände in der Gesellschaft, die geprägt war von der Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten, von mangelnden Bildungsmöglichkei­ten und Versorgung im Fall von Krankheiten – und am ärgsten traf es Frauen und Kinder. „Nur wer (...) die Zusammenhänge der wirtschaft­lichen und sozialen Bewegung unserer Zeit nicht kennt, kann die Not­wendigkeit einer katholischen Frauenorganisation leugnen“, schreibt Ellen Ammann im Jahr 1903 (zit. nach Schmidt-Thomé 2020, 60).

Der Kampf um die Rechte der Frauen wurde fortgesetzt. In der sog. Neuen Frauenbewegung der 1970er Jahre ging es in den Ländern des globalen Nordens weniger um Gleichheit, sondern um Differenz und Befreiung: Man kämpfte u. a. für körperliche Selbstbestimmung und Räume zur persönlichen – frauenspezifischen – Selbstverwirklichung, gegen die patri­archale Vorherrschaft und gegen Frauen diskriminie­rende Gesetze. Das Bewusstsein, diskriminiert oder marginalisiert zu werden, fand zu dieser Zeit auch in den christlichen Kirchen Ausdruck. Es entstanden feministische Bewegungen, die nicht nur die patriar­chalen Systeme, sondern auch die Androzentrik christlicher Tradition und Gottesrede kritisierten. Die US-Amerikanerin Mary Daly brachte diese Kritik auf den Punkt: „If God is male, then the male is God“.

Auch im deutschsprachigen Raum entwickelte sich eine äußerst starke feministische Theologie, vertreten durch u. a. Elisabeth Gössmann, Catharina Halkes oder Elisabeth Schüssler-Fiorenza. Ihr Ansatz war befreiungstheologisch, von Frauen für Frauen. Im Wörterbuch der feministischen Theologie aus dem Jahr 1991 heißt es: „Feministische Theologie ist eine Theologie von feministisch orientierten Frauen, die das Patriarchat in Gesellschaft, Kirche und Zusammenleben erkennen, benennen, kritisieren und überwinden wollen. In der Feministischen Theologie stehen Frauen im Zentrum des Interesses; sowohl Glaubens- und Lebenserfahrungen von Unterdrückung, Verschwiegenwerden und Marginalisierung als auch von Befreiung und gelungener Menschwer­dung kommen in ihr theologisch zur Geltung. Feministische Theologie ist eine kontextuelle Theologie, die mit der Historizität von Lebens­situationen und der Begrenztheit von theologischen Aussagen rechnet. Sie ist keine Theologie der Frau, die ein abstraktes Wesen oder ein Wis­sen über etwas spezifisch Weibliches voraussetzt, sondern bei der Brüchigkeit weiblicher Identität ansetzt und starre Rollenzuschrei­bungen verwirft. Sie ist Kritik und Neuentwurf. Sie versteht sich nicht als Ergänzung traditioneller Theologie, sondern als Neukonzeption von Theologie überhaupt“ (Halkes/‌Meyer-Wilmes 1991, 102). Bis heute steht die theologische Reflexion vor der Notwendigkeit, nicht die Hälfte der menschlichen Erfahrungen auszublenden oder zu marginalisieren. Die differenzfeministische Sichtweise der frühen Jahre kann heute zwar nicht mehr uneingeschränkt vertreten werden, und dennoch ist klar: Christliche Gottesrede muss „dem zentralen Theologumenon der Erlö­sung für alle und damit der Gerechtigkeit für alle entsprechen“ (Fischer 2003, 12). Es braucht auch jetzt und in Zukunft eine feministische Theo­logie, die die befreiungstheologische Tradition fortsetzt und sich als kon­tex­tuelle Theologie versteht, ihr Anliegen bezieht sich auf alle theolo­gi­schen Disziplinen. Hatten Stefanie Rieger-Goertz und Silvia Arzt noch Anfang der 2000er Jahre festgestellt, dass „eine dezidiert inhaltliche Aus­einandersetzung Feministischer Theologie mit dem deutschsprachi­gen Kontext und mit ihrer gesellschaftlichen und geschichtlichen Reali­tät relativ am Anfang“ steht (Rieger-Goertz/‌Arzt 2003, 45), ist der kriti­sche Diskurs mit den Dominanzkulturen (B. Rommelsbacher) der deutschsprachigen Realität keine Seltenheit mehr, z. B. in den For­schungen zu Frauen in kirchlichen Leitungspositionen (Qualbrink 2019). Die feministische Theologie der Gegenwart ist sich zusätzlicher Marginalisierungstendenzen bewusst, die oft miteinander verwoben sind. Neben den Genderkategorien sind dies soziale, ethnische, ökono­mische oder kulturelle Kategorien (= Intersektionalität). Zu beobachten ist darüber hinaus z. B. die Verbindung mit postkolonialen Bewegungen und die Lektüre der postkolonialen Theorien, mit dem Ziel, Unterdrü­ckungsmechanismen zu identifizieren und so zu Befreiungserfahrungen zu gelangen (z. B. Dube 2000). Bestenfalls gelingt es dabei, die Welt im Licht des Evangeliums nicht nur anders zu sehen, sondern sie zum Bes­seren, zum Gerechteren zu verändern.

