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Der Tisch des Wortes

Die Liturgie ist ein wichtiger Ort für die Begegnung mit der Heiligen Schrift. Eberhard Amon arbeitet dieses missionarische Potential heraus, das erst das Zweite Vatikanum wieder gut zugänglich gemacht hat, das aber immer noch viel zu wenig geschätzt und genutzt wird.

„Von größtem Gewicht für die Liturgiefeier ist die Heilige Schrift“ (SC 24). Was uns heute selbstverständlich ist, war vor fünfzig Jahren aufsehenerregend. Im Diözesangesangbuch meiner Kindheit und Ju­gend stand der Wortteil der Eucharistiefeier unter der Rubrik „Vormes­se“ und ließ damit die Vermutung zu, die Verkündigung des Wortes Got­­tes sei ein Vorspiel, nach dem das Eigentliche erst beginne. Der litur­gische Vollzug unterstützte diesen Eindruck: Epistel und Evangelium wurden vom Priester mit leiser Stimme auf Latein vorgetragen, an Sonn­tagen lieferte ein „Vorbeter“ die deutsche Version. Dabei war die Auswahl mehr als schmal: Es existierte nur eine Lesereihe für Epistel und Evangelium, d. h. man hörte am entsprechenden Sonntag eines jeden Jahres dieselben Texte. Das Alte Testament kam dabei so gut wie gar nicht vor. So blieb der Eindruck: Was man nicht hörte und nicht verstand oder „aus zweiter Hand“ geboten bekam, konnte so bedeu­tungs­voll nicht sein.

Von Trient zum Zweiten Vatikanum

Nun also sollte die Heilige Schrift „von größtem Gewicht“ sein. Möglich geworden war eine solche Aussage durch ein neues Verständnis des Gottesdienstes der Kirche. Das Konzil von Trient (1545–1563) hatte bestimmt, dass alle Liturgien, die damals nicht älter als 200 Jahre wa­ren, durch den römischen Ritus zu ersetzen sind. Im Jahr 1570 gab Papst Pius V. das Missale Romanum heraus, das alle für die Messe notwendigen Texte enthielt und allgemein verpflichtend wurde. Zur Überwachung dieser Anordnung wurde 1588 die Ritenkongregation gegründet, die 1969 durch die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramen­ten­ordnung ersetzt wurde. Tatsächlich hat das System funktioniert: Die ersten Änderungen im Missale Romanum – sie betrafen die Feier der Osternacht und die Heilige Woche – wurden 1951 beziehungsweise 1955 vorgenommen.

Diese Entwicklung zur Einheitsliturgie hatte zumindest zwei Konse­quen­zen: Zum einen konnten die Gläubigen mit dieser Liturgie immer weniger anfangen. Sie verstanden die Sprache nicht und sahen von der ganzen heiligen Handlung – wenn überhaupt! – nur den Rücken des Priesters. Da sie also in unserem heutigen Sinne nicht „mitfeiern“ konnten, suchten sie nach anderen frommen Beschäftigungen wie Ro­sen­kranz oder Andachten, die sie während der Zelebration des Priesters verrichteten. Daneben wurden vielfältige andere Formen gottesdienst­lichen Feierns geschaffen, vor allem Prozessionen, Andachten und Wall­fahrten, die den Gläubigen von Art und Kultur her zugänglich waren.

Die andere Folge der tridentinischen Reform war die Änderung des Blickwinkels vom Inhalt zur Form. Der korrekte äußere Vollzug wurde immer bestimmender. Damit eine liturgische Feier gültig ist, muss sie rite et recte vollzogen werden. Liturgie ist der Gott geschuldete Kult, der durch den Klerus zur Verehrung Gottes durchgeführt wird. Das kirch­li­che Rechtsbuch, der Codex Juris Canonici von 1917, widmet dem Gottes­dienst lediglich einen Artikel und formuliert in can. 1256: „Wenn der Kult im Namen der Kirche von dazu legitimierten Personen und durch einen von der Kirche eingesetzten Akt [zu Ehren] Gottes, der Heiligen und Seligen ausgeübt wird, heißt er öffentlicher Akt, wenn nicht priva­ter.“ Das sind nur wenige Worte mehr, als zur Aufbewahrung des Taber­nakelschlüssels gesagt wurde!

