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Modernes Christentum

Evangelikale und charismatische Frömmigkeiten fordern konfessionsübergreifend heraus

Ihre Anhänger wirken teilweise wie aus der Zeit gefallen, so, als hätte es die Aufklärung nie gegeben. Und doch sind diese zwei christlichen Be­we­­gungen ein Kind der Moderne: Evangelikalismus und Pfingstlertum.

Die Fachtagung der katholischen Weltanschauungsbeauftragten vom 20. bis 22. März 2017 in Würzburg konnte natürlich nur einige wenige Schnei­sen in das weite Feld evangelikaler und pfingstlich-charismati­scher Frömmigkeiten schlagen. Es ging um ein besseres Verständnis der diesbezüglichen Denkwelten, die durch Vorträge aus der Perspektive un­terschiedlicher Disziplinen ausgeleuchtet wurden. Im Hintergrund stand aber auch der Alltag der Weltanschauungsarbeit: Fragen zu evangelika­len und pfingstlerischen Gruppen – insbesondere solchen mit funda­men­ta­listischer Prägung – machen konstant einen beträcht­lichen Teil der Beratungsarbeit aus: ein Zeichen für die Aktivität entsprechender Gemeinden und Organisationen trotz zahlenmäßiger Beschränktheit – vielleicht zwei Prozent der deutschen Bevölkerung sind evangelikal, charismatisch oder pfingstlerisch geprägt.

Spannend ist nun aber, dass diese Strömungen zwar beide ihre Ursprün­ge im protestantischen Erweckungschristentum haben, aber längst nicht mehr nur innerprotestantische Phänomene sind. Vielmehr macht sich der Einfluss dieser Frömmigkeitstypen auch immer stärker in der katho­lischen Kirche bemerkbar – nicht nur in Lateinamerika und anderen Ländern der „Dritten Welt“, wo die katholische Kirche den aufblühen­den Pfingstgemeinden dann teilweise mit einer starken innerkirchlichen Charismatik begegnet (vgl. Hochholzer 2013), sondern weltweit und auch hierzulande, wenn sogar manche Bischöfe eine Affinität zu charis­matischen und evangelikalen Denkweisen erkennen lassen.

Evangelikal: Was ist das?

Der Evangelikalismus knüpft nicht nur an den Pietismus und Methodis­mus, sondern auch an diverse Erweckungsbewegungen und an den pro­testantischen Fundamentalismus im frühen 20. Jahrhundert in den USA an.

Man kann nun den Evangelikalismus von seinen grundlegenden Glau­bens­aussagen her fassen, die reformatorische Einsichten hochhalten wol­len und sich teilweise (wie der historische nordamerikanische Funda­men­talismus) dezidiert gegen eine liberale Bibelkritik richten. So nennt z. B. die Glaubensbasis der Evangelischen Allianz – sozusagen die Dach­organisation der Evangelikalen – u. a. folgende Punkte: die gött­liche In­spi­ration und Autorität der Heiligen Schrift in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung, die völlige Sündenverfallenheit und Erlösungs­bedürftigkeit des Menschen, der allein durch Christi Opfer und durch Glauben an ihn Rettung finden könne, das Wirken des Hl. Geistes im Gläubigen, das Priestertum aller Gläubigen, das Christen weltweit ver­binde, sowie den Missionsbefehl.

Diese Bekenntnisaussagen kann man unterschiedlich gewichten, deu­ten und leben – der Evangelikalismus zeigt heute ganz unter­schied­liche Aus­­prägungen, so dass er eine schwer zu greifende Größe ist. Es gibt z. B. evangelikale Bibelfundamentalisten und solche, die sich um ihres ungestörten Glaubenslebens willen vor der Welt in eigene Siedlungen zurückziehen – aber auch Evangelikale, die sich der historisch-kritischen Bibelexegese annähern oder die stark den sozialen Dienst für die Welt aus dem Glauben heraus betonen.

