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Innovation statt Resignation

Pastorale Innovation im Bistum Fulda

Zu einem „Tag für Pastorale Innovation“ trafen sich am 26. Oktober 2019 200 haupt- und ehrenamtlich im Bistum Fulda tätige Frauen und Männer. Dabei kamen sie mit Fachleuten für pastorale Innovation und Kirchenentwicklung, mit Bischof Dr. Michael Gerber, Seelsorgeamtsleiter Thomas Renze sowie untereinander ins Gespräch und tauschten ihre Erfahrungen aus. 

Bischof Gerber machte im Gespräch mit Simone Twents und Thomas Bretz, die den Tag verantworteten, deutlich, dass es in der Entwicklung der Seelsorge mit den Menschen um einen „Kulturwandel“ gehe, um die Vision einer leidenschaftlichen Kirche, die – vom Geist Gottes be­wegt – hinausgeht. Die Kirche befinde sich in der Nachfolge Jesu Christi, den die Menschen seiner Zeit als Erneuerer erlebt hätten, der aber am Karfreitag vermeintlich gescheitert war. „Es ist auch für uns heute eine geistliche Herausforderung, dass wir den gekreuzigten und auferstande­­nen Jesus verkünden und dass aus dem Karfreitag etwas Neues hervor­ging“, so Gerber.

Simone Twents und Thomas Bretz.
Alle Fotos: © Dr. Arnulf Müller.

 

In der Geschichte der Kirche habe es schon oft Ab- und Zusammenbrü­che gegeben, durch die etwas Neues gewachsen sei. „Die Dynamik Jesu hat etwas mit unserer Innovation heute zu tun.“ In der heutigen multi­optionalen Gesellschaft laufe die Sozialisation junger Menschen ganz anders ab als früher – diese Herausforderung gelte es anzunehmen und sich nach der Relevanz des Reiches Gottes unter uns zu fragen.

Bischof Gerber im Gespräch.

Ein Lernprozess im Bistum

Seelsorgeamtsleiter Thomas Renze verwies auf die 2000-jährige Wachs­tumsgeschichte des Christentums und das Wirken des Heiligen Geistes darin: „Der Geist Gottes bewirkt auch heute, dass Menschen innovativ und risikofreudig sind – auch wir heute können mutig, risikobereit und schöpferisch-innovativ für die Kirche tätig sein“, stellte er heraus. Ein jeder könne sich hier mit seinen Fähigkeiten einbringen. Es gelte, Neues auszuprobieren und Bewährtes in die Zukunft zu führen, um den Men­schen von heute das Evangelium Jesu Christi „passgenau“ zu verkündi­gen. „Es ist ein Lernprozess im Bistum, bei dem wir gemeinsam auf dem Weg sind.“ In diesem Sinne sei die Kirche aus dem Geist Gottes heraus zum Wachsen berufen.

Seelsorgeamtsleiter Thomas Renze.

 

Im weiteren Verlauf des Vormittags kamen Experten zu Wort, die am Nachmittag in verschiedenen Gruppen zu innovationsspezifischen Themen arbeiteten.

Impulse für Innovationen

Florian Sobetzko (Aachen) machte dabei in seinem Impuls „Effectuation und Nutzerorientierung“ deutlich, dass Innovation aus drei Dingen bestehe – einer Idee, deren erfolgreicher Anwendung sowie ihrer Verbreitung. Innovation beginne mit dem, was vorhanden sei, und denen, die da seien. „Es beginnt in kleinen Schritten mit den Menschen vor Ort, in der Gestaltung ihres Zusammenlebens.“ Innovation bezeichnete er als ein Handwerk, das man erlernen könne (dazu weiterlesen).

Impulsgeber Florian Sobetzko.

 

Für Torsten Huith (Dortmund) ist Innovation eine Reise auf dem Weg zum Menschen. Mit „kreativem Denken“ müsse man eine hörende Perspektive einnehmen, Bedürfnisse wahrnehmen und eine dienende Haltung haben. Der Raum für kreative Ideen ergebe sich „aus der Schnittmenge unserer Angebote und der Bedürfnisse der Menschen“.

Impulsgeber Torsten Huith.

 

Dr. Georg Plank (Graz) ermunterte in seinem Impuls „Vitalisierende und willkommen heißende Gemeinden“ dazu, lieber weniger zu tun und das gut und wirkungsvoll, denn Zeichen der Zeit seien heute, dass es zu viel, zu schnell und zu laut zugehe. Bei der Innovation gehe es um gute Früchte, wozu die kirchliche Tradition gute Voraussetzungen biete. „Wir sollten uns daran orientieren, was Menschen erlebt haben, die mit Gott in Berührung gekommen sind“, so seine Forderung. Man müsse Lust haben, „besser zu werden“.

Impulsgeber Georg Plank.

 

Gabriele Viecens, die sich in Hildesheim mit lokaler Kirchenentwicklung befasst, regte in ihrem Impuls „Charismenorientierung und dienende Leitung“ an, die Potentiale der Menschen vor Ort zu entdecken. Das konkrete Werkzeug für eine neue Verkündigung der guten Botschaft Jesu Christi könne man erlernen. „Wir müssen darauf hören, was Gott am konkreten Ort wirken will, damit neue, lebendige Formen des Kircheseins entstehen“ (dazu weiterlesen).

Impulsgeberin Gabriele Viecens.