Das Ergebnis dieser vierhundertjährigen Entwicklung fasst Joseph Ratzinger zusammen: „Kern dieser Maßnahmen war die Zentralisierung aller liturgischen Kompetenzen bei der Ritenkongregation, dem post­kon­ziliaren Organ zur Durchführung der liturgischen Idee von Trient. Diese Maßnahme erwies sich jedoch als zweischneidig. Neue Wuche­rungen wurden auf diese Weise zwar in der Tat verhindert, aber das Geschick der abendländischen Liturgie war nun an eine streng zentra­listisch bestimmte und rein bürokratisch arbeitende Behörde gebunden, der es gänzlich an historischem Blick gebrach und die das Problem der Liturgie rein rubrizistisch-zeremoniell, sozusagen als Ordnungsproblem der Hofetikette des Heiligen ansah. Diese Bindung bewirkte im folgen­den eine völlige Archäologisierung der Liturgie, die jetzt aus dem Stadi­um lebendiger Geschichte in dasjenige der reinen Konservierung über­führt und so zugleich zum inneren Absterben verurteilt war. Die Litur­gie war zu einem ein für allemal abgeschlossenen, fest verkrusteten Gebilde geworden, das den Zusammenhang mit der konkreten Fröm­migkeit um so mehr verlor, je mehr man auf die Integrität der vorgege­benen Formen achtete“ (Ratzinger 1965, 18 f.).

Zu Beginn der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanums steht der programmatische Satz: In der Liturgie vollzieht sich das Werk unserer Erlösung (vgl. SC 2). Und weiter: „Um dieses große Werk voll zu verwirk­lichen, ist Christus seiner Kirche immerdar gegenwärtig, besonders in den liturgischen Handlungen“ (SC 7). Der Unterschied könnte nicht größer sein: Dort handelt der Mensch an Gott, der daraufhin seine Gna­de schenkt; hier handelt Christus am Menschen, der ihm im Glauben antwortet.

Unter den Gegenwartsweisen Christi in der Liturgie betont das Konzil seine Gegenwart im Wort, „da er selbst spricht, wenn die heiligen Schrif­ten in der Kirche gelesen werden“ (ebd.). Darum ist die Heilige Schrift „von größtem Gewicht für die Liturgiefeier“ (SC 24), weshalb „die Schriftlesung reicher, mannigfaltiger und passender ausgestaltet“ (SC 35,1) und „der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet“ (SC 51) werden soll. Die „Schatzkammer der Bibel [soll] weiter aufgetan wer­den, so dass innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die wich­tigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volk vorgetragen werden“ (SC 51). Das Ergebnis dieser Anordnung war die Einführung dreier Lesejahre für die Sonn- und Festtage und der beiden Jahresreihen für die Wochentage sowie die Wiederentdeckung des Antwortpsalms.

Während diese Neuerungen überall in der Welt begeistert aufgenom­men und umgesetzt wurden, stießen sie im deutschen Sprachgebiet auf Skepsis. Hier wurde der Indult eingeholt, bei einem pastoralen Notfall an einem Sonn- oder Festtag auf einen Teil der Verkündigung verzichten zu dürfen. Man fragt sich, warum im Gegensatz zum Rest der katholi­schen Welt ausgerechnet bei uns flächendeckend und permanent ein pastoraler Notstand geherrscht haben soll. Das hat sich mancherorts schon so weit verfestigt, dass die beiden Lesungen als Alternativen verstanden werden.

