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Kirche in der Stadt

Vortrag und Podium zum 200-jährigen Bestehen der Stadtkirche St. Stephan in Karlsruhe

Von Theo Westermann

Es gab zwar Sekt, doch es war kein Geburtstagsempfang des gegenseiti­gen Schulterklopfens und der Lobreden. St. Stephan, katholische Mut­ter- und Hauptkirche Karlsruhes, feierte ihren 200. Geburtstag mit einer intensiven, fast dreistündigen Podiumsdiskussion mit viel Selbstrefle­xion. „Kirche findet Stadt“ lautete der vieldeutige Titel der Veranstal­tung am 25.11.2014.

Eingeleitet hatte den Abend Hubertus Schönemann, Leiter der Arbeits­stelle für missionarische Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz in Erfurt. Er erinnerte daran, dass die Kirche zu Beginn eine Religion der Städte gewesen sei. Und genau dort finden laut Schönemann auch die Veränderungen statt, denen sich Kirche zu stellen habe. „Hier kann ge­lernt werden, in welcher Gestalt Glaube und Kirche zukünftig leben wird – wenn man sich darauf einlässt.“ Er brachte dabei den bildhaften Vergleich mit der Karlsruher U-Strab-Baustelle. Sie stehe für die „Zu­kunfts-Baustelle Karlsruhe“ – auch ein Bild für die Zukunftsbaustelle Kirche? Er zählte die Veränderungen auf, die Urbanisierung, die Freiheit und Pluralität der Lebensstile, gleichzeitig auch nach dem Verfall der katholischen Milieus ab den 60er Jahren nun auch das Schwinden der bisher bewährten Gemeinden, der „Gemeindetheologie“. Schönemann sah eine „Pluralität von spirituellen Stilen“ in den Städten. Dies könne auch ein „Kristallisationspunkt“ neuer religiöser Praxis werden. Er riet den Karlsruher Katholiken, als Kirche „auf den Marktplatz“ zu gehen, sprich zu den Menschen, etwa in Museen, Theatern, überall dort, wo sie leben.

„Da sind wir doch gar nicht so schlecht“, kommentierte Gastgeber und Podiumsteilnehmer Dekan Hubert Streckert, der auf Einrichtungen wie die Citypastoral hinwies. Nachholbedarf sah er dennoch: „Wir kümmern uns zurzeit viel um unsere Strukturen und unsere Gebäude“, so Streckert, der damit auf die Entwicklung bei den Seelsorge-Einheiten anspielte. Speziell was die Citypastoral angeht, verwies die zuständige Pastoralreferentin und Podiumsteilnehmerin Antke Wollersen auf viele gute Gespräche: „Wir sind auf einer guten Spur.“

Der evangelische Dekan und Podiumsteilnehmer Thomas Schalla beton­te die Ökumene: „Wir haben die gleiche Wahrnehmung der Probleme und Chancen.“ Nun komme es darauf an, die Menschen in der Stadt neu zu erreichen und auch an „fremde Orte“ zu gehen. Stefan Bonath, Leiter der Stabsstelle Pastorale Entwicklung im Ordinariat in Freiburg emp­fahl, die ganze Stadt als „Lebensraum zu fassen und nicht mehr in ein­zel­ne Einheiten zu trennen“. […]

Dies ergänzte Dekan Streckert wiederum mit seiner Bemerkung, dass St. Stephan zurzeit in einen Weihnachtsmarkt „eingebaut“ wird, sprich also „eingebaut in die säkulare Welt“. Und Streckert weiter: „Nun könn­te ich zwar klagen und darüber jammern, aber wir setzen uns täglich da­mit auseinander.“ Dass der Kommerz aber auch nützlich sein könne, wa­­­ren sich mehrere Podiumsteilnehmer einig. Der Erste Bürgermeister forderte die Kirchen auf, zwischen den „Fressbuden“ ihre eigenen Ak­zen­te zu setzen, sprich etwa die Kirche als Ruheraum anzubieten und zu zeigen, dass Weihnachten ein christliches Fest sei. Genau auf diese An­ge­­bote setzt die Kirche in Karlsruhe, informierte Pastoralreferentin Wollersen. So gibt es eine „Kirchenhütte“, und Kindern soll die Krippe nähergebracht werden. In der anschließenden Diskussion mit vielen der rund hundert 100 Besucher vermisste mancher Redner die Betonung der christlichen Nächstenliebe, andere befürchteten eine Kirche der Hauptamtlichen. Dies wollte Dekan Streckert so nicht stehen lassen. Die Kirche werde zurzeit „entklerikalisiert“, und dies schließe Pastoral- und Gemeindereferenten ein. „Viel stärker entdecken die Menschen wieder ihr Priestertum aus Taufe und Firmung“. […]

(Mit freundlicher Genehmigung der Badischen Neuesten Nachrichten, Karlsruhe, Ausgabe Nr. 274 Seite 34 vom 27. November 2014)