So lässt sich Evangelikalismus – gerade im Hinblick darauf, dass auch im Katholizismus eine Ausbreitung evangelikaler Strömungen dia­gnos­ti­ziert wird – vielleicht besser als Frömmigkeitstyp verstehen. Im Gegen­satz insbesondere zu einer früheren Staatskirchlichkeit, die auf die for­male Zugehörigkeit der Bürger abstellte und in vielen Ländern bis heute nachwirkt, betont evangelikale Frömmigkeit die persönliche Glaubens­er­fahrung und Christusbeziehung; es geht um die Heiligung des Einzel­nen, um seine Glaubens- und Heilsgewissheit, um seine individuelle Erlösung – und daraus resultierend um den persönlichen Einsatz in der Verbreitung des als für alle Menschen heilsnotwendig verstandenen Glaubens an Jesus Christus. So tendiert diese Frömmigkeit auch zu einem Entweder-oder, zur scharfen Entgegensetzung von Heil und Verdammnis und umgekehrt zum Hochhalten von (als notwendig verstandenen) Glaubenswahrheiten und ethischen Regeln.

Michael Roth: Anfragen aus lutherischer Perspektive

Bei der Tagung der Weltanschauungsbeauftragten nahm nun Michael Roth, evangelischer Professor für systematische Theologie an der Uni­versität Mainz, diesen evangelikalen Typus aus lutherischer Perspektive kritisch unter die Lupe, insbesondere dessen Bezug auf Glaube und Wahr­heit. Es bestehe die Gefahr eines Abgleitens in ein fundamenta­lis­tisches Denken, das dadurch gekennzeichnet sei, Wahrheit in einer Art und Weise zu beanspruchen, die der Art, wie Wahrheit gegeben ist, nicht angemessen ist. Roth hob dagegen die Subjektgebundenheit der Wahr­heit hervor: Insbesondere der frühe Martin Luther betonte, man solle Gottes Wort glauben, weil man es inwendig als wahr empfindet, und nicht, weil Autoritäten es sagen. Im Glauben gehe es – so Roth – also nicht um Sachwahrheiten, sondern zuerst einmal um Gottes Zusage an den Glaubenden – eine Zusage, die man nicht „besitzen“ kann, die aber zum Leben befreien kann, wenn man im Vertrauen auf diese Zusage lebt.

Eine solche Wahrheit aber, die nicht einfach unmittelbar mit der Schrift gegeben ist (welche immer der Auslegung bedarf), mache Evangelikalen und insbesondere Fundamentalisten Angst, so Roth. Evangelikale neig­ten dazu, Liberalität als Schwäche zu sehen. Es lohne sich, hinter der vehe­menten Verteidigung von Wahrheit/Wahrheiten existentielle Fra­gen zu entdecken, z. B. eine Verunsicherung durch das Nebeneinander verschiedener Meinungen.

Nathanael Stead: Gespräch mit einem Aussteiger

Evangelikale können durch ihre Entschiedenheit beeindrucken, durch das Ernstnehmen ihres Glaubens, dass auch in entsprechendes Handeln einmündet. Unzweifelhaft kann ein solcher Glaube dazu bewegen, er­staunliche Projekte – auch im sozialen Bereich – unter großem persönli­chen Einsatz auf die Beine zu stellen. Die andere Seite der Medaille ist weniger sichtbar, wird aber in der Beratungspraxis der Weltanschau­ungs­arbeit immer wieder relevant, wenn etwa Eltern und Angehörige die übergriffige Vereinnahmung von Gläubigen beklagen.

Nathanael Stead hat ein Buch geschrieben, um seine Erfahrungen mit einer evangelikalen Organisation zu verarbeiten. Im Rahmen der Tagung stellte er sich einem Gespräch mit den Teilnehmern. Selber aus einem „frommen“ Elternhaus stammend, kam er zuerst in eine evan­gelikale Jugendgruppe und war später in einem sozialen Projekt für Kinder in Rumänien tätig. In seinen Ausführungen betonte er die Dis­krepanz zwi­schen Binnen- und Außenperspektive: Auch wenn Außen­stehende deut­lich erkennen und kommunizieren, dass der Gläubige sich ausnutzen lässt – für den Gläubigen kann sein Glauben gar nicht radikal genug gelebt werden, und nicht Vereinnahmung und Aus­nutzung sind für ihn die Frage, sondern, ob er genug für Jesus tue. Kritische Anfragen von außen werden konsequent abgeblockt, scheitern am hohen Idealismus. Allerdings kann dieser Idealismus auch Ansatz­punkt für Zweifel und letztlich – wie bei Stead – für den Ausstieg aus der Gruppe sein, wenn z. B. die Leitung der Organisation, die geradezu als Sprachrohr Gottes gesehen wird, sich durch einzelne Vorfälle als nicht dem Ideal entspre­chend erweist.