Muttersprache

Damit die Lesungen aus der Heiligen Schrift von den Gläubigen verstan­den und für das Leben fruchtbar werden konnten, war die Zulassung der Muttersprache in den liturgischen Feiern unabdingbar. Das Konzil drückte sich auf der einen Seite sehr zurückhaltend aus („Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben“ [SC 36 § 1]), auf der anderen im selben Artikel äußerst großzügig (es soll „gestattet sein, ihr [sc. der Muttersprache] weiten Raum zuzubilligen“). Das Pendel schlug schon in der Arbeit des Consilium zur Umsetzung der Liturgiekonstitution eindeutig zugunsten der Muttersprache aus. Das löste eine ungeheure Dynamik aus: In rascher Folge erschienen – zu­nächst als Studienausgaben – liturgische Bücher in deutscher Überset­zung. Neue liturgische Dienste (Lektor, Kantor, Kommunionhelfer) ent­standen, denn „bei den liturgischen Feiern soll jeder, sei er Liturge oder Gläubiger, in der Ausübung seiner Aufgabe nur das und all das tun, was ihm aus der Natur der Sache und gemäß den liturgischen Regeln zu­kommt“ (SC 28).

Biblische Texte in der Messfeier

Neben den Lesungen aus der Heiligen Schrift enthält der Messordo eine Fülle von Bibeltexten und -zitaten: Das Kreuzzeichen zu Beginn ver­weist auf den Taufbefehl (Mt 28,19), der liturgische Gruß auf 2 Thess 3,16, die Antwort der Gemeinde auf 2 Tim 4,22. Das Kyrie findet sich in Mt 9,27, der Beginn des Gloria in der lukanischen Weihnachtsgeschichte (2,14). Der Dialog am Ende der Lesungen steht bei Jeremia (23,36: Wort des lebendigen Gottes) und 2 Kor 9,15 (Dank sei Gott). Die Begleitgebete zur Gabenbereitung nehmen Zitate auf aus Jdt 13,18 (Gepriesen bist du), Joh 6,35 (Brot des Lebens), Dan 3,52 (Gepriesen bist du in Ewig­keit), 1 Petr 2,5 (Opfer, die Gott gefallen). Eine bedeutende Stellung nimmt das Sanctus ein, das Jesaia 6,3 zitiert als Gesang der himmlischen Scharen. Es wird ergänzt durch das Hosanna beim Einzug Jesu in Jerusa­lem (Mt 21,9). Die Wandlungsworte finden sich bei Paulus (1 Kor 11,23–25), der Friedensgruß bei Johannes (14,27). Das Vaterunser hat Jesus seinen Jüngern gelehrt (Mt 6,9–13). Das Agnus Dei verweist auf Joh 1,29, „Herr, ich bin nicht würdig“ spricht der römische Hauptmann in Kafarnaum (Mt 8,8). Mit einem Bibelzitat begann die Feier der Eucharistie, mit einem anderen endet sie: „Gehet hin in Frieden“ (Mk 5,34).

Die wenigsten Gläubigen dürften sich dieser Fülle bewusst sein. Hier liegt ein großes Potential, den biblischen Ursprung liturgischer Texte zu erschließen und zu deuten. Nicht zuletzt könnten sie Appetit machen, Gottes Wort in der Heiligen Schrift näher und besser kennenzulernen.