 

Anschließend gab es in einer Fragerunde die Möglichkeit, auf die Impulse des Bischofs und der Fachleute einzugehen.

Sechs innovative Projekte ausgezeichnet

Am „Tag für Pastorale Innovation“ wurde auch der „Preis für pastorale Innovationen im Bistum Fulda“ verliehen. Exemplarisch für 39 inno­vative Bewerbungen wurden sechs Projekte ausgezeichnet, die durch eine Jury nach Kriterien pastoraler Innovation ausgewählt worden waren. Den Preis überreichten Eva Rudolf, Rundfunkredakteurin im Bistum Fulda, und Ordinariatsrat Renze, der auch die Laudatio hielt. Der höchste Preis ging mit 2.500 Euro an das Gewinnerprojekt „Theologie am Fass – Gott, Bier und Poetry“ von Kaplan André Lemmer und Team aus Gelnhausen: „Heute haben wir im Zuge des Tages für pastorale Innovation des Bistums Fulda nicht nur viel Neues gelernt, sondern auch einen Preis für unser innovatives Konzept ‚Theologie am Fass‘ überreicht bekommen. Ein grandioser Tag mit vielen bekannten und unbekannten Gesichtern, aber auch unglaublich viel Innovation, die schon in vielen Pfarreien unseres Bistums läuft. Das macht sehr viel Mut für die Zukunft!“

Je 1.500 Euro Preisgeld erhielten die Projekte „Daheim – unterm Walnussbaum“ des Familienkreises um Paul Kowalski aus Kalbach, „Musik und Kultur in der Elisabethkirche“ von Marcus Leitschuh aus der Pfarrei St. Elisabeth in Kassel, das „Light-up-the-Dom“-Festival der katholischen City-Pastoral in Fulda um Bernadette Wahl, das „Jail House College“ der Gefängnisseelsorge in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld mit Diakon Dr. Meins Coetsier und „Kirche vor Ort – wir gehen zu den Menschen“ der Pfarrei St. Franziskus in Bebra-Rotenburg von Pfarrer Andreas Schweimer und Team (alle Projekte werden demnächst bei www.euangel.de und www.pastorale-innovationen.de vorgestellt). Kriterien für die Auswahl der Projekte durch die Jury waren die Frage nach lebendigen Erfahrungen mit Jesus und dem Evangelium in der heutigen Lebenswelt, Zugehen auf Menschen außerhalb der klassischen Kerngemeinde, Willkommenskultur der Gemeinde, Kooperation mit Trägern aus Kultur und Gesellschaft und flexible sowie partizipative Arbeitsweise. Die Jury der Preisverleihung bestand aus Dr. Markus-Liborius Hermann, Referent für Evangelisierung, Verkündigung und Katechese in der KAMP, Eva Rudolf, Rundfunkredakteurin im Bistum Fulda, Daniel Rempe, Referent für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen, sowie Ordinariatsrat Pfarrer Thomas Renze, Seelsorgeamtsleiter im Bistum Fulda.

Die Preisträger.

 

Teilnehmer des Tages resümieren: „Der Tag war sehr professionell und sehr motivierend. Es war von Anfang an eine geistliche Tiefe spürbar. Ich habe viel gelernt und kehre ermutigt in meine Pfarrei zurück.“ – „Eine Kirche, die aufbricht und von Wachstum spricht – da möchte ich dabei sein.“ – „Wir müssen die Freude wiederfinden, katholisch zu sein. Die Botschaft von Jesus ist so gut. Sie verdient, dass wir unser Bestes geben.“ – „Als Kirche mit den Menschen unserer Zeit unterwegs zu sein und neue Brücken zu finden, ihnen gut zu dienen, das treibt mich an. Dazu hat der Tag mir neue Impulse gegeben.“

Die Verantwortliche für den Tag, Simone Twents, Leiterin des Referats für pastorale Innovation im Bistum Fulda, resümiert: „Der Tag hat eine unglaubliche Dynamik freigesetzt. Viele Innovateure im Bistum Fulda, die als Pioniere in ihren Pfarreien vor Ort neue Wege gehen, sind miteinander in Kontakt gekommen. Das schafft Synergien. Die visionäre Kraft ist da. Jetzt ist es Zeit für gutes Handwerk, um neuen Aufbrüchen gut zu dienen. Wir haben unsere Kraft als Bistum Fulda gespürt und gleichzeitig eine Kraft, die über die Summe unseres eigenen Handelns hinausgeht.“

Die Frage pastoraler Innovation im Bistum Fulda wird u. a. mit zwei Veranstaltungen weiter vorangetrieben: Für den 16. bis 21. Juni 2020 ist eine „Summer School für lokale Kirchenentwicklung“ geplant, die mit Fachteams aus dem Bistum Hildesheim und dem Pastoralinstitut Bukal, Philippinen, der Frage nachgehen soll, wie Menschen in Gemeinden miteinander in Beziehung treten und sich gegenseitig unterstützen und inspirieren können (Ansprechpartner: Steffen Jahn, Missio-Referat im Bistum Fulda). Am 7. November 2020 sollen im „ForumGO! Wir sind gesandt – Bausteine einer missionarischen Pastoral“ mit Otto Neubauer von der Akademie für Dialog und Evangelisation (Wien) neue Wege der dienenden und dialogfähigen Evangelisation bearbeitet werden.