Peter Zimmerling: Charismatisches Christentum

Das Verhältnis von pfingstlich-charismatischem und evangelikalem Chris­tentum lässt sich nicht eindimensional bestimmen. Kam es schon in kürzester Zeit nach dem Aufkommen der Pfingstbewegung in Deutschland zu einer entschiedenen Abwehr und Verurteilung durch evangelikale Christen (Berliner Erklärung von 1909), so ist diese Distan­zierung heute überwunden. Historisch haben Evangelikalismus und Pen­tekostalismus/‌Pfingstchristentum gemeinsame Wurzeln im Erwe­ckungs­christentum insbesondere in den USA im 19. Jahrhundert. So verwundert es nicht, dass beide viel gemein haben, etwa die Betonung der individuellen spirituellen Erfahrung und der Notwendigkeit der Hei­ligung des eigenen Lebens. Man kann den Pentekostalismus teilweise als Evangelikalismus mit besonderem Fokus aus Geisterfahrung und Gna­den­gaben verstehen. Teilweise wird eine evangelikale Prägung aber nicht so deutlich ersichtlich sein, etwa bei der innerkatholischen Charis­matischen Erneuerung oder wenn spektakuläres, als geistgewirkt ver­standenes Wunderwirken und ekstatische Phänomene stark in den Vor­dergrund treten.

So sehr pfingstlerisches Christsein manchmal als archaische, ungezügel­te Religiosität anmuten mag, so ist es doch ganz deutlich ein Kind der Mo­derne, wie Prof. Peter Zimmerling, praktischer Theologe an der Uni­versität Leipzig, erklärte: nicht nur durch den religiösen Individua­lis­mus (wie er auch beim Evangelikalismus zutage tritt), sondern auch durch ein Fortschrittsdenken, dass den pentekostalen Neuaufbruch zu Beginn des 20. Jahrhunderts als letzte große Geistausschüttung vor dem Welt­ende verstand. Und schließlich lässt sich der Pentekostalismus ebenso wie der Evangelikalismus als eine Gegenbewegung zu einem übertrie­benen Rationalismus verstehen, der die Offenheit für Trans­zendenz und Emotionalität zuschüttet.

Der Preis für die pentekostale Orientierung an der Geisterfahrung kann freilich hoch sein, wie in Zimmerlings Vortrag ebenfalls deutlich wurde: Durch den Bezug auf die gegenwärtige Erfahrung ist der Pentekostalis­mus tendenziell traditionsvergessen, trotz Hochschätzung der Psalmen fällt die Berechtigung von Klage und Trauer leicht aus dem Rahmen cha­rismatischen Denkens, der Glaube kann in Abhängigkeit von beglücken­den körperlichen und seelischen Erfahrungen geraten, die Rolle der Ver­nunft für die Deutung der Geisterfahrungen wird oftmals ebenso unter­schätzt wie die kulturelle, biografische etc. Prägung dieser Erfahrungen. Besonders problematisch wird es auch aus Sicht der Weltanschauungs­arbeit, wenn charismatische Führungsgestalten durch geistliche Einga­ben überall Dämonen und böse Geister wittern, damit einen angstma­chenden Glauben fördern und durch das Angebot von Befreiungsdiens­ten/‌Exorzismen Gläubige nicht nur in Abhängigkeit bringen, sondern damit auch in unverantwortlicher Weise eine Alternative zu wissen­schaftlich fundierter Psychotherapie setzen.