Vielfalt der Gottesdienstformen

Die Vielfalt der Gegenwartsweisen Christi in der Liturgie ist die Grund­la­ge für die unterschiedlichen gottesdienstlichen Feierformen. Die Eu­charistie ist auch deshalb die Hochform christlichen Feierns, weil sich in ihr alle von der Liturgiekonstitution genannten Gegenwartweisen Chris­ti ereignen: Im priesterlichen Dienst, unter den eucharistischen Gestal­ten, in den Sakramenten, in seinem Wort und in der versammelten Ge­meinde (SC 7). In den Jahren der nachkonziliaren Reform war man von der Hochform so fasziniert, dass andere Formen – wenn überhaupt – nur noch als Randerscheinungen wahrnehmbar waren. Man folgte der Logik: Weil die anderen Feierformen nur Ersatzformen für die von den Gläubigen nicht mehr verstandene Messe waren, sind sie nach Einfüh­rung der Muttersprache überflüssig. Andachten (vielleicht außer Kreuz­weg- und Maiandachten) starben aus, die Tagzeitenliturgie setzte sich nicht durch (außer einer Vesper an Weihnachten, Ostern und Pfingsten).

Für das Leben der Gemeinden erweist sich diese Entwicklung als eine Verarmung. Es gibt keine Hochform ohne eine sie tragende Basis. Das Beten des Einzelnen, das Beten in Gemeinschaft, die gottesdienstlichen und liturgischen Feiern gehören zusammen und bedingen einander. Die derzeitigen pastoralen Umbrüche bieten eine Chance, die geschilderte Entwicklung zu korrigieren: Wo keine Eucharistie gefeiert werden kann, soll nicht einfach nichts sein. Es sollte angestrebt werden, dass in jeder Pfarrkirche an jedem Tag eine gottesdienstliche Feier stattfindet. An Wochentagen bietet sich die Gelegenheit für Gruppen innerhalb der Ge­meinde, ihren Gottesdienst zu gestalten und zu feiern. Dabei gilt der Grundsatz: Je weiter sich ein Gottesdienst von der gemeinsamen Sonn­tagsmesse entfernt, desto freier ist die Gestaltung. Die engsten Grenzen setzt die sonntägliche Gemeindemesse. Aber auch hier kann es nicht dar­um gehen, „römische Einheitsliturgie“ zu vollziehen. Es soll die römisch-katholische Eucharistie einer konkreten Gemeinde sein. D. h., der Priester soll neben den feststehenden Elementen (davon gibt es gar nicht so viele!) aus denen zur Auswahl diejenigen verwenden, „die un­ter Berücksichtigung der konkreten Situation der Gemeinde die volle und tätige Teilnahme aller ihrer Glieder am ehesten ermöglichen und dem geistlichen Wohl der Menschen am besten entsprechen“ (AEM 5). Dabei soll er „mehr das geistliche Wohl der mitfeiernden Gemeinde als seine eigenen Wünsche vor Augen haben“ (AEM 313). Bei nicht-eucha­ristischen Gottesdiensten ist der Rahmen offener und die Gestaltungs­möglichkeiten sind variabler. Dabei gibt es eine gestufte Feierlichkeit: Eine Sonntagsmesse unterschiedet sich von einer am Wochentag, die Ostervesper von der an einem Mittwochabend.

Vor diesem Hintergrund ist es auch möglich, Feierformen zu entwi­ckeln, die dem veränderten Umfeld und den unterschiedlichen Lebens­wirklichkeiten Rechnung tragen. So entstehen neue gottesdienstliche Formen, „niederschwellige“ Angebote, „präkatechumenale“ Formen, die Menschen erreichen können, die „religiös unmusikalisch“ (gewor­den) sind. Ausgehend von der Frage: „Wie kann Christusgegenwart erfahren werden?“ ist hier das Potential längst nicht ausgeschöpft.