Mit Blick auf die derzeitige Situation der Kirche in Deutschland und den Synodalen Weg bedeutet das im Besonderen, sich theologisch und an­thropologisch mit den Analysekategorien der Gender Studies auseinan­derzusetzen. Die überzogene Differenzierung und essentialistische Bi­narität der Geschlechter, wie sie in weiten Teilen der katholischen Tra­dition gelehrt wird, ist u. a. mit Hilfe des Instrumentariums der Gender­forschung zu hinterfragen. In einem Atemzug damit ist der Gender-Be­griff zu enttabuisieren (Eckholt 2020, 55). Worin Bätzing recht hat: Die Fragen der Geschlechterbeziehungen, der pluralen Formen von Bezie­hungen und gelebter Sexualität, wozu auch die Anerkennung der Homo­sexualität gehört, und die Zusammenhänge mit der Rolle von Frauen und Männern in der Kirche sind entscheidende Zukunftsfragen. Denn veränderte Grundfragen der Anthropologie in der Theologie füh­ren zu einer gleichermaßen zukunftsfähigen und evangeliumsgemäßen Theologie – quer durch alle Disziplinen (von der systematischen Theo­logie, besonders der Sakramenten- oder Ämtertheologie, über kirchen­rechtliche bis hin zu praktisch-theologischen Fragestellungen wie de­nen nach Gemeindeleitung, Diakonie, Liturgie oder der Frage nach den Hin­tergründen von sexuellem und spirituellem Missbrauch). Es gibt gute theologische Argumente, die Geschlechterthematik so zu durch­denken, dass z. B. die Frage nach der Weihe jenseits der Bindung an ein Ge­schlecht begründet werden kann. Wirklich problematisch aber wird es, und hier sind wir wieder bei den Aussagen Bischof Bätzings, wenn die „guten theologischen Argumente“ nicht zu der Beendigung von Ex­klu­sionen, Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten führen.