Corinna Paeth: Psychologie erfahrungsbezogener Spiritualität

Dr. Corinna Paeth, Psychotherapeutin im Recollectio-Haus Münster­schwarz­ach, erläuterte psychologische Mechanismen, die hinter der Attraktivität evangelikaler und charismatischer Angebote stehen. Dort werden tatsächlich Grundbedürfnisse von Menschen befriedigt, etwa nach wertschätzender Aufnahme, nach Orientierung und sozialer Bezie­hung. Und viele Prediger entfalten eine salutogenetische Suggestivkraft, die mit einer positiven Erwartungshaltung der Gläubigen zusammen­wirkt und eine motivierende „Nestsituation“ bewirken kann, die die Glaubensausrichtung positiv verstärkt.

Allerdings lässt sich ein solches Wirken etwa von pfingstlerischen Wun­der­­hei­lern häufig auch als geschickte Inszenierung, als „Bühnenhyp­nose“, identifizieren, die die Gläubigen von kritischer Reflexion abhält und gerade bei autoritärem Auftreten des Predigers zu einer „Altersre­gres­sion“, zu einem kindlichen Anklammern an den überhöhten Predi­ger, führen kann. Abhängigkeit, Einschränkung der Autonomie und der Verzicht auf ggf. notwendige professionelle Hilfe bei Erkrankungen sind dann leicht die langfristigen negativen Folgen.

Innerkirchliche Herausforderungen

Die Pfingstbewegung rückt den Hl. Geist, der als nur schwer fassbare drit­te Person der Trinität oftmals eher ein „Schattendasein“ führt, wie­der in den Vordergrund. Das ist konfessionsübergreifend erst einmal zu würdigen. Doch entstand mit der Anlehnung an den Geist, der weht, wo er will, auch ein neuer Zweig des Christentums, der sich durch Risiko­freu­digkeit auszeichnet; denn die pfingstlerisch-charismatische Bezug­nahme auf eigene, als geistgewirkt gedeutete Erfahrungen und Ein­gaben zeichnet sich häufig mehr durch Enthusiasmus denn durch sorg­fältige Prüfung der Geister aus. „Herkömmliche“ Kirchen (wie in Deutschland die katholische Kirche und die evangelischen Landes­kirchen) sind zwar oft vergleichsweise eher „schwerfällig“, haben aber durch ihre Tradition, durch ihre akademische Theologie und durch etablierte Amtsstrukturen auch Sicherungen gerade gegen die indi­vi­duellen Behauptungen und Eingaben einzelner Gläubiger und letztlich auch gegen die Machtan­sprüche mitreißender Führungs­figuren – Sicherungen, die im Pentekos­ta­lismus und auch im Evan­gelikalismus häufig fehlen.

Bei der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche Deutsch­lands geschieht eine gewisse Einhegung überbordender Fröm­migkeit durch die Einbindung in die innerkirchlichen Strukturen – dass dies ein Ringen ist, zeigen die „Theologischen und pastoralen Grundla­gen“ (vgl. Koordinierungsgruppe der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche 2007). Stärker im Fokus ist derzeit das Gebets­haus Augsburg, dass durch seine gutbesuchten MEHR-Konferenzen beein­druckt (vgl. dazu den Bericht von Markus-Liborius Hermann in dieser Ausgabe), aber auch bei vielen Besorgnis hervorruft: Lässt sich diese charismatische Spiritualität in guter Weise in eine gesunde Viel­falt katholischen Glaubenslebens einfügen?