Wort-Gottes-Feiern

Das Konzil selbst hat eine Gottesdienstform auf den Weg gebracht, die es in dieser Weise bislang nicht gegeben hat: „Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste an den Vorabenden der höheren Feste, an Wochen­tagen im Advent oder in der Quadragesima sowie an den Sonn- und Feiertagen, besonders da, wo kein Priester zur Verfügung steht“ (SC 35,4). Aus dieser als Vorbereitung und Vertiefung der Eucharistie­feiern in geprägten Zeiten gedachten Feier hat sich die Wort-Gottes-Fei­er (celebratio Dei verbi) entwickelt. Sie ist eine eigenständige Feierform, kein Vorspann für oder Anhängsel an etwas Anderes. In ihr steht die Verkündigung und Deutung des Wortes Gottes eindeutig im Mittel­punkt. Unter dem Aspekt einer missionarischen Pastoral kommt ihr eine besondere Bedeutung zu, zumal sie im ökumenischen Kontext problemlos anschlussfähig ist. Dass die pastorale Situation dazu zwingt, die sonntägliche Eucharistie durch eine Wort-Gottes-Feier zu „erset­zen“, ist theologisch keinesfalls unproblematisch. Mangels struktureller und institutioneller Alternativen bietet sie den Gläubigen indes die Möglichkeit, gemeinsam Gottes Wort zu hören und im Glauben zu antworten.

Tagzeitenliturgie

Es war der Wunsch des Zweiten Vatikanums, dass das Stundengebet zum Gebet des gesamten Gottesvolkes wird (vgl. SC 84; 87). Wie keine andere Gottesdienstform bestehen die Horen der Tagzeitenliturgie in der Hauptsache aus Texten der Heiligen Schrift. Man könnte die Tagzei­tenliturgie mit Fug und Recht als gebetet oder (besser!) gesungene Bibel bezeichnen. Von daher ist es umso bedauerlicher, dass sich diese Gottes­dienstform in der großen Mehrzahl unserer Gemeinden nicht durchge­setzt hat. Vielleicht erzwingt der Priestermangel ein Umdenken: Wo eine Eucharistie nicht mehr gefeiert werden kann, soll sich die Gemein­de zu einer anderen liturgischen Feier versammeln. Hier bietet sich die Tagzeitenliturgie an: Sie braucht keine ordinierte Leitung und kann auch mit wenigen Gläubigen gefeiert werden. Das neue Gotteslob bietet eine Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. So finden sich nicht nur Mo­delle für die großen Horen Laudes und Vesper, sondern auch alternati­ve, leichter zu bewältigende Formen wie Morgen- und Abendlob, Statio und Nachtgebet.

Homilie

Zur Verkündigung des Wortes Gottes gehört seine Auslegung in Homilie und Predigt. Ich habe noch erlebt, dass die Predigt zwischen zwei Mes­sen gehalten wurde. Fand sie innerhalb der Messe statt, wurden die Ker­zen gelöscht und der Priester legte die Kasel ab: Die Predigt war kein Teil der Liturgie! Auch in diesem Punkt eröffnete das Zweite Vatikanum eine neue Sichtweise: „Die Homilie […] wird als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen. Ganz besonders in den Messen, die an Sonntagen und gebo­tenen Feiertagen mit dem Volk gefeiert werden, darf man sie nicht aus­fallen lassen“ (SC 52).

In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium widmet Papst Franziskus der Homilie ein eigenes Kapitel. Für ihn kann die Homilie „eine intensive und glückliche Erfahrung des Heiligen Geistes sein, eine stärkende Begegnung mit dem Wort Gottes, eine ständige Quelle der Er­neuerung und des Wachstums“ (145). Sie ist „nicht nur ein Augenblick der Erbauung und Katechese, sondern das Gespräch Gottes mit seinem Volk“ (137). Sie nimmt den Dialog auf, „der zwischen dem Herrn und seinem Volk bereits eröffnet wurde“ und einen „geradezu sakramenta­len Charakter“ (142) hat. Der Prediger muss daher sein Ohr beim Volk haben, auf seine Zeichen und Symbole achten und auf seine Fragen antworten (154). Er muss eine Sprache sprechen, die die Adressaten verstehen (158), und soll nicht „beim Gejammer, bei der Kritik oder bei Gewissensbissen stehen bleiben“: Eine „positive Verkündigung [gibt] immer Hoffnung, orientiert auf die Zukunft hin und lässt uns nicht eingeschlossen im Negativen zurück“ (159).