Theologischer Feminismus

Ungleiche Rechte führen zu Diskriminierung. Dass Diskriminierung von Menschen dem christlichen Glauben widerspricht, hat die Kirche selbst auf einer ihrer höchsten Entscheidungsebenen, dem Zweiten Vatikani­schen Konzil, in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes so formu­liert: „Jede Form einer Diskriminierung (...) in den Grundrechten einer Person, sei es wegen des Geschlechts oder der Rasse, der Farbe, der ge­sellschaftlichen Stellung, der Sprache oder der Religion muss überwun­den und beseitigt werden, da sie dem Plan Gottes widerspricht“ (Gau­di­um et spes 29). Es gibt spätestens seit Papst Johannes XXIII. eine starke kirchliche Tradition, die die Aufgabe der Kirche darin sieht, Jesus Chris­tus und seine befreiende Liebe besonders da zu verkündigen und erfahr­bar werden zu lassen, wo Menschen Not leiden, wo ihre Menschenwür­de gefährdet ist, wo sie benachteiligt und in ihren Lebensmöglichkeiten beschnitten werden. Johannes XXIII. hat in seiner Enzyklika Pacem in terris (1963) die Frauenfrage als „Zeichen der Zeit“ angesehen, als Sig­num also, in dem die Präsenz Gottes aufgrund der Gefährdungsge­schichten der Menschen besonders herausgefordert ist. Margit Eckholt betont: „Die Gleichheit und Würde aller Glieder der Kirche stellt die grundlegende Norm im Verhalten der einzelnen Christ*innen zueinan­der dar. Frauen sind gleichberechtige Mitglieder des Volkes Gottes. Ihnen kommt, so die Kirchenkonstitution ‚Lumen gentium‘, die ‚volle Würde eines Christenmenschen‘ zu“ (Eckholt 2020, 51). Das kirchliche Lehramt hat mehrfach deutlich gemacht, dass Frauen häufig in beson­derem Maß von Ungleichbehandlung und Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts bedroht sind. Papst Franziskus schreibt in der Enzy­klika Evangelii gaudium: „Doppelt arm sind die Frauen, die Situationen der Ausschließung, der Misshandlung und der Gewalt erleiden, denn oft haben sie geringere Möglichkeiten, ihre Rechte zu verteidigen“ (EG 212) – und dass es kirchliche Aufgabe ist, dies zu bekämpfen. Allerdings: Der antidiskriminierende Fokus richtet sich vornehmlich auf das Außen der Kirche, nicht auf das Innen – diese Differenzierung wird auch in der eingangs angeführten Sicht Bätzings deutlich, wenn er die Gleichbe­rechti­gung von Frauen nicht auch im Blick auf das Weiheamt formulie­ren kann. Man mag nun diese Position der Kirche – Diskriminierung im Außen nein, im Innen schon – die ekklesiale Schizophrenie der Gottes­ebenbildlichkeit nennen: Im Innen führt die gleiche Würde aller Men­schen zu anderen Schlussfolgerungen als im Außen. Sicher, zunehmend versuchen Bischöfe auch in Deutschland, mehr Partizipation von Frau­en auf vielen Ebenen zu erreichen, inklusive Leitungspositionen. Das grund­legende Problem dabei aber bleibt: Die Asymmetrien, die in der Kirche bestehen und die zu Ungleichheit und Diskriminierung führen, sind nicht nur äußerliche bzw. strukturelle, sondern es sind fundamen­tale theologische Asymmetrien. Hand in Hand mit feministischen Theo­logien braucht es deswegen einen theologischen Feminismus. Nur durch eine fundierte theologische Reflexion (unter kritischer Einbezie­hung weiterer nicht-theologischer Wissenschaften) gelingt es, auf Diskurse und Situationen von Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu reagieren und gegen Unterdrückung und Diskriminierung vorzugehen. Während also die feministischen Theologien eine Neukonzeption von Theologie ent­wer­fen, die jenseits einer essentialistischen „Theologie der Frau“ in­klu­sive starrer Weiblichkeitsvorstellungen liegt, tritt theologi­scher Femi­nis­mus strategisch und gewissermaßen exekutiv – dabei wis­sen­schaft­lich begründet und epistemologisch fundiert – für die tatsächliche Gleich­heit aller Menschen an Wert und Würde ein und hinterfragt die kirchliche Praxis auf asymmetrische Geschlechter­verhältnisse hin. Gleichheit heißt nicht, dass es keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern gibt, sondern dass ihre Rechte und Chancen, ihre Ver­ant­wort­lich­keiten und Partizipationsformen nicht davon abhängen, ob sie weib­lichen oder männlichen Geschlechts sind (vgl. Azcuy 2017, 57). Es geht also darum, die Missstände und Wider­sprüchlichkeiten zu beenden, denn wie die Kirche konkret handelt, ist derzeit nicht mit dem zusam­men­zu­bringen, was im christlichen Men­schenbild – gleiche Würde und Rechte für alle – behauptet wird.

Feminismus und Kirche

Feminismus (zu Begriff und Geschichte: Karsch 2016) und katholische Kirche scheinen unvereinbar zu sein, insbesondere wenn man die ver­fasste Kirche und ihre Praxen betrachtet: Zumindest auf den ersten Blick sind Geschlechterfragen im Christentum oft eher Geschlechterant­worten, bei denen essentialistische Geschlechtertypologien wiederholt werden. Trotz der programmatischen Betonung der Gleichheit aller Menschen und der Ablehnung jeglicher Diskriminierung in theologisch und kirchenamtlich maßgeblichen Texten werden auf der Basis diffe­renztheoretischer Überlegungen Frauen als wesensgemäß anders dar­ge­stellt.

Die Zuschreibungen bleiben meist rollenkonform, den Frauen werden Stereotype bzw. das dem Mann (und damit dem Menschen) „Andere“ als gottgewollt zugewiesen. Papst Franziskus schreibt in Evangelii gau­dium: „Die Kirche erkennt den unentbehrlichen Beitrag an, den die Frau in der Gesellschaft leistet, mit einem Feingefühl, einer Intuition und gewissen charakteristischen Fähigkeiten, die gewöhnlich typischer für die Frauen sind als für die Männer. Zum Beispiel die besondere weib­li­che Aufmerksamkeit gegenüber den anderen, die sich speziell, wenn auch nicht ausschließlich, in der Mutterschaft ausdrückt“ (Evan­gelii gaudium 103). In der katholischen Kirche kommt es zu einer ver­häng­nis­vollen Verknüpfung der binären Geschlechterstereotypie mit hetero­nor­mativen Vorstellungen und der Organisation von Macht. Macht wie­de­rum ist im katholischen System theologisch und struktu­rell gekoppelt an das rein männlich besetzte Weiheamt – ein überaus wirkmächtiger Ausschlusszirkel. Im Nachsynodalen Schreiben Querida Amazonia (2020) schreibt Papst Franziskus: „Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters. Dieser Dialog zwischen Bräu­ti­gam und Braut, der sich in der Anbetung voll­zieht und die Ge­mein­schaft heiligt, sollte nicht auf einseitige Fragestel­lungen hin­sicht­lich der Macht in der Kirche verengt werden. Denn der Herr wollte seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesich­tern kundtun: das seines göttlichen menschgewordenen Sohnes und das eines weiblichen Geschöpfes, Maria. Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlich­keit der Mutter Maria weitergeben. Auf diese Weise bleiben wir nicht bei einem funktionalen Ansatz stehen, sondern treten ein in die innere Struktur der Kirche. So verstehen wir in der Tiefe, warum sie ohne die Frauen zusammenbricht (...) Hier wird sichtbar, was ihre spezifische Macht ist“ (101).