Gerade beim Gebetshaus wird deutlich: Die Frage der Rolle charismati­scher Frömmigkeitsformen und Initiativen (auch jenseits der Charisma­ti­schen Erneuerung) in der katholischen Kirche bedarf weiterer Refle­xion und Diskussion sowie kritischer Prüfung, die nicht nur auf das vorder­grün­­dige Erscheinungsbild oder formal auf Nichtwidersprüch­lich­keit zur katholischen Lehre schaut. Auch nur intern oder eher implizit vermittel­te Denkvorstellungen können hochproblematisch sein: Die charisma­tisch-freikirchliche TOS-Gemeinde z. B. veranstaltet in ganz Deutsch­lands ihren Marsch des Lebens, der an den Holocaust erinnert, und sucht sich dazu vor Ort auch andere christliche und jüdische Gemeinden als Partner. Was vordergründig als wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur erscheint, wird aber von der TOS mit einer pfingstlerischen Theologie unterfüttert, die von einer dämoni­schen Belastung ganzer Territorien ausgeht, die es durch geistliche Maß­nahmen (Gebete, Schuldbekennt­nis­se …) aufzubrechen gelte, um eine effiziente Evangelisierung über­haupt erst zu ermöglichen. Das ist offenbar vielen Partnern bei diesen Märschen nicht bewusst. Wie sehr aber die Tendenz nicht nur im charis­matischen Christentum, an allen möglichen Stellen und bei einzelnen Personen unter Vernachlässigung rationalen Denkens dämonische Belas­tungen zu diagnostizieren, Menschen traumatisieren kann, erfahren Weltanschauungsbeauftragte immer wieder in ihrem Beratungsalltag.

Dass von pfingstlerischer und evangelikaler Seite trotz geradezu tradi­tio­neller Ferne zur Ökumene (die nicht mit „überkonfessioneller Zusam­menarbeit“ verwechselt werden darf!) heute verstärkt Kontakte und Kooperationen auch mit der katholischen Kirche gepflegt werden, ist angesichts der vielen gemeinsamen Herausforderungen in der Welt zu begrüßen. Auch entdecken beide Seiten manches beim jeweils anderen, was den eigenen Glauben befruchten kann – seien es frei­kirchliche Charis­menkurse oder die Jesus-Bücher von Papst Bene­dikt XVI. Dies sollte aber nicht zu unreflektierten Übernahmen oder vorschnellen Ko­ope­rationen führen, sondern stets im Bewusstsein der unterschiedlichen konfessionellen Prägungen geschehen, da sich sonst leicht Missverständ­nis­­se oder Vereinnahmungen ergeben können. Dazu bedarf es aber eines Wissens um die fremden wie auch die eigenen Denk­voraussetzungen so­wie einer Kultur des langfristigen Gesprächs und Austausches, die auch Differenzen nicht leichtfertig unter den Tisch kehrt.

Gerade angesichts der Säkularisierung und des Schwindens des volks­kirchlichen Katholizismus, der wesentlich durch die kirchliche Sozi­alisa­tion in der Kindheit geprägt ist, werden in den Pfarreien, aber auch in Strukturen quer dazu (etwa in neuen geistlichen Gemeinschaften) neue Formen des Christseins stärkeres Gewicht in der Kirche erlangen. Diese zeichnen sich vielfach durch evangelikal anmutende Formen aus: Beto­nung der individuellen Glaubensentscheidung (häufig verbunden mit Erwachsenentaufe), Betonung der persönlichen Christusbeziehung, ent­schiedenes und gar kämpferisches Herausstellen der eigenen Glaubens­identität (teilweise auch in Frontstellung zu einer als gottfern verstande­nen Welt), Hervorhebung von als entscheidend verstandenen Glaubens­wahrheiten und umgekehrt eine Distanz zur modernen Theologie und zur historisch-kritischen Exegese.

Auch wenn dieses evangelikale Gepräge vielen Katholiken fremd ist und bleibt, heißt das noch nicht, dass es illegitim wäre. Eine wesentliche Auf­­gabe für die katholische Kirche nicht nur in Deutschland wird es aber sein, das sich bereits abzeichnende zukünftige Gefüge von unter­schied­lichen und teilweise widersprüchlichen Ausprägungen des Glaubensle­bens nicht zu Parallelgesellschaften, sondern soweit wie möglich zu einem fruchtbaren Miteinander werden zu lassen – und dennoch die notwendige Scheidung der Geister nicht zu vernach­läs­si­gen und gemein­sam um einen auch vor der Vernunft verantwortbaren Glauben zu rin­gen. Dass die kirchliche Weltanschauungsarbeit diese Herausforderung im Blick hat und dafür auch Kompetenzen bereithält, hat die Fachtagung in Würzburg erneut deutlich gemacht.