Die missionarische Dimension der Wortverkündigung

„Alle kirchlichen Aktivitäten haben eine missionarische Dimension“, schreiben die deutschen Bischöfe in „Missionarisch Kirche sein“ (Sekre­tariat der Deutschen Bischofskonferenz 2003, 9). Das gilt in besonderer Weise für die Verkündigung des Wortes Gottes. Im Gleichnis vom Sä­mann (Mk 4,3–9.14–20) deutet Jesus selbst dieses Tun, das das Wort Gottes aussät wie Körner. Sie fallen auf unterschiedlichen Boden und bringen unterschiedliche Frucht: Sie können kurz aufblühen und zertreten werden; sie können durch anderes überlagert werden und verkümmern; sie können auf gutem Boden reifen und reichlich Frucht bringen.

Dem Wort Gottes den Boden bereiten, es im Wachsen und Reifen beglei­ten und fördern und sich an den Früchten freuen, das sind auch Dimen­sionen des gottesdienstlichen Feierns der Kirche.

Das neue Gebet- und Gesangbuch Gotteslob

Ein kurzer Blick in das neue Gotteslob mag unsere Gedanken zusammen­fassen. Die Ausgabe von 1975 begann mit dem Kapitel „Persönliche Ge­bete“ und bot Grundgebete und Gebete zu verschiedenen Themen und in verschiedenen Situationen. Die neue Ausgabe von 2013 eröffnet mit dem Abschnitt „Gottes Wort hören – Umgang mit der Heiligen Schrift“ und schließt den Abschnitt „Im Gebet antworten“ an. Gott ergreift die Initiative, die Menschen antworten!

„Gott spricht zu den Menschen. Über die Zeiten hinweg haben sie auf sein Wort gehört und sich von ihm leiten lassen. Die Heilige Schrift gibt in einzigartiger Weise Zeugnis vom Sprechen Gottes und von der Ant­wort der Menschen. Die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden emp­fängt ihr Leben vom Tisch des Wortes und des Brotes. Wie sie auf das Wort Gottes hört und es auslegt, ist beeinflusst durch die jeweilige Zeit und Kultur. Deshalb muss die Botschaft der Schrift den Menschen im­mer wieder neu erschlossen werden“ (GL 1,1).

Ausblick

„So gründet der Glaube in der Botschaft, die Bot­schaft im Wort Christi“ (Röm 10,17). Damit Glaube entstehen und wachsen kann, muss die Bot­schaft verkündet werden. Der Ort für das gemeinsame Hören ist die Fei­er der Liturgie, die Feier des Glaubens. So verschieden ihre Formen, Ele­mente und Symbole sein mögen, die Verkündigung des Wortes Gottes ist unverzichtbarer Bestandteil. Damit es seine missionarische Kraft entfalten kann, muss es in einer Sprache und in Formen verkündet wer­den, die die Menschen in ihrer je eigenen Lebenssituation treffen. Die klassische liturgische Trias von Lesung, Gesang und Gebet eröffnet ent­sprechende Gestaltungsmöglichkeiten, alte und neue.

Wir erleben derzeit einen Paradigmenwechsel. Die bisherige Praxis, wo­nach jedes Dorf, jeder Stadtbezirk eine Pfarrei mit einem eigenen Pfar­rer bildete, lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Es entstehen Seelsor­geeinheiten, Pfarrverbände, Großpfarreien. Die sonntägliche Feier der Eucharistie ist nicht mehr in jeder Pfarrkirche möglich. Da ist es umso wichtiger, dass sich Menschen versammeln, um zu beten, das Wort Got­tes zu hören und es in ihr Leben hineinzunehmen. Aus diesen gottes­dienstlichen Versammlungen kann wieder Gemeinde entstehen. Man fühlt sich an ein Schlagwort aus der Liturgischen Bewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erinnert: Seelsorge vom Altar aus.