Darüber wäre eine intensive Debatte dringend angezeigt, diese kann allerdings im Rahmen dieses Artikels nicht entsprechend geführt wer­den. Deswegen fokussiere ich zwei Aspekte. Zum einen wird aus diesen Texten ein struktureller Nachteil offenkundig, nämlich dass den Frauen eine solche Zuschreibung umgekehrt keineswegs gestattet würde. In der Kirche sind es die Männer, die den Frauen ihren Platz zuweisen; die Frauen haben z. B. nicht die Möglichkeit, sich ihren Anteil an Macht und Führungspositionen selbst zu garantieren, ebenso wenig wie sie die Macht haben, semantische oder religiöse Konventionen zu verändern. Zum anderen wird die differenzorientierte Grammatik der Geschlechter in die Sakramentalität der Kirche so eingefügt, dass jegliche Veränder­lichkeit des kirchlichen Selbst unmöglich, ja als gegen den göttlichen Willen erscheint. Und hier liegen die substanziellen „roten Linien“ des kirchlichen Gleichberechtigungs-Ja-Aber. In der katholischen Kirche herrscht nach wie vor das Verständnis von gleicher Würde, aber nicht gleichen Rechten. Die Anthropologie der Gegenwart aber, mit ihren Werten von gleicher Würde und gleichen Rechten, beinhaltet in Konse­quenz ein Geschlechterverständnis, das die theologische und struktu­relle Architektur des Katholischen, die auf einer asymmetrischen Struk­turierung von „Männlich-Gebendem“ und „Weiblich-Empfangendem“ basiert, in Frage stellt. Dass Theologie auch anders zu denken ist, zeigt seit vielen Jahrzehnten feministische Theologie. Der Prozess, sie zu operationalisieren und für Partizipation und Gerechtigkeit einzustehen, hat bereits begonnen, nicht nur, aber auch im Synodalen Weg. Denn auch daran entscheidet sich die Glaubwürdigkeit der Kirche in Zukunft: ob das, was sie für das „Außen“ einfordert, auch im „Innen“ durchzuset­zen bereit ist. Dazu gehört, dass sich die Kirche von den diskriminieren­den, differenztheologischen Geschlechterzuweisungen verabschiedet. Das bedeutet: Es gibt keine spezifische „Würde der Frau“, keine spezifi­sche „Theologie der Frau“, keine spezifischen „Orte der Frau“. Frauen und Männer haben die gleiche Würde, betreiben gleichermaßen Theo­logie und sind an denselben Orten wichtig. Die Diversität der Schöpfung sollte an allen kirchlichen Orten abgebildet sein. Alles andere würde eine gender-ideologische Scheinwelt konstruieren. Anzustreben ist eine aktive und weitestmögliche Beteiligung von Frauen an den Entschei­dungsprozessen und in Gremien innerhalb der Kirche. Darüber hinaus braucht es eine tiefere kulturelle und inhaltliche Aufarbeitung und Veränderung, ein Um-denken im Sinne einer biblisch bezeugten „metà­noia“. Dazu gehört auch eine ehrliche Reflexion der ambivalenten Sub­texte jeglicher differenzierender „Rede von der Frau“ (die rasch misogyn zu werden droht, vgl. Manne 2019). Es braucht Schritte zur Über­win­dung der Geschlechter-Asymmetrien und Abwertungen, die den kirch­lichen Strukturen und Konventionen eingeschrieben sind. Dies sollte im Übrigen auch Teil einer jeden Missbrauchsprävention sein, die nicht nur soziales Verhalten beschreibt, sondern tieferes Verstehen fördert.

Theologischer Feminismus nimmt geschlechterspezifische Legitima­tionspraxen ebenso in den Blick wie die Faktizität ungleicher Teilhabe­chancen in religiösen Feldern – und liefert einen Beitrag, diese zu über­winden. Dies ist eine Frage, die im Innersten des christlichen Glaubens verankert ist, denn bei allem, so Margit Eckholt zutreffend, „geht es letztlich (...) darum (...), was dem Reich Gottes dient, weil dies der Horizont ist, der Frauen – und Männern – eine Anerkennung schenkt, an die unser aller Einsatz immer nur ansatzweise rühren kann, eine Anerkennung, die befreites und heiles Leben – in Fülle, ohne Ende – bedeutet“ (Eckholt 2020, 77).